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Militärische Verluste bei Terrormiliz

Der Irak, Syrien und Libyen: Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ist in den vergangenen Wochen an mehreren Orten unter Druck geraten. In allen drei Ländern musste der IS militärische Verluste hinnehmen. Angesichts dieser Rückschläge mehren sich die Warnungen vor der Gefahr von Anschlägen auf internationale Ziele.

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UNO-Untergeneralsekretär Jeffrey Feltman sprach am Donnerstag von der Gefahr komplexer Attacken, die in mehreren Wellen ausgeführt werden könnten. Das Risiko von Anschlägen steige vor allem deswegen, weil angesichts der Verluste ausländische Kämpfer verstärkt in ihre Heimatländer zurückkehren würden. Ähnlich argumentiert die deutsche Regierung.

Machtverlust überspielen

Der IS nehme vermehrt Anschlagsziele in Europa ins Visier, um den Machtverlust in Syrien und im Irak zu überspielen, sagte Emily Haber, Staatssekretärin im deutschen Innenministerium, am Donnerstag. Die Teilverlagerung der Operationen aus dem historischen Kalifatsgebiet nach Libyen und damit in die Außenregionen der arabischen Welt werde von den Anhängern der Extremisten durchaus als Abstieg wahrgenommen.

Haber vermutet daher, dass sich die IS-Propaganda künftig eher um das Überleben der Miliz als um den Kampf gegen den Westen drehen werde: „In Europa aber wird das kaum Mobilisierungswirkung entfalten.“ Dafür brauche der IS Erfolge. „Es ist also nur folgerichtig, dass der IS massiv dazu übergegangen ist, Ziele in Europa ins Visier zu nehmen und hier zu Anschlägen, auch zu Kleinstanschlägen aufzurufen“, folgerte die Staatssekretärin.

Problem der Resozialisierung

Experten und Geheimdiensten zufolge schlossen sich seit 2014 mehrere tausend westliche Freiwillige dem IS an. Zuletzt verließen aber mehr und mehr Kämpfer den IS. „Die Gründe, weshalb sie geflohen sind, sind ebenso komplex wie die, die sie ins IS-Gebiet gezogen haben“, sagte Peter Neumann, Direktor des Internationalen Zentrums zur Erforschung von Radikalisierung (ICSR) am King’s College in London gegenüber der AFP. Sie hätten Angst vor den Luftangriffen, seien enttäuscht, weil sie etwas anderes erwartet hätten, beklagten Korruption in der IS-Führung und Angriffe auf andere Muslime - oder sie seien schlicht gelangweilt vom Dschihad.

Frankreichs nationaler Geheimdienstkoordinator Didier Le Bret erzählt von etlichen Kontaktaufnahmen kriegsmüder Kämpfer. „Sie spüren, dass die Endphase begonnen hat.“ Viele fragten, wie sie zurückkehren könnten. Um die Ausdehnung des „Kalifats“ gehe es längst nicht mehr. „Wir wissen auch, dass einige bei dem Versuch zu fliehen getötet werden“, sagt er.

Die Geheimdienste haben allerdings bei der Resozialisierung der Kämpfer das Problem, dass ein Deserteur ebenso gut mit einer „Mission“ des IS zurückkehren könnte, sagt Le Bret. Und Neumann vom ICSR gibt zu bedenken, dass es sich bei den Rückkehrern nicht um glühende Anhänger der westlichen Demokratie handelt. „Einige haben schwere Verbrechen begangen.“

IS weicht aus

Mit Unterstützung westlicher Luftangriffe verliert der IS sukzessive Territorium in Syrien und dem Irak. Zuletzt geriet die Miliz auch in der Ausweichregion Libyen in Bedrängnis. Im Irak führt die Armee derzeit eine Offensive, um IS-Kämpfer aus Falludscha 50 Kilometer westlich von Bagdad zu vertreiben. Nach wie vor sind aber Tausende Zivilisten in der Stadt.

Falludscha war Anfang 2014 in die Hand sunnitischer Regierungsgegner gefallen, bevor die IS-Miliz die Kontrolle über die Stadt übernahm. Falludscha ist neben Mossul die letzte irakische Großstadt, die noch in IS-Hand ist. Zuvor hatte der IS schon die Provinzhauptstadt Ramadi verloren. Die Militäroffensive auf Falludscha ist aber umstritten, weil an der Offensive auch starke schiitische Milizverbände beteiligt sind. In Falludscha und der dazugehörigen Provinz al-Anbar leben jedoch vor allem Sunniten.

Angriffe auf IS-Hochburg al-Rakka

Auch in Syrien muss der IS Verluste hinnehmen. Erstmals seit fast zwei Jahren war die syrische Armee Anfang Juni in die Provinz al-Rakka vorgestoßen - mit Unterstützung durch russische Luftangriffe und durch von Russland ausgebildete Milizen. Al-Rakka ist die syrische Hochburg der Terrormiliz. Diese Region wollen auch die von der internationalen Anti-IS-Koalition unterstützten kurdisch-arabischen Einheiten erobern. Deren Offensive hatte Ende Mai begonnen.

„Anfang vom Ende“

Zuversichtlich gab sich bereits der französische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian: Der IS werde militärisch „unterliegen“. Die Terrormiliz sei bereits „ganz deutlich auf dem Rückzug“. Wenn der IS seine Hochburg Mossul im Irak einbüße, werde das „der Anfang vom Ende“ des IS sein.

Weniger optimistisch gab sich zuletzt der Chef der britischen Streitkräfte, Nicholas Houghton: „Die Gefahr ist die Militarisierung eines ideologischen Problems.“ Das grundsätzliche Schlachtfeld liege in der virtuellen Welt. Regierungen seien abgelenkt, weil sie sich mit den Symptomen der Ideologie beschäftigten, etwa mit Flüchtlingsströmen und Terroranschlägen. Politiker kümmerten sich nicht mit genügend Nachdruck um politische Stabilität in Ländern wie dem Irak, Syrien und Libyen.

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