Grundsatzrede in Hannover
US-Präsident Barack Obama hat die Europäer zu Zusammenhalt und Toleranz aufgerufen. Die USA und die gesamte Welt brauchten „ein starkes, wohlhabendes und geeintes Europa“, sagte er am Montag in einer Grundsatzrede im deutschen Hannover. Zuvor hatte er mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die dortige Messe besucht.
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Obama hält sich zum fünften Mal als US-Präsident in Deutschland auf, voraussichtlich auch zum letzten Mal. Im November wird in den USA ein neuer Präsident gewählt, im Jänner scheidet Obama aus dem Amt.

APA/AP/Carolyn Kaster
Obama und Merkel probieren auf der Messe 3-D auf dem Handy aus
„Wir wollen ein ganzheitliches Europa, ein freies Europa und ein Europa, das in Frieden lebt.“ Ein integriertes Europa bleibe entscheidend für die Weltordnung. „Mit mehr als 500 Millionen Menschen mit 24 Sprachen mindestens ist Europa eine der größten politischen Leistungen der Neuzeit“, sagte Obama.
Obama gegen „Brexit“
Für den Erfolg sei es entscheidend gewesen, dass sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs „Giganten wie Konrad Adenauer“ in Europa ans Werk gemacht hätten, um „aus Gegnern Verbündete zu machen“. Ein starkes Europa trage dazu bei, die Normen und Regeln beizubehalten, damit der Wohlstand gefördert werden könne, auf der ganzen Welt.
Präsident Barack Obama auf Deutschland-Besuch
Obama nützt seinen Deutschland-Besuch auch als Werbetour für das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP.
Obama hatte sich bereits bei seinem Besuch in London gegen eine Abspaltung Großbritanniens von der EU („Brexit“) gestellt. Am 23. Juni sollen die Briten bei einer Volksabstimmung darüber entscheiden. Die Briten, ihre Regierung, das Parlament und die Parteien sind in der Frage gespalten.
Für Reform des Wirtschaftssystems
Obama sprach sich für eine Reform der Steuerpolitik aus. „Wir brauchen eine faire Steuersatzpolitik, für Familien, für Menschen mit Kindern, für Geringverdiener“, sagte er weiter. Ziel der Steuerpolitik müsse mehr Gerechtigkeit für alle Menschen sein. Dazu gehöre auch Gerechtigkeit und Gleichheit bei der Bezahlung von Frauen. Um die Wirtschaftssysteme zu reformieren, sei eine enge Zusammenarbeit der verschiedenen Staaten notwendig, sagte Obama. „Wir müssen auch dafür sorgen, dass alle ihren Anteil leisten. Wir müssen dafür sorgen, dass alle Steuern zahlen.“
Die Gesellschaften müssten sich über die Ungleichheiten Gedanken machen. „Wir können uns nicht abwenden von dem, was passiert“, sagte Obama. Darüber hinaus müssten Europa und die USA verhindern, dass sich eine Wirtschaftskrise wie 2009 wiederhole. „Das kann kein Land alleine.“
Terrorismus und Sicherheit
Im Kampf gegen Terrorismus sind Sicherheit und die Achtung der Privatsphäre der Bevölkerung aus Obamas Sicht kein Widerspruch. „Viele sind skeptisch, wenn Regierungen Daten austauschen“, so Obama weiter. Er fügte aber hinzu: „Die Bedrohung durch den Terrorismus ist eine Realität.“ Und: „Wir können beides schützen“ - Sicherheit und Privatsphäre. So habe er in den USA Überwachungsprogramme angepasst, um die Privatsphäre zu achten. Zuletzt hatte für Schlagzeilen gesorgt, dass sich der Internetkonzern Apple geweigert hatte, für Ermittlungen der US-Bundespolizei FBI wichtige Sicherheitsfunktionen beim iPhone auszuhebeln.
