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„Politik des Durchwinkens beenden“

An die 14.000 Flüchtlinge warten derzeit an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien auf die Weiterreise. Ihre Situation am Grenzübergang Idomeni-Gevgelija wurde am Sonntag noch komplizierter. Griechische Behörden warfen den mazedonischen Grenzbehörden vor, die Einreiseregeln weiter verschärft zu haben, meldeten Belgrader Medien.

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Es gebe nun Einschränkungen auch für syrische und irakische Flüchtlinge, die bisher mit einer ungehinderten Reise auf der Balkan-Route rechnen konnten. Seit Sonntag können nur noch jene syrische und irakische Flüchtlinge nach Mazedonien einreisen, die aus den vom Krieg direkt erfassten Regionen stammen. Flüchtlinge aus Damaskus und Bagdad dürften nicht mehr nach Mazedonien einreisen.

Flüchtlinge in Idomeni

APA/AFP/Louisa Gouliamaki

Vor der Essensausgabe im Flüchtlingslager Idomeni

Protestnote aus Athen

Belgrader Medien berichteten am Wochenende, dass Athen eine Protestnote an Mazedonien und Serbien wegen ihres Verhaltens in der Flüchtlingskrise gerichtet habe. Darin wurden die zwei Staaten darauf aufmerksam gemacht, dass sich das auch auf die bilateralen Beziehungen auswirken könnte.

Seit 22. Februar gelten an der griechisch-mazedonischen Grenze neue Einreiseregeln. Die Zahl jener Flüchtlinge, die täglich nach Mazedonien und nach Serbien einreisen dürfen, wurde auf höchstens 580 Personen eingeschränkt. Griechische Behörden hätten Mazedonien beschuldigt, Flüchtlinge fast nicht mehr weiterreisen zu lassen. Weder Skopje noch Belgrad haben den Erhalt der Protestnote bestätigt.

EU-Gipfel wird Schließung der Balkan-Route erklären

Die Staats- und Regierungschefs der EU werden sich Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) zufolge am Montag darauf einigen, dass die Balkan-Route für Flüchtlinge geschlossen wird. Zudem werde erneut darauf gedrängt, die Politik des „Durchwinkens“ von einem Land zum nächsten zu beenden, sagte Kurz am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Anne Will“.

Staaten wie Österreich, Deutschland und Schweden könnten nicht alle Menschen aufnehmen, so der Außenminister. Zu den gut zehntausend an der mazedonischen Grenze gestrandeten Migranten sagte Kurz, die Menschen könnten Schutz auch im EU-Staat Griechenland suchen. Griechenland habe pro Kopf gerechnet weit weniger Flüchtlinge im Land als etwa Österreich und könne zudem bald mit großer EU-Unterstützung rechnen.

UNHCR: Viele Kinder krank

Der Sprecher des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) im nordgriechischen Flüchtlingslager Idomeni, Babar Baloch, bezeichnete die Zustände dort als unhaltbar. „Es ist ein Weckruf für die führenden Politiker der EU, denn das hier ist eine humanitäre Krise“, so Baloch am Sonntag.

Flüchtlinge in Idomeni

APA/AFP/Vadim Ghirda

Tausende Kinder sind in Idomeni gestrandet

Täglich träfen dort zehnmal mehr Flüchtlinge ein, als Mazedonien auf der Balkan-Route weiterreisen lasse. Mehr als die Hälfte von ihnen (55 Prozent) seien derzeit Frauen und Kinder. Das Lager war ursprünglich für 2.000 Menschen angelegt worden. Tausende campieren inzwischen unter freiem Himmel auf den Feldern vor dem Lager. „Griechenland braucht Hilfe", sagte UNHCR-Sprecher Baloch, "ansonsten werden verzweifelte Flüchtlinge noch mehr leiden müssen.“ Besonders Kinder seien betroffen. Immer mehr von ihnen müssten wegen Atemwegserkrankungen behandelt werden.

NATO zum Einsatz in Ägäis bereit

Die Staats- und Regierungschefs der EU beraten am Montag mit der Türkei in Sachen Asylkrise. Die EU setzt dabei auf Zusagen Ankaras für eine rasche Rücknahme von Flüchtlingen ohne Asylanspruch. Damit komme die EU ihrem obersten Ziel näher, den Zustrom einzudämmen, berichteten Diplomaten vor dem Sondergipfel in Brüssel. Gerade noch rechtzeitig wurden letzte Details des NATO-Einsatzes zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität in der Ägäis geklärt. Dabei ging es darum, das Seegebiet festzulegen, in dem die Schiffe operieren.

Botschafter: EU hat versagt

Der türkische Botschafter in Wien, Mehmet Gögüs, übte indes scharfe Kritik an der EU. Sie habe ihre Verpflichtung, Flüchtlinge aus der Türkei aufzunehmen, „bis jetzt nicht erfüllt“, sagte Gögüs dem „Kurier“ (Montag-Ausgabe). „Die EU hat versagt, es gibt riesiges Chaos.“ „Wir verlangen von der EU, dass sie sofort Flüchtlinge aus der Türkei in die EU umsiedelt. Das war versprochen, dazu hat sich die EU verpflichtet und sie hat es bis jetzt nicht erfüllt“, so Gögüs. Als „schwer erfüllbar“ bezeichnete der Diplomat auch die EU-Forderung, die Türkei solle ihre Grenzen im Osten öffnen und im Westen schließen. Bei 3.000 Kilometern Küste an der Ägäis sei es keine leichte Aufgabe, „den Flüchtlingsstrom zu stoppen, als ob man einen Wasserhahn zudrehen würde“.

EU kritisiert Türkei wegen Pressefreiheit

Die EU wiederum kritisierte die Türkei im Vorfeld wegen der staatlichen Übernahme der regierungskritischen türkischen Zeitung „Zaman“ und des Umgangs Ankaras mit Menschen- und Grundrechten wie der Pressefreiheit. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini verlangte, „dass die Türkei als Beitrittskandidat hohe demokratische Maßstäbe respektieren und fördern muss einschließlich der Pressefreiheit“.

Wieder Dutzende Schutzsuchende ertrunken

Einen Tag vor dem EU-Gipfel kamen unterdessen wieder Dutzende Menschen auf der Flucht ums Leben. Mindestens 18 Geflüchtete ertranken bei einem Bootsunglück in der türkischen Ägäis. Die Küstenwache habe 15 weitere Menschen vor der Küste des westtürkischen Bezirks Didim gerettet. Die Türkei ist das Haupttransitland für Syrer, die vor dem Bürgerkrieg in ihrem Land nach Europa fliehen. Bei der gefährlichen Überfahrt zu den griechischen Inseln in der Ägäis kamen im vergangenen Jahr Hunderte Menschen ums Leben.

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