Themenüberblick

„Was Teile der Bundes-ÖVP da reitet“

Im Moment scheint zwischen den Koalitionspartnern SPÖ und ÖVP ein Streit relativ nahtlos in den nächsten überzugehen. Nach dem Hickhack über die Pensionsreform und die Studie über islamische Kindergärten in Wien tauchte am Donnerstag ein neues Thema auf: das Wiener Gesundheitswesen. Wien fühlt sich „gebasht"“, die ÖVP beteuert, nur "Dinge beim Namen zu nennen“.

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Am Freitag warf ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ), insbesondere aber der rot-grünen Wiener Stadtregierung Fehler vor. In der Bundeshauptstadt würden im Gesundheitsbereich „Leistungen eingeschränkt und Bürokratien ausgeweitet“. Eine Zweiklassenmedizin zu verhindern sei „immer Anspruch der Sozialdemokratie“ gewesen, sagte er. „In Wien ist man an der Kippe, ob man dem noch gerecht wird.“

„Nicht destruktiv, sondern verantwortungsvoll“

Dass er mit seinen Vorwürfen gegen die SPÖ den Koalitionsfrieden untergrabe und womöglich an einer Neuauflage einer schwarz-blauen Koalition arbeite, wie es ihm SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid in einer Aussendung vorwarf, ließ Lopatka nicht gelten. Auch eine konzertierte Aktion von ÖVP-Seite zur Unterstützung ihrer schwächelnden Landespartei in Wien stellte er in Abrede.

„Das ist von mir keine Absage zu einer konstruktiven Zusammenarbeit, sondern ein Aufruf auch für einen Beitrag der Stadt Wien, dass wir insgesamt erfolgreich sein können.“ Die Volkspartei nenne „die Dinge beim Namen - das ist nicht destruktiv, sondern verantwortungsvoll“, sagte Generalsekretär Peter McDonald.

Vorwurf der „Selbstdarstellung“ als Replik

Schmid hatte von der ÖVP zuvor ein klares Bekenntnis zur gemeinsamen Regierungsarbeit eingefordert. „Fast täglich kommen von führenden Vertretern der ÖVP Wortmeldungen, die vorwiegend von Destruktivität gekennzeichnet sind“, lautete sein Vorwurf. Die Arbeit von Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) - Stichwort: Studie zu islamischen Kindergärten in Wien - zeichne sich „in erster Linie durch Selbstdarstellung aus“, Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) „gibt in der Flüchtlingspolitik die Scharfmacherin“ und verunsichere die Bevölkerung.

„Wien-Bashing und Wiener-SPÖ-Bashing“

Auch Wiens SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl ärgerte sich über den Koalitionspartner auf Bundesebene. Sein Anlass war die Kindergartenstudie. Minister Kurz hätte gleich mitteilen sollen, wo es etwas zu beanstanden gebe, aber darum sei es ihm nicht gegangen, es sei in Wahrheit um ein „Medien-Tamtam“ gegangen, sagte Häupl am Freitag gegenüber der ZIB. "Ich kann nicht nachvollziehen, was Teile der Bundes-ÖVP reitet, ein „Wien-Bashing und Wiener-SPÖ-Bashing da zu machen, das weiß ich nicht“.

Kurz’ Studie ärgert Häupl

Häupl ist verärgert darüber, dass Integrationsminister Kurz mit einer Studie über islamische Kindergärten in Wien für Aufregung sorgt.

In die selbe Kerbe schlägt der Landesparteisekretär der Wiener SPÖ, Georg Niedermühlbichler. Die Bundes-ÖVP betreibe mit „absurden“ Vorschlägen und Vorwürfen „Wien-Bashing“, wie er im Interview mit der APA beklagte. Seiner Ansicht nach steckt dahinter durchaus System: „Ich glaube, dass da Teile der ÖVP ein eigenes Spiel spielen und versuchen Schwarz-Blau auf Bundesebene vorzubereiten.“

Offensichtlich gebe es einige Politiker in der Bundes-ÖVP, die anstatt Erfolge der Regierungsarbeit zu bewerben sich lieber auf Wien oder die SPÖ einschießen würden. Das sei offensichtlich ein Plan von Teilen der Volkspartei - wenn auch ein sehr durchsichtiger, wie Niedermühlbichler konstatierte.