„Europa und die NATO können mehr tun“
Obama forderte Europa und die NATO auf, sich stärker in den von Bürgerkriegen erschütterten Staaten Syrien und Irak zu engagieren und mehr gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu unternehmen. „Europa und die NATO können noch mehr tun“, sagte Obama. In Syrien und im Irak müssten mehr Nationen zum Kampf, zur Ausbildung und zum Aufbau beitragen.
Es brauche „mehr wirtschaftliche Hilfe für den Irak, damit der Extremismus bekämpft werden kann“. Terroristen wollten Städte und Menschen in Europa und den USA treffen. Der Westen müsse seine Lebensweise verteidigen gegen Hass. Es müssten Lücken geschlossen werden, damit Terroranschläge wie in Brüssel und Paris nicht passierten. Die USA verfügten über mächtige Streitkräfte - die besten, die die Welt je gesehen habe. Die Probleme könne aber niemand alleine lösen. Den IS nannte Obama die größte Bedrohung. Er rief auch zu mehr Offenheit bei der Aufnahme von Flüchtlingen auf.
Weitere US-Soldaten nach Syrien
Der Präsident kündigte an, bis zu 250 zusätzliche Soldaten nach Syrien zu schicken. Sie sollen örtliche Kräfte im Kampf gegen den IS unterstützen, hatte zuvor der stellvertretende US-Sicherheitsberater Ben Rhodes mitgeteilt. Die kleinen Teams seien sehr effektiv darin, moderate Rebellen zu unterstützen. „Natürlich sind Spezialkräfte immer Kampftruppen. Sie können in Kämpfe verwickelt werden, haben aber keinen Kampfauftrag“, sagte Rhodes. Bisher waren rund 50 Angehörige von US-Spezialeinheiten am Boden in Syrien aktiv. Obama sagte: „Das Leiden des syrischen Volkes muss ein Ende haben.“
Abendessen mit Spitzenmanagern
Obama war am Sonntagmittag aus London kommend in Hannover gelandet und von Merkel im Schloss Herrenhausen mit militärischen Ehren empfangen worden. Beide sprachen dann knapp zwei Stunden miteinander. Nach der Messeeröffnung kamen die beiden zu einem Abendessen mit Spitzenmanagern zusammen. Dabei ging es unter anderem um die Rolle der Wirtschaft bei der Lösung der Flüchtlingskrise und um Überzeugungsarbeit für TTIP.
35.000 bei Anti-TTIP-Protesten
Der Widerstand gegen das Handelsabkommen ist groß. Rund um den Obama-Besuch hatte es am Wochenende in Hannover Proteste dagegen gegeben. Bei der größten Veranstaltung am Samstag waren laut Polizei etwa 35.000 Menschen auf die Straßen gegangen. Sie befürchten eine Senkung von Standards und kritisieren mangelnde Transparenz bei den Verhandlungen.
Obama und Merkel warben eindringlich für das Abkommen. Er setze darauf, dass bis zum Ende seiner Amtszeit zumindest die Inhalte so weit vereinbart seien, dass die Parlamente sich damit befassen könnten, sagte Obama. In diesem Jahr werde es aber keinen endgültigen Beschluss darüber mehr geben. Auch Merkel sprach sich für einen schnellen Abschluss aus. Ein Freihandelsabkommen sei aus europäischer Perspektive „absolut hilfreich“, um die Wirtschaft in Europa besser wachsen zu lassen.
Kritiker sehen zahlreiche Gefahren
Umweltschutz-, Verbraucherschutz- und Entwicklungshilfe-Organisationen sehen durch TTIP ökologische und soziale Standards in Gefahr. Merkel wandte sich am Samstag aber gegen den Eindruck vieler Kritiker, „wir würden hier irgendwas verschweigen oder wir würden irgendwelche Normen zur Disposition stellen“.
Sie halte das Freihandelsabkommen für eine große Chance, auch Standards weltweit zu definieren, sagte Merkel weiter. Wenn zwei große Märkte wie der europäische und der amerikanische sich auf bestimmte Standards einigten, dann werde es für andere Teile der Welt „sehr, sehr schwer werden, dauerhaft dahinter zurückzubleiben“.
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