Ein „verdeckter Preisnachlass“
Die Anklage gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und 15 weitere Beschuldigte in den Fällen BUWOG und Terminal Tower ist der Startschuss für ein Verfahren von jetzt schon rekordverdächtigen Dimensionen: Die Ermittlungen dauerten Jahre, die Vorwürfe umfassen Hunderte Seiten, und die Beschuldigtenseite wird wohl mit allen Mitteln kämpfen - aber auch die Ankläger sind erstaunlich gut gerüstet.
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Ein erster Einblick in den 53 Seiten starken „Anklagetenor“ (eine Zusammenfassung der Anklagepunkte) der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die Ö1 zugespielt wurde - mehr dazu in oe1.ORF.at -, spiegelt zumindest die jahrelange Ermittlungsarbeit der Anklagebehörde wider: Kein noch so kleines Detail, über das sich Beweise finden ließen, wird bei der juristischen Bewertung ausgelassen. Auch finden sich darin schon vorab Antworten auf die mutmaßliche Verteidigungstaktik der Beschuldigten.
„Bestechungszahlungen“
Der Verdacht der Ankläger wird klar formuliert: Für den Verkauf der staatlichen BUWOG-Wohnungen und bei der Einmietung der Finanzbehörden in den Linzer Terminal Tower flossen „Bestechungszahlungen“. Die Ermittlungen galten über Jahre hinweg der Sicherung von Beweisen dafür, dass das Geld durch verschleierte Zahlungsflüsse über Zypern nach Liechtenstein letztlich bei Grasser und seinen Vertrauten, nun allesamt unter den weiteren Beschuldigten, landete.
Anklage gegen Karl-Heinz Grasser
Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser wird angeklagt. Neben ihm 15 weitere Personen, die entweder in den Verkauf der BUWOG oder in die Einmietung der Finanzbehörden in den Linzer Terminal Tower involviert sind.
Die Anklageschrift verschweigt, ob die Staatsanwaltschaft ein „smoking gun“ in der Hand hat, also die Geldflüsse inzwischen zweifelsfrei zuordnen kann. Auf jeden Fall wird juristisch für den Fall vorgebaut, dass der Beweis misslingt: Die gesamte Anklage ist nicht auf der Annahme von Bestechungsgeldern aufgebaut, sondern vielmehr auf dem Schaden, der der Republik aus den offenbar manipulierten Deals erwachsen ist. Der Rechnungshof (RH) bezifferte diesen mit rund 200 Millionen Euro.
Vorwürfe doppelt und dreifach abgesichert
Grasser habe, egal warum, gegen die Pflicht zur „Erlösmaximierung“ als Vertreter der Republik verstoßen, argumentiert die Anklageschrift. Damit, dass die BUWOG an die Immofinanz gegangen sei, habe er dieser einen „verdeckten Preisnachlass“ gewährt. Dieses Argument hält auch, wenn der Fluss von insgesamt rund zehn Millionen Euro in Richtung von Grasser, seinen Vertrauten Walter Meischberger und Ernst Plech sowie dem Lobbyisten Peter Hochegger nicht beweisbar bleiben sollte.
Fall Grasser: Gespräch mit Generalprokuratur Pleischl
Generalprokuratur Werner Pleischl erklärte in der ZIB24, das nunmehr vorliegende Bild rechtfertige die Anklage. Die Ankläger hätten recht damit, dass eine Verurteilung wahrscheinlicher als ein Freispruch sei.
Ohnehin führt die Anklageschrift aber über unzählige Seiten hinweg einzelne Besprechungen, Abmachungen und Zahlungen auf, in denen die Staatsanwälte allesamt Straftatbestände sieht - von Geschenkannahme bis zu Diebstahl, Untreue, Beweismittelfälschung und anderem mehr. Meist sind die Vorwürfe dabei doppelt und dreifach abgesichert: So wird der finanzielle Schaden auch aufseiten der Immofinanz verortet, womit sich Grasser und Co. auch auf dieser Seite per Beihilfe zur Tat schuldig gemacht hätten.
Staatsanwälte machen’s spannend
Ein schnelles Verfahren war angesichts der komplexen Vorwürfe nie zu erwarten. Die Beschuldigten und ihre Anwälte dürften aber mit zu erwartenden juristischen Kunstgriffen noch für genug zusätzliche Verfahrenstage sorgen, beginnend bei erwarteten Einsprüchen gegen die Anklage selbst. Gerade der Vorwurf der Schädigung der Republik könnte darüber hinaus zu einem Gutachterkrieg zur Höhe des entstandenen Schadens führen. Das hätte wiederum monatelange Verhandlungspausen zur Folge.
Dazukommen könnten etwa Gutachten, laut denen Beschuldigte beispielsweise nicht verhandlungsfähig seien, wie einst im BAWAG-Prozess bei Ex-Bankchef Helmut Elsner. Vielleicht macht die Anklageschrift die Beschuldigten aber auch neugierig genug, um den Weg ins Gericht auf sich zu nehmen: Sie nennt die Daten mehrerer strafrechtlich relevanter Treffen zwischen den Beschuldigten - ohne zu sagen, was dort besprochen wurde. Erst im Gerichtssaal müssen die Ankläger die Beweise auf den Tisch legen.
Lukas Zimmer, ORF.at
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