Veto gegen mögliche Sanktionen
Ungarn stellt sich im Streit der EU-Kommission mit der neuen, nationalkonservativen polnischen Regierung demonstrativ auf die Seite Warschaus. Sein Land werde EU-Strafmaßnahmen gegen die Regierung unter Ministerpräsidentin Beata Szydlo mit seinem Veto verhindern, sagte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban am Freitag in einem Rundfunkinterview.
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„Die Europäische Union sollte nicht darüber nachdenken, irgendeine Art von Sanktionen gegen Polen zu verhängen“, sagte der nationalkonservative Regierungschef. Dafür sei eine einstimmige Entscheidung nötig, „und Ungarn wird niemals Sanktionen gegen Polen unterstützen“, so Orban.
Warschau wegen Demokratieabbaus unter Druck
Die Regierung in Warschau steht unter anderem wegen einer Reform des Verfassungsgerichts international unter Beschuss, die als Schwächung der unabhängigen Justiz gewertet wird. Die EU-Kommission hat große Bedenken angemeldet. Auch der per Gesetz fixierte stärkere Einfluss der Regierung auf Schlüsselpositionen in den öffentlich-rechtlichen Medien sorgt für Streit.
Der für Medienpolitik zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger drohte deswegen damit, den Rechtsstaatsmechanismus zu aktivieren. Im Extremfall könnte Polen damit das Stimmrecht in der EU entzogen werden. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erwartet aber nach eigenen Worten nicht, dass es dazu kommen wird. „Das sollte man nicht zu sehr dramatisieren (...) Wir prügeln nicht auf Polen ein“, sagte er jüngst. Die Kommission wird über das Thema auf ihrer Sitzung am Mittwoch beraten.
Polen sieht Defizite bei Kommunikation
Warschau setzte unterdessen auf bessere Verständigung mit der EU-Kommission. „Wir hatten das Gefühl, dass die Kommunikation zwischen Polen und Brüssel über Angelegenheiten, die für Polen sehr hohe Priorität haben, seit Längerem nicht die beste war“, sagte Europaminister Konrad Szymanski am Freitag. Er hatte zuvor die Leiterin der EU-Kommission in Polen, Marzenna Guz-Vetter, getroffen.
„Für Polen ist der Pluralismus der Medien und die Gesetzesherrschaft ein ebenso wichtiges Element der Politik wie für die EU“, versicherte Szymanski danach. Wichtig sei, dass die EU-Kommission und andere europäische Institutionen nicht als parteiisch im politischen Streit in Polen wahrgenommen würden. „Ich glaube, wir haben einen Schritt nach vorne gemacht, um einen Zustand zu erreichen, bei dem alle das Gefühl haben, dass die EU-Kommission unser Land wie jedes andere Mitglied behandelt“, sagte Szymanski.
Guz-Vetter sprach von einem „sachlichen Gespräch“, in dessen Verlauf viele Zweifel erhellt werden konnten. Zugleich betonte sie, Pluralismus der Medien sei einer der Grundwerte der EU. Die EU-Kommission habe die Pflicht, sich mit dem Schutz dieser Werte zu befassen.
PiS-Politiker neuer Fernsehchef
Polens Schatzminister Dawid Jackiewicz ernannte unterdessen nach Inkrafttreten des neuen Mediengesetzes den nationalkonservativen Politiker und ehemaligen Europaparlamentarier Jacek Kurski zum neuen Chef des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders TVP. Kurski sei eine „Garantie für die Rückkehr des Gleichgewichts in den öffentlich-rechtlichen Medien“, sagte Jackiewicz.
„Das Fernsehen benötigt sachlichen, objektiven Journalismus.“ Journalisten, die diese Standards nicht einhielten, könnten „beunruhigt sein“, so Jackiewicz. Kursiki saß für die regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) auch im polnischen Parlament. Zwischenzeitlich gehörte er der nationalkatholischen Liga Polnischer Familien (LPR) an, ehe er wieder zur PiS wechselte.
Treffen von Orban und Kaczynski
Auch der ungarischen Regierung wird die Einschränkung der Pressefreiheit infolge der von ihr eingeführten Mediengesetze vorgeworfen. Orban hatte sich am Mittwoch im südpolnischen Niedzica mit PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski getroffen. Dieser hat in der Regierung von Szydlo kein Amt, gilt aber als starker Mann der PiS, der im Hintergrund die Fäden zieht.
Kaczynski, dessen PiS seit November in Polen alleine regiert, hatte in Äußerungen in der Vergangenheit immer wieder das Ziel eines „Budapest an der Weichsel“ angestrebt. Das Gespräch in Niedzica dauerte Medienberichten zufolge mehr als sechs Stunden. Offizielle Informationen zu der Begegnung gab es nicht.
Harte Linie in Flüchtlingsfrage
Ungarn und Polen sperren sich auch gegen Vorgaben der EU für die Aufnahme von Flüchtlingen. Orban forderte in dem Rundfunkinterview am Freitag, Flüchtlinge an der griechischen Nordgrenze zu stoppen. Dazu müsse die Europäische Union eine neue Grenze errichten. „Die nächste Verteidigungslinie, die wir bauen müssen, liegt an der Nordgrenze Griechenlands“, sagte Orban.
Er konkretisierte nicht, ob er damit die Errichtung von Zäunen oder anderen zusätzlichen Grenzanlagen meinte. Die Vereinbarung mit der Türkei zur Eindämmung der ankommenden Flüchtlinge reiche nicht aus, sagte der Regierungschef. Die Türkei hatte darin versprochen, die Zahl der in Europa ankommenden Flüchtlinge zu verringern, und soll dafür unter anderem Milliardenhilfen und Visaerleichterungen für ihre Bürger bekommen. UNO-Zahlen zufolge kamen aber in der vergangenen Woche im Schnitt täglich 3.005 Flüchtlinge im Nachbarstaat Griechenland an. EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans hatte sich deswegen am Donnerstag unzufrieden über die Türkei gezeigt.
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