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Belgier von Lösung überzeugt

Eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen würde nach Auffassung des Präsidenten des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Koen Lenaerts, europäischem Recht zuwiderlaufen.

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„Immer wenn jemand asylberechtigt ist, hat er nach dem Unionsrecht das Anrecht darauf, als Flüchtling anerkannt zu werden“, so der Präsident des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gegenüber der deutschen „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Das ist schwer vereinbar mit irgendeiner Zahl oder Obergrenze.“

„Derzeitige Probleme überwindbar“

Lenaerts geht davon aus, dass die EU-Staaten die Flüchtlingskrise lösen werden: „Ich glaube, dass die derzeitigen Probleme überwindbar sind.“ Die Europäische Union (EU) werde daran nicht zerbrechen, sondern diese Krise meistern, wie sie schon zahlreiche Krisen zuvor gemeistert habe, so der Belgier, der dem Gerichtshof seit Oktober 2015 vorsteht.

Koen Lenaerts

Reuters/Laurent Dubrule

Lenaerts (l.) erhielt 2012 gemeinsam mit dem damaligen EU-Ratspräsidenten Herman van Rompuy die Ehrendoktorwürde der Katholischen Universität Löwen

Der Jurist verwies darauf, dass die EU immer strikt gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention handeln müsse. So müssten alle EU-Länder gemeinsame Mindeststandards bei der Unterbringung von Flüchtlingen einhalten, solange sie einen Asylantrag prüfen.

Obergrenze rechtlich unmöglich

Lenaerts bestätigte damit die Einschätzung des Innsbrucker Juristen Andreas Müller. Dieser hatte gegenüber ORF.at betont, dass eine zahlenmäßige Obergrenze für Flüchtlinge „nur unter Ausblendung der rechtlichen Gegebenheiten möglich“ sei.

Laut dem Experten definiert die Konvention einerseits rechtsverbindlich, was ein Flüchtling ist, und andererseits, welche Rechte ein anerkannter Flüchtling hat. Sie enthält kein Grundrecht auf Asyl. Ein solches ergibt sich aber für alle EU-Staaten verpflichtend aus der Europäischen Grundrechtecharta und der im europäischen Asylrecht festgelegten Prüfpflicht: Jeder EU-Staat ist verpflichtet, alle Asylwerber, für die er laut Dublin-Verordnung zuständig ist, nach den Kriterien der Genfer Konvention zu prüfen und ihnen gegebenenfalls den Schutzstatus zuzuerkennen.

Daher können Obergrenzen für einzelne Mitgliedsstaaten wenn überhaupt nur auf EU-Ebene festgelegt werden. Die Politik könnte de facto trotzdem eine Obergrenze festsetzen – etwa, indem sie die Behörden zu einer restriktiven Auslegung des Verfolgungsbegriffs anhält, der das Grundkriterium für die Zuerkennung des Status eines Konventionsflüchtlings ist - freilich mit dem Risiko, dass Gerichte die Entscheidungen wieder aufheben könnten.

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