Gleiche Produkte, unterschiedliche Namen
Zahnpasta von Colgate, Schüsseln von Tupperware, Reifen von Michelin. Es sind Produkte, die da und dort zwar die gleichen sind, aber unterschiedlich ausgesprochen werden. Anders als in Deutschland tendiert man in Österreich eher dazu, Wörter aus Fremdsprachen zu übernehmen und in den eigenen Wortschatz zu integrieren. Die Gründe dafür liegen in der unterschiedlichen Geschichte und Geografie der beiden Länder.
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Als vergleichsweise kleines Land grenzt Österreich an viele andere Staaten. Innerhalb Österreichs wurden in der Vergangenheit eine Vielzahl von Sprachen wie beispielsweise Tschechisch, Ungarisch oder Englisch gesprochen. Und wer Französisch sprach, bediente sich der Sprache des Hofes. Noch heute lässt sich an der Verwendung einzelner Wörtern, wie Kuvert oder Golatsche die sprachliche Vergangenheit erkennen.

APA/dpa/Stephanie Pilick
Das markante Männchen kennen alle. Die Aussprache der dazugehörenden Marke varriert schon zwischen Österreich und Deutschland.
Wer der hier üblichen Aussprache genauer zuhört, erkennt, dass es in Österreich allgemein keine großen Schwierigkeiten machen dürfte, fremdsprachige Worte zu übernehmen. Wo sich Deutsche bei der Aussprache des Reifenherstellers Michelin an die Schrift halten, wählen die Österreicher großteils die französische Aussprache. Bei Tupperware und Colgate bevorzugt man in Deutschland die deutsche, in Österreich die englische Aussprache.
Die Sprachregister in Österreich
Eine Erklärung für die sprachliche Anpassung der Österreicher findet Medienpsychologe Josef Sawetz in der Geschichte. Unterschiedliche Nationen hätten in dem Land zusammengelebt und ihre kulturellen Fußabdrücke hinterlassen. Auf diese Weise sei ein kleinteiliges Bild aus Kultur und Sprache entstanden.

Reuters/Mario Anzuoni
Nicht immer können Firmen das Publikum für englische Markennamen begeistern
„Die Österreicher haben durch ihre Geschichte und durch ihre geografische Position die höhere Bereitschaft, Dinge von außen zu integrieren: Sprache, Kulinarik oder Lebensstil“, erläutert er gegenüber ORF.at. „Deutschland hat durch die andere Geschichte, geografische Position und durch die größere Fläche eine größere Binnenstruktur, eine größere Homogenität und weniger Berührungspunkte nach draußen. Das äußert sich besonders auf dem Sektor der Aussprache von Markennamen. Das äußert sich nicht in der Übernahme und Aussprache von englischen Slogans.“
Slogans: Englisch als Tor zur Welt
Ob man englischsprachige Slogans verwende oder nicht, hänge schlicht mit der Zielgruppe zusammen. Bei den Werbeclaims, also den Slogans von Marken, wählen Werber auf dem österreichischen und dem deutschen Markt oft die englische Sprache. „Globalität wird durch Sprache verkauft“, sagt Fabian Bartsch vom Institut für Internationales Marketing an der Universität Wien. Bartsch erforscht die Sprache der Werbung.
Wenn Sprache zum Glatteis wird
Erfolgreich ist diese Idee aber nur dann, wenn die Zielgruppe die Botschaft richtig versteht. Das gilt in Österreich wie in Deutschland. Englische Slogans bergen Raum für Missverständnisse. So fand eine deutsche Studie bereits im Jahr 2003 heraus, dass einzelne Wörter sehr wohl verstanden werden. Doch beim Verständnis des Zusammenhangs gibt es mitunter große Probleme. Eindringliches Beispiel ist die Drogeriekette Douglas, die ab 1996 mit dem Slogan „Come in and find out“ geworben hatte. Die gewollte Botschaft samt Imperativ: Komm rein und such dir was aus. 66 Prozent der Befragten verstanden die Aufforderung nicht richtig, sie wurde unter anderem fälschlich als „Komm rein und finde wieder raus“ interpretiert.
Suppe? Brühe? Bouillon!
Auch wenn Marken auf dem internationalen Markt bei Zielgruppen um Aufmerksamkeit buhlen, die Werbung funktioniert auf der ganzen Welt gleich: Sie lockt Kunden an, das Produkt soll gefallen oder schmecken. Ein Beispiel: In den Küchen Österreichs und Deutschlands köchelt dasselbe heiße Wasser mit Gewürzen. Der Name für das Produkt ist aber ein anderer: Suppe in Österreich, Brühe in Deutschland.

ORF.at
Sprachbegegnung im Regal: Bouillon trifft Brühe
Der Österreicher Robert Poschacher, Produktmanager bei der Biomarke Alnatura in Deutschland, erinnert im Gespräch mit ORF.at an den Aspekt der „emotionalen Verkehrsfähigkeit“: Ein Produktname rufe in verschiedenen Ländern unterschiedliche Reaktionen und Gefühle hervor. Weil der Begriff „Brühe“ in Österreich negativ behaftet sei, fand Alnatura den gemeinsamen Nenner in der französischen Bezeichnung „Bouillon“, die nun auf die Verpackungen gedruckt wird.
Blick in die Zukunft
Dass Englisch die dominierende Sprache in der Werbung bleiben wird, sagt auch Josef Sawetz. Menschen ziehe es in Städte, die durch Globalisierung internationaler werden und durch das Internet in ständiger Verbindung stehen. Mit der Verwendung neuer Produkte entwickelt sich auch die Sprache weiter. In naher Zukunft wird die Urbanisierung in Sprache und Werbung eine noch größere Rolle spielen. „Wir haben durch die Konzentration auf städtische Ballungsräume, die Internationalisierung und die internationale Mobilität eine größere Diversität an Kulturen auf einem Raum. Das ändert sicher auch einiges in der Werbung."
Werbung und die Multikultigesellschaft
Migrationstendenzen machen die Gesellschaft vielfältiger und bunter. „Schon seit einiger Zeit treten verschiedene Kulturen, Herkünfte und Hautfarben in den Werbungen auf“, konstatiert Sawetz. Die Werbung bilde ab, „dass wir zu einer multikulturellen Gesellschaft werden“. „Durch die Flüchtlingsbewegung geht es jetzt sehr schnell, dass hier viele Einflüsse hereinkommen. Die Städte entledigen sich ihrer Bindung an eine bestimme Lokalität. Sie werden transnationale Gebilde und damit internationale Orte“, skizziert Sawetz ein Szenario.
So wie neue Produkte auf den Markt kommen, entstehen neue Wörter und Wendungen. Aber auch die Werbung hat ihre Einflüsse auf die Alltagssprache. So hat man „nix zu verschenken“ oder findet „Geiz“ schon einmal „geil“. Sprachliche Eigenheiten definierten eine Kultur, so der Schluss der Experten. Was schlussendlich im Badezimmer aus der Tube kommt, ist an Ende aber in jedem Land gleich.
Paul Fleischanderl, Julia Wötzinger, ORF-Akademie; Livia Paya Gersin, FM4
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