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Putin telefonierte mit Obama

Russland hat unmittelbar nach der überraschenden Ankündigung bereits mit dem Abzug seiner Truppen aus Syrien begonnen. Das Staatsfernsehen zeigte Bilder, auf denen Soldaten bei der Beladung von Frachtflugzeugen am Stützpunkt Hamaimim in der Provinz Latakia zu sehen sind.

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Am Mittwoch verließen weitere Kampfjets das Bürgerkriegsland. Die Flugzeuge vom Typ Su-25 und Transportmaschinen vom Typ Il-76 seien in der Früh vom Stützpunkt Hamaimim im Nordwesten Syriens gestartet, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Eine erste Gruppe von Jets war am Mittwoch zurückgeflogen. Die Piloten wurden im russischen Woronesch von einer jubelnden Menschenmenge begrüßt.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am Montag etwa fünf Monate nach dem Beginn der Luftangriffe in Syrien den Abzug des Hauptkontingents befohlen. Der Einsatz habe seine Ziele weitgehend erfüllt. „Die effektive Arbeit unseres Militärs hat die Bedingungen für den Start des Friedensprozesses geschaffen“, sagte Putin. Russische Einheiten blieben aber am Hafen von Tartus und in Hamaimim stationiert.

Noch Angriffe am Dienstag

Während erste Flugzeuge bereits in Russland gelandet sind, wurden am Dienstag noch weitere Angriffe in Syrien geflogen. So bombardierten Kampfflugzeuge Stellungen der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) nahe der antiken syrischen Stadt Palmyra.

Russland ist einer der wichtigsten Verbündeten von Syriens Präsident Baschar al-Assad. Nach Angaben des Kreml wurde der Abzug der russischen Luftwaffe im Vorfeld mit diesem abgestimmt. Er hoffe, dass die Entscheidung für alle Seiten ein Signal sei und das Vertrauen für eine friedliche Lösung des Konflikts erhöhe, betonte Putin bei einem Treffen mit Außenminister Sergej Lawrow und Verteidigungsminister Sergej Schoigu.

Luftwaffenstützpunkt bleibt

Putin und Assad hätten jedoch bei einem Telefongespräch vereinbart, dass Russland einen Luftwaffenstützpunkt in Syrien behalten werde, um bei der Überwachung der gegenwärtigen Waffenruhe zu helfen. „Der russische Stützpunkt und der Flugplatz in Hamaimim werden weiter funktionieren. Sie sollen zuverlässig geschützt werden“, so der russische Präsident.

Eine Grafik zeigt von verschiedenen Gruppierungen kontrollierte Gebiete in Syrien

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/ISW/NY Times

Die russische Luftwaffe hatte Ende September begonnen, Angriffe zur Unterstützung der syrischen Regierungstruppen zu fliegen, und unterhält in der Provinz Latakia einen eigenen Militärflughafen. Nach Angaben Moskaus richteten sich die Luftangriffe gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), die Al-Nusra-Front und andere radikale Islamistengruppen, doch warf der Westen Russland vor, auch gemäßigte Rebellen ins Visier zu nehmen. Die Angriffe erlaubten den syrischen Regierungstruppen, in den Provinzen Latakia, Idlib und Aleppo deutlich Territorium zurückzuerobern.

Syrien: Keine Differenzen

Damaskus beeilte sich zu versichern, dass der russische Teilabzug aus Syrien kein Anzeichen für Differenzen zwischen den beiden Ländern sei. Der Schritt sei koordiniert erfolgt und bereits seit einiger Zeit erwogen worden, erklärte nach Moskau auch das syrische Präsidialamt. Berichte, denen zufolge Russland den Abzug seiner Streitkräfte nach Meinungsverschiedenheiten mit Syrien angeordnet habe, seien unzutreffend.

Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif wertete den Teilabzug russischer Truppen aus Syrien als positives Zeichen. Der Rückzug deute darauf hin, dass die Waffenruhe zwischen den Truppen der syrischen Regierung und den Rebellen halten könnte, sagte Sarif bei einem Besuch in Australien dem iranischen Sender Press TV.

Obama telefonierte mit Putin

Wie das Weiße Haus Montagabend (Ortszeit) mitteilte, sprach US-Präsident Barack Obama mit Putin in einem Telefonat über den geplanten Teilabzug. Obama begrüße den Rückgang der Gewalt in Syrien seit Beginn der Waffenruhe, hieß es in der Mitteilung. Er habe jedoch auch deutlich gemacht, dass syrische Regimetruppen die Vereinbarung immer wieder unterliefen.

US-Außenminister John Kerry will in der kommenden Woche nach Moskau reisen. Das kündigte Kerry am Dienstag in Washington an. Geplant seien Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sowie Außenminister Sergej Lawrow. Die Ankündigung des russischen Teilabzugs aus Syrien sowie die politischen Gespräche in Genf markierten eine sehr wichtige Phase für das Bürgerkriegsland, sagte Kerry.

UNO: „Das ist das, was wir sehen wollen“

Putins Ankündigung stieß überwiegend auf verhaltene Reaktionen. Der derzeitige Vorsitzende des UNO-Sicherheitsrats, der angolanische UNO-Botschafter Ismael Gaspar Martins, sprach von einem „positiven Schritt“ Russlands. „Das ist das, was wir sehen wollen.“ Die syrischen Regierungsgegner erklärten, sie wollten zunächst abwarten, was die Ankündigung konkret bedeute. „Wir müssen die Art dieser Entscheidung und ihre Bedeutung überprüfen“, sagte ein Sprecher des Hohen Verhandlungskomitees (HNC), eines von Saudi-Arabien geförderten Bündnisses bewaffneter und ziviler Gegner der syrischen Regierung.

„Wenn es eine Entscheidung gibt, die Streitkräfte abzuziehen, ist es eine positive Entscheidung“, sagte der HNC-Sprecher in Genf, wo am Montag eine neue Verhandlungsrunde unter Vermittlung des UNO-Sondergesandten Staffan de Mistura begonnen hatte. Möglicherweise bedeute es aber auch nur eine Verringerung der Truppen.

„Sehen, was die Absichten sind“

Auch die US-Regierung äußerte sich zurückhaltend. „Man muss sehen, was genau die Absichten Russlands sind“, sagte Präsidentensprecher Josh Earnest. Der russische UNO-Botschafter Witali Tschurkin sagte, der Abzug der Truppen solle die Bemühungen um einen Friedensschluss unterstützen. Es gehe darum, „unsere Bemühungen zu intensivieren, um zu einer politischen Lösung in Syrien zu gelangen“, sagte Tschurkin in New York. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte, „wenn sich die Ankündigungen eines russischen Truppenabzugs materialisieren“, erhöhe das in Genf den Druck auf Assad.

Syriens Opposition forderte Russland auf, seine Soldaten vollständig abzuziehen. Alle ausländischen Truppen müssten das Land verlassen, sagte der Sprecher des Hohen Verhandlungskomitees der Regimegegner (HNC), Salim Muslit, am Dienstag in Genf. „Wir wollen Besucher und Freunde im Land, aber keine Menschen, die helfen, andere Menschen zu töten.“ Sollte Moskau den Truppenabzug umsetzen, sei das jedoch ein positiver Schritt.

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