Faymann vs. Merkel
Auch wenn der derzeitige Entwurf zur Abschlusserklärung des EU-Türkei-Gipfels zahlreiche Maßnahmen in der Flüchtlingskrise vorschlägt, etwa Nothilfe für Griechenland, die Umverteilung von Flüchtlingen und eine Rückkehr zu Schengen, ist bisher die im Entwurf vorgesehene Schließung der Balkan-Route im Mittelpunkt gestanden.
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Über die Frage der Schließung der Route ist der Machtkampf auf dem Gipfel voll entbrannt. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, unterstützt von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, wehrt sich gegen die Formulierung. „Es kann nicht sein, dass irgendetwas geschlossen wird.“ Es sei eine „nachhaltige Lösung“ gemeinsam mit der Türkei notwendig. Die Zahl der ankommenden Migranten müsse sich für alle EU-Staaten verringern - einschließlich Griechenlands.
Faymann: Nicht auf Türkei verlassen
Kanzler Werner Faymann (SPÖ) will davon nichts wissen. „Ich bin sehr dafür, mit klarer Sprache allen zu sagen: Wir werden alle Routen schließen, die Balkan-Route auch. Schlepper sollen keine Chance haben.“ Die EU müsse ihre Außengrenzen selbst schützen können und sollte sich nicht auf Vereinbarungen mit der Türkei verlassen, so Faymann.

APA/AP/Geert Vanden Wijngaert
Auf dem EU-Türkei-Gipfel wird nach einer Lösung für die Flüchtlingskrise gesucht
Die EU dürfe auch ihre Prinzipien gegenüber der Türkei bei Fragen von Visaerleichterungen und in den Beitrittsverhandlungen nicht aufgeben. Wenn die Türkei akzeptiere, dass die Flüchtlinge gar nicht erst nach Griechenland kommen sollten, sondern die Verteilung in der Türkei stattfinde, „dann wäre dies diese Ordnung, die wir immer verlangt haben“.
Mitterlehner schließt Gewalt nicht aus
Zuvor hatte Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) in diese Richtung argumentiert. Flüchtlinge an der mazedonischen Grenze könnten auch Schutz im EU-Staat Griechenland suchen. Griechenland habe pro Kopf gerechnet weit weniger Flüchtlinge im Land als etwa Österreich. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) unterstützte die Vorgangsweise ebenfalls.

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In der ATV-Sendung „Klartext“, die Montagabend ausgestrahlt wird, geht er sogar einen Schritt weiter. Zum Schutz der EU-Außengrenzen müsse notfalls auch mit Gewalt vorgegangen werden. Die EU müsse in der Flüchtlingskrise „notfalls auch das Zeichen setzen, dass eine Grenze wirklich eine Grenze ist“. Natürlich müsse „möglichst schonend vorgegangen werden, um Leib und Leben nicht zu gefährden“.
Lager in Idomeni „nicht menschenwürdig“
Auch wenn Medienberichten zufolge 300 Flüchtlinge ihre Reise aus Mazedonien nach Serbien fortsetzen konnten, ist die Balkan-Route derzeit nahezu geschlossen. Vor allem Griechenland muss sich um Tausende Flüchtlinge kümmern, die auf die Weiterreise warten.
Besonders dramatisch ist die Situation in dem überfüllten griechischen Grenzlager Idomeni. Die Unterbringung dort „ist nicht menschenwürdig“, so das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR). „Der einzige Ausweg besteht darin, die Menschen in ordentliche Aufnahmezentren zu bringen, wo sie Zugang zum Asylverfahren erhalten.“ In dem Lager halten sich derzeit mehr als 13.000 Flüchtlinge auf.
Griechenland will bis Anfang kommender Woche die zugesagten Unterkünfte für 30.000 Flüchtlinge schaffen. Die Kapazität werde mit 37.400 Plätzen sogar über den im Vorjahr mit der EU vereinbarten Zahlen liegen, so ein Regierungssprecher. Zusätzlich soll die UNO 20.000 Unterkünfte bereitstellen.
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