Kindergartenstudie sorgt nachhaltig für Ärger

Zuvor hatte am Donnerstagabend auch die Wiener SPÖ-Stadträtin Sonja Wehsely nach einem Treffen zum Thema islamische Kindergärten, bei dem mit Kurz nun eine flächendeckende Untersuchung vereinbart wurde, den Minister kritisiert. „Es geht um Lösungen, es geht um Kinder, es geht nicht um Ihre persönliche Profilierung“ - mehr dazu in wien.ORF.at.

Anlass für den Streit und „Gipfel“ mit Kurz war die „Vorstudie“ des Leiters des Instituts für islamische Studien der Universität Wien (IIS), Ednan Aslan, zu dem Thema. Er ortete darin Strömungen, die gezielt der Integration zuwiderlaufen. „Radikalität fällt nicht vom Himmel“, sagte der Islamwissenschaftler im Interview mit dem ORF Wien - mehr dazu in wien.ORF.at.

Allergieauslöser Pensionspapier

Zankapfel Nummer eins in den letzten Tagen war Mitte der Woche ein Expertenpapier, beauftragt von der ÖVP, gewesen. Angedacht werden darin etwa eine Pensionsautomatik und ein Einfrieren des Bundeszuschusses, das Papier soll als Vorlage für die ÖVP-Position in den im Frühjahr beginnenden Verhandlungen zur Pensionsreform dienen. Die Ideen lehnt die SPÖ vehement ab. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) reagierte verärgert: „Ich bin bei den ganzen Expertenpapieren schön langsam ziemlich allergisch.“

Nächste Runde: Flüchtlingspolitik

Ein Abebben des Gezänks ist nicht in Sicht: Auf Ebene der Klubobleute wurde es, nun anhand des Flüchtlingsthemas, in das Wochenende getragen. Den Anfang machte Lopatka, der der SPÖ im „Standard“ (Freitag-Ausgabe) vorhielt, gemeinsame Initiativen zu blockieren. „Der Kanzler tritt die Flucht aus der Verantwortung an“, sagte er auf die Frage nach dem Koalitionsklima. Werner Faymann trete „gern im Ausland“ auf, „aber in Österreich haben wir die Situation, dass die SPÖ Lösungen zunehmend blockiert“.

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder wiederum nannte in der Wochenendausgabe des „Standards“ das von Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) geführte Innenministerium bei der Rückführung der abgelehnten Asylwerber „total säumig“. In der Tageszeitung „Österreich“ (Samstag-Ausgabe) hält er der Ministerin vor, bisher nur drei Millionen der zu Jahresbeginn beschlossenen 30 Millionen Euro in die Ausrüstung der Polizei investiert zu haben.

„Stimmung nicht so gut“

Bei der Suche nach Flüchtlingsquartieren sprach Lopatka von „zunehmendem Widerstand seitens der SPÖ“. Funktionäre, Abgeordnete, Gewerkschafter, aber auch ein ganzes Bundesland - das Burgenland - würden „boykottieren“. Der Kanzler unterstütze das Burgenland und „lässt die Innenministerin allein“. „Es ist scheinheilig, wenn die ÖVP das Problem auf den Koalitionspartner abwälzen will“, sagte Schieder.

Nach Schieders Ansicht soll Mikl-Leitner das Durchgriffsrecht „jetzt endlich stärker zur Anwendung bringen“ - vor allem in Tirol und Oberösterreich, die die Quote am deutlichsten verfehlen würden, weil „ÖVP-Lokalpolitiker die Flüchtlingsunterbringung blockieren“ würden. „Jedenfalls ist die Stimmung nicht so gut“, so Schieders Antwort auf die Frage nach dem Koalitionsklima.

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