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Verdächtigungen „falsch und schädlich“

Äußerungen der türkischen Regierung über die möglichen Hintergründe des missglückten Militärputschs in der Nacht auf Samstag haben den Verbündeten und NATO-Partner USA kräftig verärgert. US-Außenminister John Kerry ließ ausrichten, er halte diese für „schädlich“ für die bilateralen Beziehungen.

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Die USA - allen voran Präsident Barack Obama - hatten sich nach dem Umsturzversuch umgehend auf die Seite der türkischen Regierung gestellt. Laut Angaben aus dem Weißen Haus sicherte Obama seine „unerschütterliche Unterstützung für die demokratisch gewählte, zivile türkische Regierung“ zu. Dann allerdings äußerte der türkische Arbeitsminister Süleyman Soylu den Verdacht, die USA könnten hinter dem versuchten Staatsstreich stecken.

Kerry über Kommentare verärgert

Kerry reagierte verärgert - er habe am Samstagabend zum wiederholten Mal mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlut Cavusoglu telefoniert, um Unterstützung bei der Aufklärung der Hintergründe anzubieten, sagte sein Sprecher John Kirby. Gleichzeitig habe Kerry auch klargemacht, dass „öffentliche Andeutungen oder Behauptungen“ über eine Beteiligung der USA „völlig falsch“ und „schädlich“ für die Beziehungen zwischen beiden Ländern seien.

Der Erzfeind im US-Exil

Schlüsselfigur in dem Disput ist der im US-Exil lebende Prediger Fethullah Gülen, früher ein Verbündeter Erdogans und seit einigen Jahren sein Erzfeind. Anhänger von Gülens „Hizmet“-Bewegung („Dienst“) werden in der Türkei als Terroristen klassifiziert, Erdogan bezichtigt den einflussreichen Prediger der Drahtzieherschaft bei dem Putschversuch. Dieser dementiert das und hat seinerseits den türkischen Präsidenten im Verdacht.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan

APA/AP

Erdogan sprach am Samstag vor versammelten Anhängern in Istanbul

Gülen dreht den Spieß um

In einem seltenen Zeitungsinterview sagte Gülen der „New York Times“ (Samstag-Ausgabe), möglicherweise stehe der mit ihm verfeindete türkische Präsident Erdogan selbst hinter der Aktion. „Ich weiß nicht, wer meine Anhänger sind“, sagte Gülen der Zeitung auf die Frage, ob seine Unterstützer an dem Umsturzversuch beteiligt gewesen seien.

Prediger Fethullah Gülen

Reuters

Gülen war einst ein Unterstützer von Erdogans Regierungspartei AKP

Da er „diese Individuen“ nicht kenne, könne er auch nicht über ihre mögliche Verwicklung sprechen. „Es könnte etwas von der Opposition oder von Nationalisten sein. Ich bin seit 30 Jahren aus der Türkei weg und habe das nicht verfolgt.“

„Es könnte eine Lüge sein“

Es sei möglich, dass Erdogan selbst hinter dem Umsturzversuch stehe, sagte der 75-Jährige in seinem Anwesen in Saylorsburg im US-Bundesstaat Pennsylvania. Allerdings könne er keine „Anschuldigungen ohne Beweise“ vorbringen. „Es könnte eine Lüge sein, es könnte ein falscher Vorwurf sein.“ Einige Führer würden „falsche Selbstmordanschläge“ inszenieren, um mit stärkerer Hand regieren zu können, „solche Leute könnten sich solche Szenarien einfallen lassen“.

Erdogan hatte von Washington die Auslieferung Gülens verlangt. Die USA als Verbündeter hätten nie die Auslieferung von „Terroristen“ verweigert, zitierte am Sonntag die britische BBC den türkischen Präsidenten aus einer im TV übertragenen Rede. „Wenn wir strategische Partner sind“, dann sollte Washington dem Ansuchen Folge leisten.

Notfallhotline

Das Außenministerium richtete eine Beratungshotline ein: 0043-1-90115-4411

Kerry sagte während eines Besuchs in Luxemburg zu, ein Auslieferungsgesuch der Türkei zu prüfen, wenn sie richtige Beweise gegen Gülen vorlegen könne. Dann würden die USA prüfen und entscheiden. Der US-Außenminister rief die Türkei auch dazu auf, Zurückhaltung zu üben und sich bei der Untersuchung der Umsturzpläne an die Gesetze zu halten.

Verbündete nicht nur im Kampf gegen IS

Teile des türkischen Militärs hatten in der Nacht zum Samstag versucht, die Macht an sich zu reißen. In Ankara und Istanbul kam es zu schweren Gefechten, in deren Verlauf fast 300 Menschen getötet wurden. Die türkische Regierung erklärte den Putschversuch nach wenigen Stunden für gescheitert und ließ Tausende angebliche Putschisten verhaften.

Die USA und die Türkei sind nicht nur traditionell Verbündete und Partner im NATO-Militärbündnis. Beide Länder arbeiten etwa auch im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien zusammen. Dabei nutzen die USA die südtürkische Luftwaffenbasis Incirlik, nur wenige Kilometer entfernt von der Stadt Adana an der Grenze zu Syrien. Diese war nach dem Putschversuch bis Sonntagnachmittag gesperrt worden.

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