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Anderlecht statt Arlberg

In den „Krokusferien“ - dem Benelux-Äquivalent zu den heimischen Semesterferien - heißt es für viele Familien aus Belgien und den Niederlanden: ab auf die Skipiste. Die österreichischen Tourismusbetriebe freut das, denn einen großen Teil davon zieht es nach Salzburg, Tirol und Vorarlberg.

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Für Österreich ist das gut, denn Besucher aus diesen Ländern bleiben im Schnitt eine Woche, steigen gerne in höherpreisigen Hotels ab und sind auch bei ihren Apres-Ski-Ausgaben nicht knausrig. Dabei ist die Begeisterung für den alpinen Wintersport gar nicht so naheliegend, in Ländern, in denen die höchsten Erhebungen für Österreicher eher nicht die Definition eines Berges erfüllen.

Doch das Fehlen von Höhenmetern und Schnee gleicht ein anderer Faktor aus: Nirgends ist die Skihallendichte höher als in den Niederlanden, nirgends setzte man so früh auf ganzjähriges Indoorskifahren wie in Belgien, wo die erste Halle bereits 1988 eröffnete. Insgesamt kommen die beiden Länder gemeinsam derzeit auf knapp 15 Pistenkilometer - der überwiegende Teil davon in einer Halle oder in „Trockenskigebieten“, in denen ein Kunststoffbelag die Schneedecke ersetzt.

Trockener Hosenboden, trockene Handschuhe

So kann man etwa gleich am Stadtrand von Brüssel, in Anderlecht, ganz ohne Schnee ausprobieren, wie sich so ein Pflugbogen oder eine Tellerliftfahrt anfühlt. Auf dem Yeti-Skiberg, zwischen Autobahnkreuz und Industriegebiet tummeln sich vor allem am Wochenende Skianfänger, die ganz ohne nassen Hosenboden, angelaufene Skibrillen und durchgefrorene Zehen ihre ersten Versuche auf Skiern oder auf dem Snowboard wagen. Ähnliche Anlagen gibt es vor allem in den Niederlanden - neuerdings aber, wenn auch weniger erfolgreich, auch in Österreich - mehr dazu in - wien.ORF.at.

Yeti-Skifahrer

ORF.at/Sophia Felbermair

Trockenskifahren in Anderlecht

235 Meter Abfahrt aus 102 Meter Höhe

Authentischer fährt es sich allerdings auf dem Kunstschnee der ganzjährig betriebenen Skihallen. Es sind vor allem Familien mit kleinen Kindern, die sich in den Anlagen wie Snow Valley, einer Halle in Peer (Provinz Limburg in Belgien), am Wochenende vergnügen. „Wir fahren bald auf Skiurlaub in die Berge, vorher soll mein Sohn zumindest ein paar Tage ein Gefühl für das Skifahren bekommen,“ erzählt ein Vater, der sein Kind hier wöchentlich in den Skikurs bringt. Selbst wedelt er in der Zwischenzeit ein paar Mal über die 235 Meter lange Fortgeschrittenenpiste.

Anders als in normalen Skigebieten wird der größte Teil des Umsatzes hier nicht mit Tages- oder Mehrtages-, sondern mit Stundenkarten gemacht. Um rund 20 Euro kann man sich, inklusive Leihmaterial, von den „Zauberteppich“-Förderbändern auf den „Gipfel“ bringen lassen, von wo man unter den Augen der biertrinkenden Beobachter im Panoramarestaurant die Abfahrt startet. Kinder unter zwölf Jahre fahren billiger, vor allem in den Ferien und im Sommer lockt die auf minus drei Grad gekühlte Anlage mit Sonderermäßigungen.

Skipiste in einer Halle

ORF.at/Sophia Felbermair

Trister Gipfelblick: Die Skihalle Snow Valley als höchste Erhebung von Peer

Aficionados, die ganzjährig und intensiv trainieren wollen, müssen tiefer in die Tasche greifen: Rund 800 Euro kostet die Jahreskarte für Erwachsene (für Kinder unter zwölf Jahre 700 Euro) - ein Luxus, den sich laut Auskunft am Infostand aber kaum jemand leistet.

