Nationalisten bestimmen Debatte in Prag
Die Entwicklungen in Tschechien in der Flüchtlingsfrage haben erneut zu einer Auseinandersetzung des Landes mit der EU geführt. Denn wegen der Haltung, überhaupt keine Flüchtlinge mehr aufzunehmen, obwohl das tschechische Parlament zumindest 80 zugesagt hatte, hagelt es harsche Kritik von EU-Kommissar Günther Oettinger.
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Angesichts der schrecklichen Bilder aus Aleppo, wo rund 300.000 Syrer eingeschlossen sind, müsse Europa sich schon fragen, ob es nicht mehr anzubieten habe, sagte Oettinger vergangene Woche in einem Interview mit einem Radiosender in Hannover. Die Menschen hungerten und schwebten in Lebensgefahr.
„Natürlich sehe ich wohl, dass Tschechien historisch gesehen nicht so viele Asylgründe in der Verfassung stehen hat wie wir. Aber die Flüchtlingsquote ist mit großer Mehrheit beschlossen worden und ist europäisches Recht“, sagte Oettinger in dem Gespräch weiter. Wer als Präsident wie Milos Zeman europäische Gesetzgebung diffamiere, der schwäche Europa insgesamt.
EU-Flüchtlingsquoten nicht erfüllt
Zeman hatte davor betont, man wolle überhaupt keine Flüchtlinge mehr im Land aufnehmen, denn damit schaffe man nur „einen Nährboden für barbarische Attacken“ wie die Beispiele in Frankreich und Deutschland zeigten. Zeman will, dass sich das Parlament mit einem völligen Aufnahmestopp befasst.
Die Aussagen bringen Regierungschef Bohuslav Sobotka von der sozialistischen Partei Tschechiens (CSSD) weiter unter Zugzwang. Sobotka hatte nämlich kurz zuvor erklärt, sein Land wolle bis Oktober zumindest 80 syrische Flüchtlinge aufnehmen. Im Vorjahr hatte Tschechien aber noch die Aufnahme von 400 Schutzsuchenden im Rahmen des EU-Resettlement-Programms zugesagt. Bisher nahm das EU-Nachbarland über diesen Weg 52 Menschen auf.
Auch bei Relocation-Programm säumig
Aber auch bei einem anderen EU-Vorstoß ist Tschechien säumig. Das Relocation– Programm der EU, das in Italien und Griechenland die Flüchtlingszahlen senken und die Belastung dort erleichtern soll, sieht 2.691 Asylsuchende für Tschechien vor. Zugesagt hat Prag hier aber nur die Aufnahme von 50 Flüchtlingen, tatsächlichen Schutz bekommen haben aber überhaupt nur vier.
Gefängnis statt Asylverfahren
Der Fall eines Flüchtlings aus Sri Lanka, der nun an die Öffentlichkeit gerät, zeigt außerdem schwere Missstände im Asylwesen Tschechiens. Der 28-jährige Mann landete am Flughafen in Prag und wollte um Asyl ansuchen. Doch niemand hörte sich seine Geschichte an.
Statt ihm ein Asylverfahren zu ermöglichen, wurde der Sri Lanker wegen Einreise mit gefälschten Papieren zu einer achtmonatigen Haftstrafe verurteilt, die er in einem Prager Gefängnis absitzt. Die Organisation für Flüchtlingshilfe (OPU) hat sich des Falles nun angenommen und darauf hingewiesen, dass der Mann schwer traumatisiert sei durch die Bürgerkriegserfahrungen in seiner Heimat und ein Recht auf ein Asylverfahren habe.
Neues Anti-Migranten-Bündnis
Zeman bekam zuletzt in seiner Haltung gegen Flüchtlinge Unterstützung von tschechischen Parlamentariern, die eine parteiübergreifende „Plattform gegen Multikulturalismus“ gegründet haben. 40 der insgesamt 200 Abgeordneten hätten sich der Initiative angeschlossen. Darunter sind auch Mitglieder der beiden Regierungsparteien: der sozialdemokratischen CSSD unter Premierminister Bohuslav Sobotka und der politischen Bewegung ANO unter Vizepremier Andrej Babis.
Ziel der Plattform sei es, über die Entwicklung der Migration und die latente Islamisierung im Land zu informieren, sagen die Initiatoren, die aus der Babis-Partei kommen. Der ANO-Parteiführer, der auch Finanzminister Tschechiens ist, hat sich mehrfach für einen totalen Flüchtlingsstopp ausgesprochen. Die Flüchtlinge seien ein „großes Risiko, wenn man sieht, welche Gräueltaten einige Leute begehen".
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