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Auch weitere Maßnahmen vereinbart

Im Streit über die islamischen Kindergärten in Wien hat am Donnerstag ein Treffen zwischen Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP), den beiden Wiener SPÖ-Stadträtinnen Sonja Wehsely und Sandra Frauenberger sowie dem Islamwissenschaftler Ednan Aslan stattgefunden. Das Ergebnis: Es soll nun eine flächendeckende Studie geben. Die Stadträtinnen hatten außerdem einen Sechspunkteplan im Gepäck.

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„Wir haben darüber gesprochen, dass wir eine gemeinsame Untersuchung stattfinden lassen wollen“, berichtete Kurz nach dem Termin. Die Details zu der Erhebung würden nun ausgearbeitet, hieß es. Der Islamwissenschaftler Ednan Aslan, dessen aktuellen Rechercheresultate seit einigen Tagen für Aufsehen sorgen, wird - wie auch bei dem Gespräch Donnerstagnachmittag - mit dabei sein. Fixiert wurde auch, dass es sich um eine flächendeckende Studie handeln wird.

„Geht nicht um ihre persönliche Profilierung“

„Es hat sich aus meiner Sicht dargestellt, dass es Probleme gibt“, sagte Kurz. Die Gefahr, dass Parallelgesellschaften „herangezüchtet“ würden, bestehe, da Kinder religiös und ethnisch getrennt in Kindergruppen betreut würden. Jugendstadträtin Wehsely bekräftigte, dass man gemeinsam gegen Radikalismus und Extremismus vorgehen wolle.

Außenminister Sebastian Kurz

APA/Dragan Tatic

Kurz, Aslan, Wehsely und Frauenberger - alles andere als einer Meinung

Leider, fügte Wehsely jedoch hinzu, seien Kurz und Aslan die Namen von konkreten Kindergärten, die angeblich sofort geschlossen hätten werden sollen, schuldig geblieben. Dem Minister richtete sie aus: „Es geht um Lösungen, es geht um Kinder, es geht nicht um Ihre persönliche Profilierung.“ Vor den Kameras gab es merkliche Differenzen - mehr dazu in wien.ORF.at.

Trotz der offensichtlichen Dissonanzen wurden - neben der gemeinsamen Studie - auch weitere Schritte vereinbart. So wurde etwa der von Integrationsstadträtin Frauenberger angekündigte Bildungsleitfaden in Sachen Religion von Kurz gutgeheißen. Ob es gesetzliche Änderungen gebe oder Richtlinien in Form eines Leitfadens erlassen würden, sei für ihn nicht die „Fahnenfrage“: „Ich bin froh, wenn hier nachgeschärft wird.“

Sechspunkteplan gegen radikale Tendenzen

Der Inhalt des Sechspunkteplans der Wiener Stadtregierung war schon im Vorfeld bekanntgeworden. Unter anderem enthält er die Forderungen nach der Einrichtung einer Koordinationsstelle Deradikalisierung im Innenministerium und einer Aufstockung der Mittel zur Sprachförderung seitens des Bundes.

Das Rathaus sagt außerdem eine Verbesserung der Ausbildung der Betreuer und stärkere Kontrollen durch die zuständige Magistratsabteilung 11 (Jugend und Familie) zu, fordert gleichzeitig aber, dass die Fakten über die kritisierten Einrichtungen auf dem Tisch landen - mehr dazu in wien.ORF.at. Alan zeigte sich optimistisch: „Ich bin zuversichtlich, dass wir die Situation verbessern können.“

Ein Problem, „dass es dieses System überhaupt gibt“

Kurz hatte zuvor am Mittwoch in der ZIB2 die „Vorstudie“ gegen Kritik verteidigt. Er sprach in Bezugnahme auf die Erhebung Aslans, er ist Leiters des Instituts für islamische Studien (IIS) an der Universität Wien, davon, dass „da Parallelgesellschaften herausgebildet“ würden. Es sei schon schwierig gewesen, die Untersuchung überhaupt durchzuführen. Die Gemeinde Wien sei dabei nicht sehr kooperativ gewesen, so Kurz sinngemäß.

Deutliche Kritik an Wiener Stadtregierung

Kurz kritisiert Wien scharf und fordert eine Änderung des Kindergartengesetzes.

Der Minister untermauerte seinen Standpunkt etwa damit, dass von einem Kindergarten ein Salafist als Ehrengast eingeladen worden sei, es gebe Schwerpunkte in islamischem Recht (Scharia), zugleich mangle es an der Vermittlung von Deutschkenntnissen. Dinge, die er so „als sehr bedenklich werten“ würde. Es sei ein Problem, wenn Kinder abgeschottet würden. Er habe ein Problem damit, „dass es dieses System überhaupt gibt“.

„Radikalität fällt nicht vom Himmel“

Der Islamwissenschaftler Aslan nannte im Interview mit dem ORF Wien am Donnerstag einige Beispiele dafür, worauf er in Wien gestoßen sei. Kindern würde etwa eingetrichtert, sie dürften nicht mit Menschen zusammen sein, die Schweinefleisch essen, sie dürften Menschen nicht respektieren, die in unehelichen Beziehungen lebten. „Radikalität fällt nicht vom Himmel“, so Aslan - mehr dazu in wien.ORF.at.

Gegenüber Ö1 sagte Aslan, er wünsche sich mehr Kooperation der Stadt Wien. Er betonte, er wolle keine Politik machen. „Wir wollten die Debatte versachlichen“ und verstehen, wo Radikalisierung ansetze - nämlich sehr früh, wenn die Betreuungseinrichtungen die „Kinder zur Isolation ermutigen“. Kritik an seiner „Vorstudie“ (etwa deren Umfang) wies er zurück - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Differenzen zwischen Stadtparteien

Von einer notwendigen „Versachlichung“ sprach am Donnerstag auch die Wiener Stadträtin Wehsely in Richtung Kurz’. „Er versucht hier zu verunsichern und Bilder zu erzeugen, die den Zusammenhalt einer Gesellschaft gefährden", beklagte ihre Kollegin Frauenberger. Der geschäftsführende Landesparteiobmann der ÖVP Wien, Stadtrat Gernot Blümel, warf der rot-grünen Stadtregierung vor, in „Laissez-faire-Romantik das Problem kleinzureden und untätig zu bleiben“. Er fordert „effektive Kontrollen“.

Auch wenn er „über die späte Einsicht“ Kurz’ erfreut sei, „halte ich fest, dass diese Einsicht deutlich zu spät kommt“, so der freiheitliche Wiener Vizebürgermeister Johann Gudenus in einer Aussendung. Auf Bundesebene meldete sich die grüne Integrationssprecherin Alev Korun zu Wort. Sie sieht offene Fragen durch die Aussagen Aslans und forderte die Veröffentlichung der Studie. Gegensteuern könne man nur auf Basis von Fakten, für ein „Polithickhack“ eigne sich das Thema nicht.

FPÖ-Bundesparteichef Heinz-Christian Strache erklärte, das „Phrasendreschen“ Kurz’ gehe in die nächste Runde. „Während wir in Wien auf tickenden Zeitbomben sitzen, loben sich die Verantwortlichen vermutlich noch für die jeweils eh ganz gute Arbeit.“

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