Österreich-Flair in Hallenhütten

Als Konkurrenz empfinden die Skigebiete Österreichs die Skihallen in Belgien, den Niederlanden und Deutschland aber offenbar nicht, im Gegenteil: Partnerschaften und Werbekooperationen mit den Indooranlagen sind gang und gäbe und belegen, dass man auf Nachwuchs hofft, der möglichst bald den Hallenmetern entwächst.

In Snow Valley schmücken großflächige Bilder des Nationalparks Hohe Tauern die Wände und wecken die Sehnsucht nach Bergen, Panoramablick und Sonnenstunden. In der Skihalle Neuss bei Düsseldorf, wo sich auch die größte Skischule Deutschlands befindet, lernen die Anfänger das Skifahren zwischen rot-weiß-roten Fahnen, Panoramaplakaten von österreichischen Skiorten und trinken ihr Apres-Ski-Bier im Salzburger Almstadl. Die Salzburger Land Tourismusgesellschaft (SLTG) kooperiert seit der Eröffnung im Jahr 2001 mit der Anlage, als Teil der Nachwuchsarbeit, wie Florian Größwang, Mitglied im Vorstand der SLTG, im Dezember gegenüber der APA erklärte: „Besser kannst du deine Zielgruppe nicht treffen.“

Skipiste in einer Halle

ORF.at/Sophia Felbermair

Nachwuchsarbeit: Panoramabilder sollen vom Lagerhallenfeeling ablenken

Aber auch die heimische Industrie profitiert von den Skihallen. Weltweit findet man Indoor-Liftanlagen der Vorarlberger Firma Doppelmayr und den „Zauberteppich“, eine Erfindung der oberösterreichischen Firma Sunkid. Für den Schnee in vielen Indooranlagen zeichnet das Tiroler Beschneiungsunternehmen TechnoAlpin verantwortlich, das vom Snow Dome im deutschen Bisbingen bis zur Qiabo Ice & Snow World im chinesischen Shaoxing die kalte Unterlage liefert. Die Liftkartenkontrolle in Hallen wie SkiDubai funktioniert mit einer Technologie der Salzburger Firma SkiData, und die Kärntner Kärntner Haslinger Stahlbau GmbH verbaute als Generalunternehmer beim Bau der Halle in Wittenburg (Deutschland) 5.500 Tonnen Stahl.

Skihallenträume im Burgenland und in Wien

Pläne für eine Skihalle auch in Österreich - wo ja 1927 auch die erste Indoor-Wintersportanlage in der Wiener Nordwestbahnhalle zumindest kurzzeitig in Betrieb war - gab es in den letzten Jahren immer wieder. 2005 überlegte man im burgenländischen Sieggraben im Bezirk Mattersburg, auf einem Areal von rund 180.000 Quadratmetern eine 600 Meter lange und 30 Meter breite Halle zu errichten, die einen ganzjährigen Skibetrieb ermöglichen sollte. Der dortige Bürgermeister zeigte sich dem Projekt gegenüber aufgeschlossen, die Planungen verliefen dennoch im Sand.

Rodelpiste in einer Halle

allrounder.de

In Neuss (Deutschland) rodelt man unter rot-weiß-roter Patronanz

Ein paar Jahre später, 2009, tauchten Pläne auf, in Wien eine Halle zu errichten, Investoren träumten von 400 Pistenmetern und einer Steigung von bis zu 25 Prozent, was sogar Weltcup-Veranstaltungen hätte ermöglichen sollen. Die Idee, der Stadt so ein „neues Wahrzeichen“ und eine Touristenattraktion in der Donaustadt zu schaffen, wurde im Gemeinderat aber eher als Scherz abgehandelt und war somit schnell vom Tisch. Bürgermeister Michael Häupl fand deutliche Worte: „Ich halte diese absonderliche Idee für eine Schnapsidee.“

Sophia Felbermair, ORF.at, aus Brüssel

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