Mehr als 30 PKK-Kämpfer getötet
Seit dem Start einer Militäroffensive Mitte Dezember bekämpfen sich das türkische Militär und die verbotene kurdische Arbeiterpartei (PKK) im Südosten des Landes. Auch im neuen Jahr gibt es bereits zahlreiche Tote. Allein am Wochenende wurden bei Gefechten in den unter Ausgangssperre stehenden Gebieten nahe der syrischen und irakischen Grenze nach Armeeangaben mehr als 30 PKK-Kämpfer getötet.
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Zwölf Kämpfer kamen nach Angaben aus Sicherheitskreisen in der Nacht zum Sonntag bei einer Operation gegen ein PKK-Versteck in der osttürkischen Stadt Van ums Leben. Sie hätten sich in einem Haus verschanzt, es sei zu einem Feuergefecht gekommen. Bei dem Einsatz sei auch ein Polizist ums Leben gekommen. Die Behörden hätten anschließend 30 Granaten, zwölf Gewehre und ein Maschinengewehr sichergestellt.
Die Armee teilte am Sonntag außerdem mit, am Vortag seien in der Stadt Cizre „13 Angehörige einer separatistischen Terrororganisation neutralisiert“ worden. In der Stadt Silopi habe die Zahl bei vier gelegen, im Viertel Sur in der Kurdenmetropole Diyarbakir bei drei. Ein Soldat sei erschossen, mehrere Menschen seien verletzt worden.
Hunderte Tote seit Mitte Dezember
Nach Militärangaben wurden seit Beginn der Offensive allein in diesen drei Orten mehr als 400 PKK-Kämpfer getötet. Im Jahr 2015 starben demnach 3.100 PKK-Kämpfer und 200 Sicherheitskräfte. Zur Anzahl der toten Zivilisten gab es keine Angaben, die türkische Human Rights Foundation of Turkey (HRFT) sprach Ende Dezember aber von 124 zivilen Opfern seit Mitte August.

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/IWF
Der gewaltsame Konflikt der türkischen Regierung mit der PKK dauert schon mehr als 30 Jahre an. Dabei kamen bisher rund 40.000 Menschen ums Leben. Seit 1984 kämpfte die PKK, die auch in der EU und den USA als terroristische Organisation gilt, mit Waffengewalt und Anschlägen für einen Kurdenstaat oder ein Autonomiegebiet im Südosten der Türkei.
Zivilbevölkerung hart getroffen
Die militärische Intervention trifft auch die zwischen PKK und Sicherheitskräften eingeklemmte Bevölkerung der betroffenen Gebiete schwer. Im Gegensatz zu den Kämpfen der 90er Jahre, die sich vornehmlich in ländlichen Gegenden abspielten, findet der Konflikt dieses Mal in dicht besiedelten Großstädten statt. Das türkische Militär operiert mit Panzern, Raketen und Scharfschützen.
Über die Zivilbevölkerung im Altstadtviertel Sur in Diyarbakir wurde am 2. Dezember eine Ausgangssperre verhängt, in Cizre und Silopi am 14. Dezember. Van ist von den von Menschenrechtlern kritisierten Ausgangssperren nicht betroffen. Das Alltagsleben kam in den betroffenen Gebieten weitestgehend zum Stillstand.

APA/AFP/Bulent Kilic
Unter dem Konflikt leidet zunehmend die Zivilbevölkerung
Die Müllabfuhr funktioniert nicht mehr, Geschäfte sind geschlossen. Die Lebenserhaltungskosten der Menschen laufen aber weiter. Auch Strom, Internet, Wasser und Telefonverbindungen sind an vielen Orten gekappt. Zehntausende Kinder erhalten keinen Unterricht mehr. Kritiker sehen mittlerweile eine Zermürbung der gesamten Region, Zehntausende Menschen flüchteten bereits.
Erdogan: „Werden mit ‚Säuberung‘ weitermachen“
Noch am letzten Tag des Jahres 2015 hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan seine Entschlossenheit im Kampf gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei geäußert. Die PKK werde „bis zum Ende“ bekämpft, sagte Erdogan in seiner Neujahrsansprache. „Unsere Sicherheitskräfte ‚säubern‘ sowohl die Berge als auch die Städte Meter um Meter von den Terroristen. Und sie werden mit der ‚Säuberung‘ weitermachen“, so Erdogan.
Noch vor drei Jahren hatten Präsident Erdogan und der inhaftierte PKK-Chef Abdullah Öcalan einen Friedensprozess eingeleitet, der jedoch gescheitert ist. Eine im März 2013 beschlossene Waffenruhe wurde im vergangenen Sommer beendet. Seither stehen die Zeichen wieder auf Konflikt.
Schweigen in türkischen Medien
Wie „Politico“ berichtet, spiegeln sich die Geschehnisse in türkischen Medien kaum wider. Redaktionen hätten Angst davor, als Sympathisanten der PKK wahrgenommen zu werden. Die Berichterstattung sei deswegen geprägt von türkischem Nationalismus und der Schilderung der Bemühungen der türkischen Sicherheitskräfte. Zivile Opfer würden kaum erwähnt. Auch Trauerfeiern von Militärs seien kein Thema der Berichterstattung, um keinen Zorn gegenüber der Regierung zu schüren.
„Politico“ spricht von „einer der dunkelsten Zeiten des türkischen Journalismus“. In den vergangenen Monaten verengte die türkische Regierung ihr engmaschiges Kontrollnetz um missliebige Medien noch weiter. Mit Sperren und Blockaden, Prozessen gegen Journalisten und der Übernahme ganzer kritischer Medienkonzerne wird die Situation der Pressefreiheit in der Türkei immer prekärer.
EGMR fordert Äußerung zu Ausgangssperre
Unterdessen forderte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine Stellungnahme der Türkei zu der Ausgangssperre in Cizre. Hintergrund ist eine Eingabe von Anwohnern, die ein Ende der Maßnahmen erreichen wollen.
Die Europäische Union hielt sich mit Kritik zur türkischen Offensive bis jetzt zurück, da sie auf die Türkei als Partner zur Bewältigung der Flüchtlingskrise angewiesen ist und dem Land daher zahlreiche Zugeständnisse macht - beispielsweise, indem man die EU-Beitrittsverhandlungen antreibt. Kurz vor Weihnachten rief die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini schließlich die politisch Verantwortlichen zu einer sofortigen Waffenruhe und einer Wiederaufnahme des Friedensprozesses auf.
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