Gemischte Reaktionen auf Urteil
Die Regierung Serbiens kommt am Freitag zu einer Sondersitzung zusammen. Einziges Thema sei das Urteil des UNO-Kriegsverbrechertribunals zu Ex-Präsident Radovan Karadzic, berichtete der TV-Sender B92 am Donnerstag in Belgrad. Zuvor werde Regierungschef Aleksandar Vucic mit dem Patriarchen der Serbisch-Orthodoxen Kirche, Irinej, zusammenkommen.
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Vucic warnte am Donnerstag davor, das Urteil gegen Karadzic für politische und sonstige Angriffe auf die Republik Srpska zu nutzen. Serbien könne das nicht zulassen, sagte Vucic mit Blick auf den Friedensvertrag von Dayton. „Wir wollen niemanden gefährden, niemandem drohen“, sagte der serbischer Premier laut der bosnischen Zeitung „Oslobodjenje“. Doch Serbien werde es nicht zulassen, dass gegen Serben vorgegangen werde, nur weil sie Serben sind.
Die frühere Partei von Karadzic kritisierte das Urteil in einer ersten Reaktion. Er hoffe, dass im Berufungsprozess „das Unrecht korrigiert wird“, sagte SDS-Vorsitzender Mladen Bosic in Sarajevo. „Das Tribunal ist meistens eine politische Institution mit dem Ziel der Satanisierung der Serben, die als Hauptschuldige am vergangenen Krieg definiert werden sollen“, so Bosic. Für den sozialdemokratischen Parteichef Nermin Nisksic hingegen wird Karadzic „in die Geschichte eingehen als einer der größten Verbrecher“.
UNO begrüßt Urteil
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon begrüßte den Schuldspruch als „historischen Tag für die internationale Justiz“. Auch der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte äußerte sich positiv. „Dieses Urteil ist eine kräftige Manifestation des unerbittlichen Bekenntnisses der internationalen Gemeinschaft, Täter zur Verantwortung zu ziehen“, sagte Said Raad al-Hussein am Donnerstag in Genf.
Die Entscheidung des Gerichts sei von großer Symbolkraft - insbesondere für die Opfer der Kriege im einstigen Jugoslawien, aber auch für Opfer derartiger Verbrechen in anderen Teilen der Welt, so Hussein weiter. Das Urteil zeige den Tätern, dass sie der Gerechtigkeit nicht entgehen könnten, egal für wie mächtig oder unberührbar sie sich halten mögen.
Bosnien tief gespalten
In Bosnien löste die Verurteilung Karadzics unterschiedliche Reaktionen aus. „Es geht ihm gut, er hat uns allerdings für alle Zeiten verurteilt“, sagte Mejra Djogaz, eine Angehörige von sechs Srebrenica-Todesopfern, gegenüber dem TV-Sender N1. Im Srebrenica-Massaker hat Djogaz nicht nur ihren Mann und drei Söhne, sondern auch einen Enkel und ihren Vater verloren. Sie hätten niemanden etwas Übles angetan, so Djogaz.
Witwen mit Urteil unzufrieden
Mit Verärgerung reagierten die Witwen der Opfer des Massakers: „Er hat so viele Kinder getötet und wird vielleicht lange genug leben, um wieder freizukommen“, sagte Bida Smajlovic, deren Ehemann bei dem Massaker getötet worden war. Er war einer von drei getöteten Smajlovic-Brüdern. „Er befindet sich nicht wirklich in einem Gefängnis - bei ihm ist es warm, er bekommt sein Essen und sieht sogar gut aus“, sagte Bida. „Mein Schmerz und meine Einsamkeit dauern an - nichts wird das ändern und nichts wird mein Leid lindern.“
Bidas Schwägerin Sajma Smajlovic weinte, als sie Karadzic im Fernsehen sah. „Sobald ich ihn sehe, werde ich wütend“, sagte sie. Vor der Urteilsverkündung habe sie bewusst ein Beruhigungsmittel genommen. Vasva Smajlovic, die dritte Schwägerin, sagte, es gebe „keine angemessene Strafe“ für Karadzic. „Am besten wäre es, ihn an Ort und Stelle zu töten, sodass alle Welt zusehen kann, wie er verwest“, ergänzte sie.
Das Urteil werde nur eine „weitere Zuspitzung“ der Situation in Bosnien-Herzegowina herbeiführen, zeigte sich der bosnisch-serbische Präsident Milorad Dodik überzeugt. Unter bosnischen Serben war vor der Urteilsverkündung die Befürchtung spürbar, dass sich die Verurteilung von Karadzic auf das Schicksal ihrer Entität auswirken könnte.
„Serbische Helden“
Während des Krieges war die Republika Srpska - heute ein Bestandteil des komplizierten bosnischen Staatsgebildes - nur eine selbst proklamierte Schöpfung, die durch Terror und Gewalt an den Nicht-Serben ihr Gebiet ausweitete. Auch Srebrenica, der Schauplatz des schrecklichsten Massakers während des Bosnienkrieges, gehört seit Juli 1995 zur Republika Srpska.
In dem seit Kriegsende als Ost-Sarajevo bekannten, von Serben bewohnten Stadtviertel der bosnischen Hauptstadt waren am Donnerstag Plakate mit Abbildungen von Karadzic und dem serbischen Ultranationalisten Vojislav Seselj und der Unterschrift „Serbische Helden“ aufgetaucht. Unterzeichnet wurden sie von der Serbischen Radikalen Partei Seseljs. Für den Parteichef soll in Den Haag am kommenden Donnerstag das Urteil verkündet werden. Kurz nach Karadzics Urteilsverkündung versammelte Seselj seine Anhänger im Belgrader Stadtzentrum.
Bosnien-Beauftragte ruft zur Versöhnung auf
Der internationale Bosnien-Beauftragte Valentin Inzko rief nach dem Urteil gegen den bosnisch-serbischen Ex-Präsidenten zur Versöhnung auf. „Lasst uns daran arbeiten, dass nach diesem Urteil und in Erinnerung an die dunkelsten Zeiten Bosnien-Herzegowinas die Wahrheit, die Freiheit und die Versöhnung die Oberhand behalten“, erklärte Inzko am Donnerstag in Sarajevo.
Inzko äußerte sich in seiner Stellungnahme nicht direkt zum Schuldspruch, bekräftigte aber seine Unterstützung für das Haager UNO-Kriegsverbrechertribunal. Er kritisierte diejenigen, „die Kriegsverbrecher glorifizieren, das Böse relativieren, die sich von den grundlegendsten menschlichen Werten ausgenommen und damit aus der zivilisierten Welt ausgeschlossen haben“. Diese Personen müssten die Konsequenzen ihres Tuns tragen, nämlich „die Isolation vom Rest der zivilisierten Welt“.
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