Kernkraft für erhöhten Strombedarf
Bis 2020 will Ägypten 20 Prozent seines Strombedarfs mit erneuerbarer Energie decken. Die Tatsache, dass Mitte November ein Vertrag mit Russland abgeschlossen wurde, der den Bau eines Kernkraftwerks mit vier 1.200-Megawatt-Reaktoren vorsieht, lässt die Wahrscheinlichkeit allerdings sinken, dass dieses Ziel zeitgerecht erreicht wird.
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Dennoch ist es das größte gemeinsame Projekt seit dem Nil-Staudamm von Assuan, bei dem in den 1960er Jahren die Sowjetunion geholfen hatte. Damals lieferte das damit verbundene Wasserkraftwerk die Hälfte des Strombedarfs Ägyptens, heute sind es immer noch zehn Prozent. Als Präsident Abdel Fattah al-Sisi nach der Vertragsunterzeichnung sagte, ein „langer Traum“ sei Wirklichkeit geworden, so meinte er damit nicht etwa eine stabile Regierung, sondern eben die Atomenergie.
Renaissance der Atomenergie
Diese befindet sich seit gut zwei Jahrzehnten im Abwind. 1996 betrug der weltweite Anteil der durch Kernkraft erzeugten Energie 17,6 Prozent. Seitdem ist er auf 10,8 Prozent gesunken. Doch während etwa Kohlekraftwerke der Reihe nach abgeschaltet werden und sich selbige finanzierende Unternehmen zurückziehen, erlebt die Atomenergie eine Renaissance. China, Russland und Indien erweitern ihr Atomprogramm. Und neben Ägypten verstärken auch andere Nahost-Staaten ihr Engagement in Sachen Kernkraft.
Der neue Atomkraft-Boom sorgt laut „Economist“ bei einigen für Nervosität, kann doch atomare Energie auch für kriegerische Zwecke eingesetzt werden. Der schiitische Iran etwa sieht sich von vorwiegend sunnitischen Nachbarn umgeben und aufgrund des Religionskonfliktes zwischen den beiden islamischen Glaubensrichtungen dadurch bedroht. Jedoch unternahm der Iran nach Abschluss des Atomdeals im Juli in Wien bereits die ersten konkreten Schritte zum Abbau seiner atomaren Kapazitäten.
Kernkraft statt fossiler Brennstoffe
Denn um die Furcht zu zerstreuen, er strebe den Bau von Atomwaffen an, verpflichtete sich der Iran dazu, 14.000 seiner 19.000 für die Urananreicherung gedachten Zentrifugen stillzulegen. Nach Erkenntnissen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) wurden bisher 4.500 abgebaut, bereits angereicherter Uran wurde nach Russland abtransportiert.
Die Gefahr eines atomaren Wettrüstens in der Region scheint also gebannt. Geblieben ist ein stetig steigender Bedarf an Strom, gepaart mit dem Bedürfnis, den jeweiligen CO2-Ausstoß zu reduzieren. Über kurz oder lang wird man ohnehin auf fossile Brennstoffe verzichten müssen.
Sicherheitsbedenken und zu wenig Wasser
Ägypten und Jordanien kommen allerdings gar nicht in die Verlegenheit, sich darüber Gedanken zu machen. Die Öl- und Gasvorkommen der beiden Länder sind gering. Um sich eine eigene Stromversorgung zu sichern und dabei gleichzeitig so wenig CO2 wie möglich zu produzieren, setzen sie auf Atomkraft.
Während in beiden Staaten die Finanzierung der Errichtung der Kraftwerke wackelig ist, stehen Ägypten und Jordanien vor unterschiedlichen Schwierigkeiten. In Ägypten sind es Sicherheitsbedenken aufgrund der unruhigen politischen Lage sowie die Unklarheit, wer letztendlich die Verantwortung für die avisierten Atommeiler tragen wird. Jordanien wiederum sieht sich mit anderen Problemen konfrontiert: Ein für zwei Reaktoren angedachter Standort verfügt über zu wenig Wasser, das aber für die Kühlung der Brennstäbe unerlässlich ist. Dazu kommt, dass dort ansässige Stammesangehörige Anstoß an der Anlage nehmen.
16 Kernkraftwerke in Saudi-Arabien bis 2030
In Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten sieht die Sachlage ganz anders aus. Dort herrscht keineswegs Mangel an Erdöl und -gas. Vielmehr will man die Vorkommen nicht mehr zur Energiegewinnung nutzen, sondern gewinnbringend verkaufen. Der Plan geht aber nicht zur Gänze auf - auch wenn Saudi-Arabien den „Arab News“ zufolge schon vor zwei Jahren ankündigte, 16 Kernkraftwerke bis 2030 fertigzustellen.
Die Vereinigten Emirate wollen mit koreanischer Unterstützung bereits ab 2017 selbst hergestellten Atomstrom beziehen. Die Crux ist allerdings, dass der Löwenanteil der Anlagen, die ersetzt werden sollen, Gaskraftwerke sind. Diese kosten die jeweiligen Staaten im Unterhalt weniger Geld und liefern darüber hinaus billigeren Strom.
Ein Atomkraftwerk am neuesten Stand der Technik ist Prestigeobjekt und Statussymbol, und en passant kann man sich unter der Hand die Grundlagen zum Bau einer Atombombe aneignen. Würde etwa der Iran seine baufälligen Leitungen sanieren, würde er mehr Elektrizität sparen als sein einziges Kernkraftwerk produziert. Gemeinsam mit Russland will man aber bald mit dem Bau von zwei weiteren Atomkraftwerken beginnen.
Solarenergie als Alternative
Dabei verfügen sämtliche Nahost-Staaten über eine nicht zu verachtende Energiequelle - die Sonne. Um beim Beispiel Iran zu bleiben: Würde der Staat auf Solarenergie umsatteln, könnte er 13-mal so viel Energie beziehen als er benötigt. Einzig in Marokko scheint man bis dato die sich bietende Chance erkannt und wahrgenommen zu haben und baut eine der weltweit größten Solaranlagen. Deren Errichtung kostet weniger als jener der beiden Kernkraftwerke in Jordanien.
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