„Momentan hätte man etwas zu tun“
In knapp zwei Wochen findet die Stichwahl um die Hofburg statt - dass nach dem plötzlichen Totalrückzug von SPÖ-Kanzler Werner Faymann auch eine vorgezogene Nationalratswahl bevorstehen könnte, davon geht SPÖ-Interimsparteichef Michael Häupl jedenfalls nicht aus.
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Im Ö1-Morgenjournal-Interview antwortete Häupl auf die Frage, ob er nun mit vorgezogenen Neuwahlen rechne, kurz und klar mit Nein. Tatsächlich ergäbe es, da sind sich alle Beobachter einig, weder für die SPÖ noch für die ÖVP Sinn, eine Wahl vom Zaun zu brechen, angesichts von Umfragen, die die FPÖ deutlich an erster Stelle sehen. Häupl räumte auch ein, dass die SPÖ für ein solches Szenario derzeit nicht wirklich gerüstet ist. „Momentan hätte man schon etwas zu tun“, so Häupl mit Blick auf die offene Führungsfrage. Vorbereitet müsse man jedenfalls sein - mehr dazu in oe1.ORF.at und wien.ORF.at.

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Häupl führt die SPÖ bis auf Weiteres
Der mächtige Wiener SPÖ-Landeshauptmann machte auch klar, dass er selbst keinerlei Lust habe, in die Bundespolitik zu wechseln. Auch den Parteivorsitz will Häupl offenbar möglichst rasch wieder abgeben. Für Faymann fand Häupl lobende Worte - der Ex-Kanzler hatte ja im Schatten Häupls seine Karriere in Wien als Wohnbaustadtrat begonnen, und es war Häupl, der Faymann auch als Nachfolger von Alfred Gusenbauer ins Rennen geschickt hatte.
Diskussion: Wie soll es weitergehen in der SPÖ?
Julia Herr von der Sozialistischen Jugend Österreichs und Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ) kommentieren den Abgang von Bundeskanzler Faymann.
SPÖ wartet auf Pfingsten
Der SPÖ-Vorstand hatte Montagnachmittag den Zeitplan für die Nachfolge Faymanns geregelt. So soll bis nach Pfingsten feststehen, wer die Sozialdemokraten künftig leiten wird. Das sei schnell genug, so Häupl. Er müsste ja ein „Super-Wunderwuzzi“ sein, wenn er jetzt schon wisse, wer der neue Parteichef werde. Die offizielle Wahl des Parteichefs ist für einen Parteitag am 25. Juni in Wien geplant. Diese Ankündigungen machte Häupl, der einstimmig gebeten wurde, geschäftsführend den Vorsitz zu übernehmen, nach der nicht einmal zweistündigen Vorstandssitzung. Es ist Häupls erster Einsatz in der Bundespartei - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.
Zu Faymanns Rücktritt sagte Häupl, einer der stellvertretenden SPÖ-Vorsitzenden, er glaube, dass auch viele persönliche Argumente dahinter gestanden seien. „Das ist zu respektieren.“ Ob tatsächlich fehlender Rückhalt Auslöser für Faymanns Rücktritt gewesen war, wollte Häupl nicht beurteilen. Er persönlich habe sich „den heutigen Tag nicht gewünscht“, so Häupl. Er wollte lieber eine inhaltliche Diskussion führen. Er sei Faymann für „seine fast acht Jahre als Bundesparteivorsitzender und Bundeskanzler“ sehr dankbar.
Strategiegruppe soll über Inhalte beraten
Eingesetzt wurde vom Vorstand auch eine Strategiegruppe, die sich den inhaltlichen Weichen in der Partei widmen soll. Zudem sollen Kriterien für potenzielle künftige Koalitionspartner festgelegt werden. Diese inhaltliche Neuausrichtung soll dann bei einem weiteren Parteitag im Herbst abgeschlossen werden. Schon am Freitag soll es neuerlich ein Treffen der Landesparteivorsitzenden geben.
SPÖ-Parteivorstand stellt Weichen neu
Nächsten Dienstag soll über den neuen SPÖ-Parteichef entschieden werden, am 25. Juni gibt es einen vorgezogenen SPÖ-Parteitag. Vorläufig übernimmt Wiens Bürgermeister Michael Häupl den SPÖ-Vorsitz.
Zum Parteiprogramm soll es laut Häupl zudem eine Mitgliederbefragung geben. Ausschließen könne er, dass dabei gefragt werde, ob Koalitionen mit der FPÖ eingegangen werden oder nicht. Gefragt nach einem Nachfolger für Faymann sagte der Wiener SPÖ-Chef bloß, derzeit stünden nur Männer in der engeren Auswahl. „Sie werden sich noch eine Woche gedulden müssen.“ Es soll beim Parteivorstand nächsten Dienstag auch ein Kandidat von außen vorgeschlagen werden. Der SPÖ-Chef soll dann auch wieder Kanzler sein.
Zuletzt zeichnete sich eine Präferenz für ÖBB-Chef Christian Kern ab, unter anderen von Kärntens Landeschef Peter Kaiser. Auch Walter Steidl aus Salzburg und Michael Ritsch sprachen sich für Kern aus. Beide hatten sich schon im Vorfeld als Kritiker Faymanns positioniert.
Strategische Fragen offen
Ungelöst bleibt vorerst die Frage der Positionierung der SPÖ gegenüber der FPÖ. Darum ging es auch beim Treffen der Sozialdemokratischen Gewerkschafter (FSG), das schon am frühen Montagvormittag begonnen hatte. Selbst durch die Gewerkschaft geht der Riss, ob sich die SPÖ gegenüber einer möglichen Koalition mit der FPÖ öffnen solle.

