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Zwischen Libyen und Italien

Bei einer der schlimmsten Flüchtlingstragödien der vergangenen Jahre sind im Mittelmeer möglicherweise bis zu 500 Menschen ertrunken. Das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR bestätigte am Mittwoch unter Berufung auf Augenzeugen seit Tagen kursierende Berichte, wonach zwischen Libyen und Italien ein Schiff mit Hunderten Menschen untergegangen sei.

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Die Organisation hatte in der griechischen Stadt Kalamata mit 41 Überlebenden gesprochen. Das Unglück soll sich in der vergangenen Woche ereignet haben. Bereits am Montag waren Berichte über die erneute Katastrophe aufgetaucht und vom italienischen Präsidenten Sergio Mattarella, dem Außenminister Paolo Gentiloni sowie dem somalischen Regierungssprecher Abdisalan Aato ohne Details bestätigt worden.

Gespräch mit Überlebenden

Allerdings hatten zunächst weder die Küstenwachen Italiens und Griechenlands noch Hilfsorganisationen den Schiffbruch bestätigen können. Am Dienstag gelang es nun UNHCR-Mitarbeitern, in Kalamata mit Überlebenden zu sprechen und Informationen zu sammeln. Den Berichten zufolge könnte es sich „um eine der schlimmsten Flüchtlingstragödien der letzten zwölf Monate handeln“, hieß es in einer Mitteilung.

Die Überlebenden, die auf einem anderen Boot unterwegs waren, waren den Erzählungen nach in der vergangenen Woche vom libyschen Tobruk aus auf einem etwa 30 Meter langen Holzboot in Richtung Italien aufgebrochen. Insgesamt sollen 100 bis 200 Menschen an Bord gewesen sein. „Nach einiger Zeit auf See sollten sie auf ein größeres Schiff umsteigen, auf dem bereits andere Menschen waren“, sagte UNHCR-Sprecherin Barabara Molinario der dpa. „Das andere Boot war jedoch völlig überfüllt und ist während des Umsteigens gekentert.“

Noch viele Unklarheiten

Dabei seien nach Aussage der Interviewten bis zu 500 Menschen ertrunken. Die 41 Menschen - 37 Männer, drei Frauen und ein dreijähriges Kind aus Somalia, Äthiopien, Ägypten und dem Sudan - überlebten nur, weil sie noch nicht auf das andere Boot umgestiegen waren oder zu dem kleineren Boot zurückschwammen. Anschließend trieben sie laut UNHCR-Angaben mehrere Tage auf See, bevor ein Handelsschiff sie rettete und am Samstag nach Griechenland brachte.

Wo das größere Schiff gestartet war, woher die Opfer stammten und wo genau sich das Unglück ereignet hatte, blieb zunächst unklar. Bei gutem Wetter wagen derzeit viele Flüchtlinge die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer von Nordafrika nach Italien. Immer wieder kommt es dabei zu Katastrophen, wenn voll besetzte Schiffe auf hoher See kentern und die Menschen an Bord ertrinken.

Großes Unglück vor fast genau einem Jahr

Vor fast genau einem Jahr kamen bei dem bisher wohl schlimmsten Unglück im Mittelmeer bis zu 800 Menschen ums Leben. Nach Angaben eines Überlebenden sollen sogar bis zu 950 Menschen an Bord gewesen sein. Mehr als 140 Leichen wurden bisher geborgen, 28 Menschen überlebten das Unglück. Derzeit versuchen Spezialkräfte, das Wrack, das in fast 400 Metern Tiefe liegt, zu heben. Es soll nach Augusta auf Sizilien gebracht werden, um dort die im Inneren des Schiffes eingepferchten Leichen zu bergen. Das soll vermutlich noch vor Monatsende geschehen.

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