Chaos bei Convention möglich
Im Normalfall sind die Parteitage, bei denen Republikaner und Demokraten ihre Präsidentschaftskandidaten küren, schon so etwas wie der Wahlkampfauftakt: Die Kür ist reine Formsache, die Partei stimmt sich mit viel Pomp auf die Wahl ein. Doch bei den Republikanern gibt es heuer keinen Normalfall. Das Parteiestablishment will versuchen, einen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump zu verhindern - offenbar um jeden Preis.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Schon jetzt geistern martialische Vorahnungen durch die Medien, wie das Treffen von 18. bis 21. Juli in Cleveland ablaufen könnte. Von „Chaos“ ist die Rede, von einem möglichen „Blutbad“ und von „Nächten der langen Messer“. Der Plan der Trump-Gegner: zu verhindern, dass der Milliardär im ersten Wahlgang die 1.237 Delegiertenstimmen und damit die absolute Mehrheit erhält.
Kampf um Kalifornien
Denn ab dem zweiten, jedenfalls aber ab dem dritten Wahlgang sind die meisten Wahlmänner nicht mehr verpflichtet, gemäß dem Vorwahlergebnis ihres Bundesstaates zu stimmen. Damit wird auch umso wichtiger, welche konkreten Personen in den Bundesstaaten als Wahlmänner nach Cleveland entsandt werden.
Zunächst versuchen die Trump-Gegner aber zu verhindern, dass er die nötigen Stimmen bekommt. Besonderes Augenmerk legen sie auf Kalifornien, wo gleich mehr als 170 Delegierte bestimmt werden. Die Wahl findet dort erst im Juni statt, doch schon jetzt geht es im Wahlkampf heiß her. In Umfragen liegt Trump voran, der Vorsprung auf seinen Konkurrenten Ted Cruz ist aber nicht allzu groß.
Rubio will Stimmen behalten
Einen ganz andern Schritt hat Marco Rubio gemacht. Er hat zwar im Kandidatenrennen schon das Handtuch geworfen, forderte aber die Parteikollegen in den Bundesstaaten auf, seine gewonnenen Stimmen - immerhin rund 170 - auf dem Parteitag zu behalten. Normalerweise können Wahlmänner ihre Stimme frei vergeben, wenn der ihnen zugeordnete Kandidat aus dem Rennen ausscheidet.

Reuters/Carlo Allegri
Rubio spinnt im Hintergrund noch Ideen
Offiziell hat Rubio seine Kampagne auch nur ausgesetzt und nicht beendet - offenbar rechnet sich auch er noch Chancen aus. John Kasich, der einzige verbliebene Kandidat des Parteiestablishments und derzeit abgeschlagener Dritter, bleibt überhaupt nur im Rennen, weil er sich eine kleine Möglichkeit ab dem zweiten Parteitagswahlgang erhofft.
Parteitag selten so gespalten
Gelingt es Trump nicht, die 1.237 Delegierten zu gewinnen, wird es wohl hektisch - und unübersichtlich. In der Geschichte muss man sehr weit zurückblicken, um Beispiele zu finden. Die letzte „brokered convention“ fand bei den Demokraten 1952 und den Republikanern 1948 statt. 1924 brauchten die Demokraten ganze 103 Wahlgänge, um ihren Kandidaten zu küren. Die letzte Kampfabstimmung gab es 1976, damals gewann der amtierende Präsident Gerald Ford die Nominierung knapp gegen Herausforderer Ronald Reagan.
Regeln können umgeschrieben werden
Kompliziert macht es vor allem das Regelwerk. Teils ist das Abstimmungsverhalten bundesstaatlich geregelt, sogar nationale Gesetze gibt es, die vorschreiben, wie die Delegierten abzustimmen haben. Ansonsten gibt es Parteiregeln für die Convention. Nur: Diese können vor und teilweise auch während des republikanischen Parteitags verändert werden.
Das Regelkomitee, das aus je einem Mann und einer Frau aus den Reihen der Delegierten aller Bundesstaaten besteht, kann jede beliebige Regel einführen. Diese müssen dann von einer Mehrheit der Delegierten ratifiziert werden. US-Medien zufolge bringen sich die Wahlkampfteams der Bewerber bereits in Stellung, um die Zusammensetzung des Regelkomitees zu beeinflussen.
Doch noch Chancen für Ausgeschiedene
Derzeit wird etwa über Regel 40 diskutiert. Sie besagt, dass jeder Kandidat eine Mehrheit der Delegierten in mindestens acht Bundesstaaten vorweisen können muss. Damit könnte ausgerechnet Kasich als Hoffnungsträger des Establishments von der Abstimmung ausgeschlossen werden. Allerdings wird damit gerechnet, dass diese Regel noch aufgehoben wird - ansonsten wäre neben Trump nur Cruz ein möglicher Kandidat. Viele gemäßigten Republikaner sehen in dem ultrakonservativen Cruz ein noch größeres Problem als in Trump.

Reuters/Joshua Roberts
Kasichs Geste kann als Einschätzung seiner Chancen gesehen werden
Als wahrscheinlich gilt aber, dass im Fall des Falles die Regeln so geändert werden, dass die Kandidatenliste sogar ganz geöffnet wird. Damit wären bereits ausgeschiedene Kandidaten wie eben Rubio wieder im Spiel. Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob die Partei das schafft, was sie in den vergangene Monaten nicht geschafft hat: sich auf eine Person zu einigen.
Spekulationen über „weißen Ritter“
Insofern geistert auch das Szenario durch die Medien, dass ein Kompromisskandidat aus dem Hut gezaubert wird, der nicht einmal in den Vorwahlen vertreten war. Als ein solcher „weißer Ritter“, ist etwa Mitt Romney im Gespräch und auch sein Vizepräsidentschaftskandidat von 2012, der nunmehrige Sprecher des Repräsentantenhauses, Paul Ryan.

Reuters/Gary Cameron
Paul Ryan: Gar nicht im Rennen und trotzdem ein Kandidat?
All diese Spekulationen deuten darauf hin, dass der Parteitag tatsächlich ins Chaos abgleiten könnte. Wenn gleichzeitig über Personen und das Regelwerk gestritten wird, wird die Lage völlig unübersichtlich. Das dann zu erwartende Hauen und Stechen, die Intrigen und Verschwörungen könnten die Machtkämpfe und Finten, wie sie in der US-Politserie „House of Cards“ zu sehen sind, als Kindergartengeplänkel erscheinen lassen.
Partei kann nur verlieren
Alle Experten sind sich einig, dass das die Republikaner vor eine Zerreißprobe stellen würde. Schon jetzt gibt es Spekulationen über eine Parteispaltung, die Kür Trumps könnte da ein Beschleuniger sein. Wird Trump gestürzt, ist wohl ein viel lauterer Knall zu erwarten. Der Milliardär würde wohl zunächst einmal das tun, was er immer tut, meinen Experten: irgendjemanden klagen.
Dann würde er wohl als parteiunabhängiger Kandidat trotzdem zur Präsidentschaftswahl antreten - und wäre genauso wie der offizielle Kandidat der Republikaner chancenlos. Eine Spaltung der Partei in mindestens zwei Lager wäre auch in diesem Szenario absehbar. Dass etliche hochrangige Republikaner diese Entwicklung sehenden Auges riskieren, sagt wohl alles über den Zustand der Partei aus.
Links: