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In die Hölle mit den Missetätern

Es sind gruselige Gestalten, die sich auf den Bildern von Hieronymus Bosch tummeln: Schreckliche Teufel, verstörende Fabelwesen mit menschlichen Gesichtern, Federn und vier Beinen, nackte Figuren, die morden, lachen und in der Hölle brennen. Seit 500 Jahren fasziniert das Werk von Bosch seine Betrachter.

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Im Noordbrabants Museum in s’Hertogenbosch kann man in den kommenden Monaten ganz in die fantasievolle Welt des Künstlers eintauchen. Gut 40 Gemälde und Zeichnungen von den rund 50 noch erhaltenen Werken Boschs sind seit Samstag in den sechs Räumen ausgestellt - ein kleines Wunder, wie Museumsdirektor Charles de Mooij gegenüber ORF.at erzählt.

„Wir sind ein kleines Museum, international betrachtet, wir haben keine Werke, die wir als Gegenleihgaben anbieten könnten“, so De Mooij. Und immerhin sind es Häuser wie der Prado in Madrid, der Louvre in Paris und das Kunsthistorische Museum in Wien, in denen die Bilder normalerweise beheimatet sind. Nur wenige Werke, wie etwa das „Weltgerichtstriptychon“ sind - obwohl gut erhalten - für den Transport zu fragil, wie es von Seiten der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien heißt, wo das Gemälde zu sehen ist.

Ein verlockender Köder

Schon 2007 habe man die Idee geboren, zum 500-Jahr-Jubiläum die Werke quasi nach Hause zu holen - und sich überlegt, womit man die Leihgeber ködern könne. Bosch Research and Conservation Project lautete die Antwort: Ein Forschungsprojekt sollte gegründet werden, das eine umfassende wissenschaftliche Untersuchung des Gesamtwerks durch ein Expertenteam an Ort und Stelle in den insgesamt 25 Sammlungen in zehn verschiedenen Ländern vorsah und so den Anreiz zur Leihgabe bilden sollte.

Museumsbesucher betrachten ein Gemälde von Hieronymus Bosch

APA/AFP/Emmanuel Dunan

In dunklen Räumen darf man vor Boschs Werk staunen

Der Plan ging auf und fast alle Sammlungseigentümer willigten in die Kooperation ein. Werke, deren schlechter Zustand einen Transport nach s’Hertogenbosch unmöglich gemacht hätte, wurden im Zuge des Forschungsprojekts restauriert. Insgesamt neun Gemälde erstrahlen so in neuem Glanz, wie man nicht nur in der Ausstellung, sondern auch auf der Website Boschproject.org sehen kann. Dort lassen sich ursprünglicher Zustand, Infrarotaufnahmen und die renovierte Version wie Vorhänge übereinanderziehen.

Die Faszination des grotesken Wimmelbilds

So erstrahlen die oft düsteren Geschichten, die Bosch erzählen wollte, in leuchtenden Farben. Baummenschen, Mischwesen und Ungeheuer bevölkern seine Altarbilder, Gedenktafeln und Gemälde. Viele Rätsel tun sich auf, wenn man etwa vor dem „Jüngsten Gerich“ steht, das um 1500 entstand. Wie in einem grotesk-verstörenden Wimmelbild wuseln unzählige Figuren über die drei Tafeln, segeln in Pantoffeln durch Pfützen, werden von Schwertern durchbohrt und von Fabelwesen und wandelnden Weinfässern verfolgt.

Ausschnitt aus The Garden of Earthly Delights von Hieronymus Bosch

Public Domain

Der „Garten der Lüste“ (um 1500): Ein Wimmelbild für Erwachsene

Nicht weniger faszinierend sind die zahlreichen Zeichnungen, die in s’Hertogenbosch ausgestellt sind. Während von den meisten seiner Zeitgenossen kaum Skizzen auf Papier erhalten sind, gibt es von Bosch zahlreiche Studienblätter, die darauf hinweisen, dass er systematisch Formen und Figuren in Vorbereitung für spätere Gemälde zu Papier brachte. „Armselig ist der Geist, der immer von den Funden anderer Gebrauch macht und sich selbst nichts ausdenkt“, schrieb Bosch über eine seiner Skizzen - ein Vorwurf, den man ihm schon alleine aufgrund der Vielzahl an unmöglichen Kreaturen nie machen könnte.

Ein genauer Beobachter der Natur

Neben der Entwicklung seiner Dämonen und Fabelwesen zeigt sich aber in den Zeichnungen auch die Vorliebe Boschs für die Beobachtung von Menschentypen - vor allem für Randfiguren wie Betrüger, Bettler und Verstümmelte, aber auch für unschuldig spielende Kinder. Bosch erweist sich dabei als genauer Naturbeobachter. Seine Eulendarstellungen erlauben etwa die Differenzierung verschiedener Gattungen, auch dann, wenn sie ohne Farbe auf Papier gebracht sind.

An der Entschlüsselung der vielzitierten rätselhaften Bosch-Symbolik beißen sich Kunsthistoriker schon seit Generationen die Zähne aus. In seiner Zeit, dem Übergang zwischen Mittelalter und Neuzeit, sei ihre Bedeutung leicht lesbar gewesen. Das Wissen darum sei aber längst verloren gegangen, so die gängige These.

Ausstellungshinweis

„Hieronymus Bosch - Visionen eines Genies“, 13. Februar bis 8. Mai, Noordbrabants Museum s’Hertogenbosch, täglich 9.00 bis 19.00 Uhr. Zur Ausstellung ist ein Katalog (192 Seiten, 24,95 Euro) erschienen.

Für Jos Koldeweij, Bosch-Experte und Kurator der Ausstellung, ist die Grundbotschaft des Werkes jedoch sehr simpel: „Es ist die Art, wie er uns überzeugt, seine Bilder zu betrachten. Er bringt uns dazu, dass wir uns fragen, was er da gezeichnet hat - und deshalb schauen wir immer weiter darauf. Und während wir über die Rätsel nachdenken, verstehen wir ihn.“ Der Zugang, so Koldeweij sei immer ein moralistischer, es gehe immer um Gut und Böse, um Himmel und Hölle: „Wenn du dich nicht benimmst, kommst du in die Hölle. Das ist seine Botschaft.“

Sophia Felbermair, ORF.at, aus s’Hertogenbosch

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