Mundpropaganda und Schneeballsystem
Wenn am Dienstag die US-Bundesstaaten Ohio, Illinois, North Carolina, Missouri und das wichtige Florida im US-Vorwahlkampf wählen, geht es für Bernie Sanders’ Kampagne um viel. 792 Delegiertenstimmen sind bei den Demokraten zu holen. Zwar sehen Umfragen Clinton in allen Staaten außer Missouri, für das es keine aussagekräftigen Daten gibt, vorne. Doch das war auch der Fall bei Michigan - und Sanders konnte den Staat für sich entscheiden.
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Viel verdankt der linke Senator von Vermont dabei den Tausenden Freiwilligen, die aus schierer Überzeugung für den 74-Jährigen und sein idealistisches Wahlprogramm die Werbetrommel rühren. Wie der britische „Guardian“ berichtet, hat eine Handvoll Personen aus Sanders’ Wahlkampfteam in den vergangenen Monaten viel Zeit darin investiert, sich online und offline mit privaten Unterstützern in 48 Staaten zu vernetzen und deren eigene Werbeaktionen mitzukoordinieren.
„Etwas Radikales“
Sanders’ Team setzt dabei unter anderem auf Mundpropaganda und Schneeballsystem. Denn nichts sei so effektiv wie ein direktes Gespräch zwischen Volontär und Wähler, rief eine dieser Koordinatorinnen bei einer Rede Sanders’ vor 10.000 Menschen in Lansing, Michigan, zur Freiwilligenarbeit auf. Rund 3.000 Menschen meldeten sich tatsächlich. „Wir haben etwas sehr Radikales getan", so Sanders bei einer Rede in Michigan, „wir haben die Amerikaner um Hilfe gefragt. Und binnen zehn Monaten haben vier Millionen Individuen ihren Beitrag geleistet. Das ist mehr, als jemals für einen Kandidaten in unserem Land geleistet wurde.“

Grafik: ORF.at; Quelle: RealClearPolitics; Fotos: APA/AFP
Tatsächlich ist Sanders’ Kampagne auf dem besten Weg, mit dem hohen Engagement der Unterstützer Rekorde zu brechen. Während sich laut „Guardian“ Barack Obamas Team am Wochenende vor der Wahl 2012 damit brüstete, dass ein 4.000-köpfiges - bezahltes - Team im Laufe des Wahlkampfs über 125 Millionen Mal telefoniert und an Türen geklopft hatte, kann Sanders’ Kampagnenteam in nur einem Bruchteil der Zeit rund 30 Millionen Interaktionen mit potenziellen Wählern verzeichnen.
Alles online
Das Internet wird dabei zu einem der Grundpfeiler der Kampagne, die von den unter 30-Jährigen getragen wird. Weite Teil der Organisation und Überzeugungsarbeit laufen online ab. Wie das „Wall Street Journal“ berichtet, haben technikaffine Sanders-Fans ein ganzes Gerüst aus Apps und Websites auf die Beine gestellt, um Sanders’ Popularität zu messen, Spenden zu lukrieren, telefonischen und persönlichen Stimmenfang zu managen und sich miteinander zu vernetzen.
Dabei geht es auch darum, dass Volontäre auf eigene Faust und ohne Abhängigkeit von einem professionalisierten Kampagnenteam arbeiten können. Zwei von Sanders’ Anhängern stellten im Gespräch mit dem „Guardian“ sogar die These auf, dass Sanders’ schlechtes Abschneiden bei Afroamerikanern in den Südstaaten der Tatsache geschuldet sei, dass nur rund die Hälfte der Wählergruppe regelmäßig online sei. In New York, Florida und Missouri werde das Resultat dementsprechend anders ausfallen.
Halb gefüllte Säle, doppelte Besuche
In der Freiwilligenarbeit offenbaren sich auch Schwächen. Schlechte Organisation und mangelhafte Infrastruktur mache sich, so etwa die „LA Times“, in halb gefüllten Hallen und doppelten Hausbesuchen bemerkbar. Dass Sanders’ Anhängerschaft Gefahr läuft, von ihrem Enthusiasmus überholt zu werden, scheint diese nicht zu verunsichern. Der Grundtenor ist, dass man sich als Bewegung sieht.

APA/AFP/Getty Images/Charles Ledford/
Sanders schart die Jungen um sich
Unterstützung erhält Sanders - mittlerweile auch verstärkt öffentlich - von seiner Frau. Zu Beginn seiner Kampagne blieb Jane Sanders eher im Schatten und gab selten Interviews, mittlerweile hat sie vergangene Woche ihre erste Solowahlkampftour außerhalb von Vermont hinter sich gebracht. Dabei liege ihr Augenmerk laut „Washington Post“ besonders darauf, den Draht zu Familien aufrecht zu halten. Zudem entstehe kein TV-Spot ohne die Mitarbeit von Sanders’ Frau.
Unerwartete Unterstützung
Ebenfalls als Unterstützer hat sich erst kürzlich mit dem Schauspieler Danny DeVito ein Prominenter geoutet. Bei einem gemeinsamen Auftritt mit Sanders bezeichnete er diesen als Mann, „der die Wahrheit spreche“. Mit Asher Edelman hat sich in einem Interview mit dem TV-Sender CNBC außerdem ein gänzlich untypischer Anhänger auf Sanders’ Seite gestellt.

Reuters/Shannon Stapleton
Schauspieler Danny DeVito warb für Sanders
Edelmann ist Investor und war eines der Vorbilder für den Finanzbösewicht Gordon Gekko aus Oliver Stones Film „Wall Street“. Der Grund für seine Unterstützung: Sanders habe simple ökonomische Prinzipien verstanden und vertrete diese auch. So wisse er, dass ein Geldtransfer von der Basis der Gesellschaft hin zu den oberen Zehntausend den Konsum bremse. Damit reduziere sich die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes - und die Wirtschaft schrumpfe. Sanders spreche außerdem als einziger Kandidat über Konjunkturpolitik und davon, Banken weg von Spekulation und hin zum Geldverleih zu bringen. Das mache ihn für Edelman zum „besten Kandidaten für die Wirtschaft“.
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