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Faymann wünschte seinem Nachfolger alles Gute
Nach der Nachricht von Faymanns Rücktritt zeigten sich die Gewerkschafter schockiert. Einige verließen vorzeitig die Sitzung. FSG-Chef Wolfgang Katzian und ÖGB-Präsident Erich Foglar sagten nach der Sitzung, Faymanns Entscheidung zum Rücktritt sei zu respektieren. Zur Position gegenüber der FPÖ verwiesen beide auf den anstehenden Strategieprozess. Der Vorsitzende der Bau-Holz-Gewerkschaft, Josef Muchitsch, sagte: „Ich war vorher nicht zufrieden, ich bin jetzt nicht zufrieden.“ Faymanns Rücktritt sei eine „schwere Entscheidung“ gewesen.

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Mit fast acht Jahren Amtszeit gehört Faymann zu den längstdienenden Kanzlern der Zweiten Republik
Die Sozialistische Jugend (SJ) forderte bereits einen Neustart. Die SPÖ müsse mit einer personellen Neuaufstellung zur „demokratischen Mitmachpartei mit klaren Inhalten gemacht werden“, so die kritische Parteijugend am Montag in einer Aussendung. Ähnlich äußerte sich der Verbands Sozialistischer Student_innen (VSStÖ). SJ-Vorsitzende Julia Herr warnte vor einer Zusammenarbeit mit der FPÖ. Herr will Faymanns Nachfolger in einer Urwahl unter allen SPÖ-Mitgliedern bestimmen.
NEOS: „Machtkartelle beenden“
In einer ersten Reaktion dankte Bures dem zurückgetretenen Kanzler für sein Krisenmanagement. Seine Amtszeit sei „von großen internationalen Krisen überschattet“ gewesen, sagte Bures mit Blick auf die Wirtschaftskrise und die Flüchtlingsbewegung. Diese Herausforderungen habe Faymann „ohne Sozialabbau und ohne Sparpakete bewältigt“.
NEOS-Chef Matthias Strolz sieht die Entwicklung als Möglichkeit, „Österreich zu verändern und das Machtkartell von SPÖVP zu beenden“. Der SPÖ-Europaabgeordnete Hannes Swoboda glaubt mit Faymanns Rücktritt an eine Chance für einen Neustart. Von einem „schönen Tag für Österreich“ sprach hingegen FPÖ-EU-Delegationsleiter Harald Vilimsky. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sieht mit Faymanns Rücktritt die „grundsätzlichen Probleme der SPÖ nicht gelöst“. Die Bundessprecherin der Grünen, Eva Glawischnig, sieht den Wechsel als „letzte Chance“ für Regierung.
Regierungsumbildung möglich
Eigentlich ist die nächste Nationalratswahl erst für 2018 geplant. Sollte es aufgrund von Faymanns Rücktritt zu einer vorgezogenen Wahl kommen, ginge das frühestens Anfang September. Faymanns Rücktritt könnte auch zu einer größeren Regierungsumbildung führen. Infrastrukturminister Gerald Klug und Staatssekretärin Sonja Steßl sagten, es sei gute Tradition, dass ein neuer Kanzler sein Team aussuche. Sozialminister Alois Stöger meinte zur Frage, ob er denn in seinem Amt bleibe, bloß: „Alles kein Thema jetzt.“
Faymann selbst will laut einem Interview mit der Tageszeitung „Österreich“ aus der österreichischen Politik völlig ausscheiden. Er wolle auf keinen Fall „ein Balkon-Muppet werden, das ständig dazwischengscheiterlt“. Faymann überlegt, „etwas im Rahmen der EU“ zu machen. Vorerst wolle er sich „mal zwei, drei Monate von all dem Stress erholen und gar nichts machen. Nachdenken.“ Kanzleramtsminister Josef Ostermayer habe ihm versprochen, in der Regierung zu bleiben.
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