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„Dominoeffekt“ soll Druck in EU aufbauen

In der Flüchtlingskrise hält Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) „nationale Maßnahmen“ für unumgänglich. „Die Außengrenzsicherung funktioniert nicht. Wenn es keine gesamteuropäische Lösung gibt, sind Staaten wie Österreich gezwungen, nationale Lösungen zu finden", sagte er am Montag am Rande des ersten EU-Außenministerrats in diesem Jahr in Brüssel.

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„Weder die Einladungs- noch die Willkommenspolitik“ hätten sich als richtige Antwort auf die Situation in Syrien bewährt. Die EU müsse nun alles tun, um den „Zustrom zu stoppen“ und die Flüchtlinge „im Idealfall an der EU-Außengrenze aufzuhalten“.

Viele Staaten in Europa seien zufrieden mit der Situation, dass Flüchtlinge schnell nach Mitteleuropa weitertransportiert würden. Staaten wie Österreich, Deutschland und Schweden könnten einen Andrang wie im Vorjahr „definitiv nicht stemmen". Es kämen „zu viele“ Flüchtlinge nach Österreich, so Kurz weiter. Das sei nicht mehr handhabbar. Konkrete Maßnahmen könne Österreich bereits beim Asylgipfel mit den Ländern am Mittwoch beschließen.

Aktuelle Situation „erwartbare Konsequenz“

Für Kurz ist es „sehr problematisch“, dass man sich in der europäischen Diskussion vor allem auf die Frage des Weitertransports und auf die theoretische Frage der Verteilung nach Quoten fokussiert habe. „Was wir jetzt erleben, ist die erwartbare Konsequenz dieser Politik.“

Nachdem es nicht nach einer kurzfristig zu erwartenden gesamteuropäischen Lösung aussehe, müsse Österreich – nach dem Beispiel Deutschlands und Schwedens - aktiv werden, auch ein gemeinsames Vorgehen mit Deutschland und Slowenien sei denkbar. Kurz verspricht sich durch einen Dominoeffekt von nationalen Maßnahmen in Form von Grenzschließungen mehr Druck auf Länder wie Griechenland. Dort soll dadurch mittelfristig „die Bereitschaft, sich helfen zu lassen“, größer werden.

Bessere Verteilung durch nationale Maßnahmen?

Außerdem würde sich durch die Grenzschließungen eine bessere Verteilung der Flüchtlinge auf die EU-Mitgliedsstaaten de facto von alleine ergeben: „Wenn jemand vor Krieg und Verfolgung flüchtet, dann wird er im Zweifelsfall auch bereit sein, seinen Asylantrag in Polen oder in Slowenien zu stellen, wenn er das in Österreich oder in Deutschland nicht mehr kann.“

Schwere wirtschaftliche Folgen durch Grenzschließungen, wie sie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker befürchtet, seien ein Problem, dessen er sich bewusst sei, so der Außenminister. Auch die Behinderungen im Bahnverkehr zwischen Budapest und Wien sowie Wien und München sowie die Autobahnsperren hätten nicht zu unterschätzende wirtschaftliche Auswirkungen gehabt: „So zu tun, als wären die nationalen Einzelmaßnahmen jetzt das Problem, ist absolut verfehlt.“

„Treiber für europäische Lösung“

Montagabend legte Kurz noch einmal nach. Grenzschließungen und Obergrenzen könnten ein Impuls zur Lösung der Flüchtlingsfrage sein, so Kurz gegenüber dem „heute-journal“ des ZDF. „Das wäre vielleicht sogar ein Treiber für eine europäische Lösung“, so der Minister.

Derzeit sei die Situation etwa für Griechenland „höchst komfortabel“, da die Geflüchteten rasch nach Mitteleuropa transportiert würden, so Kurz. Wenn hingegen klar sei, dass es für sie die Perspektive einer Weiterreise etwa nach Deutschland, Österreich oder Schweden nicht mehr gebe, kämen wohl weniger Menschen.

Sophia Felbermair, ORF.at, aus Brüssel

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