„Alle Mann an Bord“
Vor den Augen der Weltöffentlichkeit ist der UNO-Klimagipfel in Le Bourget bei Paris am Samstag in ein überraschend dramatisches Finale gegangen. In nächtlichen Marathonverhandlungen war zuvor der Entwurf für einen bindenden Klimavertrag für alle 196 Teilnehmerstaaten fertiggestellt worden. In dramatischen Appellen wurde um die Unterschriften der zögerlichen Länder geworben.
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Mit deutlichen Zeichen der Erschöpfung traten zu Mittag UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon und Frankreichs Außenminister Laurent Fabius als Gastgeber des Gipfels vor die Presse. Demonstrativ fanden sich auch Umweltminister jener Länder ein, die für ein „hochambitioniertes“ Klimaabkommen eingetreten waren. Tatsächlich dürfte der Entwurf den Bremsern einiges abverlangen. Ban verlangte von ihnen „Mut“ zur Unterschrift, die über das Leben von Milliarden Menschen entscheiden werde.
Ungewohnt emotionale Appelle
Nun sei die „Zeit gekommen, anzuerkennen, dass nationalen Interessen am besten gedient ist, indem man im internationalen Interesse handelt“, so Ban. Der Vertrag sei zwar „ambitioniert“, aber auch „realistisch“. Nun sehe die ganze Welt zu: „Wir müssen tun, was uns die Wissenschaft vorschreibt. Wir müssen den Planeten schützen, der uns erhält. Wir brauchen alle Mann an Bord“, sagte Ban in einem ungewohnt emotionalen Appell.
Ebenso leidenschaftlich warb Fabius für seinen finalen Entwurf eines Weltklimavertrags. Sein Vorschlag sei ehrgeizig, ausgewogen und rechtlich bindend, sagte der französische Außenminister am Samstag mit brüchiger Stimme und sprach von einem „historischen“ Moment. Der Text enthalte wichtige Fortschritte, die viele vorher für unmöglich gehalten hätten. So solle die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad begrenzt werden, die Länder sollten sogar versuchen, 1,5 Grad zu unterschreiten.
„Wir haben nicht viel Zeit - es ist jetzt 12.30 Uhr“
Der Text sollte im Anschluss an die Vertreter der 196 Verhandlungspartner verteilt werden. Die Entscheidung war dann im Laufe des Tages vorgesehen. Spätestens dann wird sich zeigen, ob der Kompromissvorschlag die großen Streitfragen zwischen den Staatengruppen überwinden kann. „Die Welt hält den Atem an und zählt auf uns alle“, sagte Fabius. Jeder könne am Abend nach der geplanten Annahme erhobenen Hauptes nach Hause fahren.
Die Einigung soll den durch Treibhausgase verursachten Klimawandel stoppen. Es wäre der erste Vertrag, mit dem sich nahezu alle Staaten auf Klimaschutz verpflichten. Dass es nicht um Inszenierung, sondern tatsächlich um ein Ringen bis zur letzten Minute ging, zeigte sich an Fabius’ knappen abschließenden Worten: „Wir haben nicht viel Zeit. Es ist jetzt 12.30 Uhr. Bis 13.30 Uhr werden Sie den übersetzten Text in Ihren Händen halten. Ich schlage vor, dass wir uns um 3.45 Uhr wieder treffen.“
Verhandlungsrunde verschoben
Ein weiteres Mal hielt der Terminplan jedoch nicht: Die abschließenden Verhandlungen wurden ohne Angaben von Gründen auf 17.30 Uhr nach hinten verlegt. Doch erst kurz nach 19.00 Uhr begann die Schlussrunde. Gipfelbeobachter werteten das als Zeichen, dass es beträchtlichen Widerstand mancher Teilnehmerstaaten gegen den Vertragsentwurf gibt. Von Teilnehmern war vor allem zu hören, dass Entwicklungsländer die sehr genau definierten Ziele - aber die sehr schwammig definierte finanzielle Abgeltung von Klimaschäden durch die Industrienationen - nicht hinnehmen wollten.
China und Indien sind offensichtlich mit dem Text für das Klimaabkommen einverstanden. Das sagte der malaysische Vertreter Guardial Singh Nijar als Sprecher einer Gruppe von insgesamt mehr als 20 Staaten nach internen Beratungen am Rande Konferenz. Zustimmen wollen demnach auch Saudi-Arabien und weitere arabische Staaten.
Hollande sieht mehr als „nur“ historischen Tag
Auch Frankreichs Präsident Francois Hollande appellierte an die bis zuletzt zögerlichen Staaten - angeblich vor allem China, Indien und Saudi-Arabien: „Es ist selten, dass es im Leben die Gelegenheit gibt, die Welt zu verändern. Sie haben diese Gelegenheit.“ Der 12. Dezember 2015 könne nicht nur zum „historischen Tag“ werden, sondern zum „großen Datum für die Menschheit“: Man habe die Gelegenheit, dass sich zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte die ganze Welt gemeinsam zu einem großen Ganzen verpflichte.
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