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Arbeit unter schwierigen Bedingungen

Mit der Unabhängigkeit von Frankreich 1960 ist die Elfenbeinküste (Cote d’Ivoire) zur unangefochtenen Kakaogroßmacht avanciert. Rasch nahm der Export von Kakaobohnen Fahrt auf, auch die wechselvollen Jahrzehnte danach konnten diese Ausrichtung nicht stoppen. Derzeit kommt ein Drittel der weltweit geernteten Kakaobohnen aus dem westafrikanischen Land. Eine unglaubliche Menge, besonders angesichts der Lage an Ort und Stelle.

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Seit jeher bewältigen Kleinbauern Anbau und Ernte der gigantischen Exportmenge von 1,5 Mio. Tonnen. In den meisten Fällen sind die Felder der einzelnen Bauern nicht größer als ein paar Hektar. Dazu kommen die schwierigen Rahmenbedingungen, unter denen die Bewirtschaftung stattfindet: Weite Teile der Gesellschaft sind von Armut betroffen und führen ein Leben mit einfachsten Mitteln.

Dorfeinwohner

ORF.at/Valentin Simettinger

Kakaobauern leben in einfachsten Verhältnissen - wie hier im Dorf Tiemokokro

Vielfach leben die Kakaobauern und ihre Familien in Dörfern ohne Trinkwasser bzw. Strom- und Gesundheitsversorgung. Ferner fehlt den Kleinbauern der Zugang zu Krediten, um etwa Ernten vorfinanzieren zu können oder einfach finanzielle Sicherheit zu haben.

Karte zeigt die Elfenbeinküste und Nachbarländer

Grafik: APA/ORF.at

Tiemokokro liegt nur wenige Kilometer von N’douci entfernt

Das wirkt sich umso drastischer aus, da Kakao in den meisten Fällen die einzige Einnahmequelle darstellt. Auf dem Markt tummeln sich korrupte Zwischenhändler, die den staatlich festgesetzten Mindestpreis für Kakao unterbieten.

Arbeit in Kooperativen

Organisiert sind die Kleinbauern oftmals in Kooperativen - eine Struktur, die ebenfalls in der Unabhängigkeit ihren Ursprung hat. Eine dieser landesweit organisierten Kooperativen ist Cooperative Agricole Nzrama de N’douci (CANN). Sie liegt etwa 120 Kilometer nordwestlich der Metropole Abidjan. Der Zusammenschluss entstand vor zehn Jahren, er zählt etwa 700 Mitglieder, beteiligt sind zwölf Dörfer.

Seit fünf Jahren arbeitet CANN mit der Initiative Fairtrade zusammen, die sich allem voran die Gewährung bzw. das Monitoring „fairer“ Arbeitsbedingungen auf die Fahnen heftet. Der Lokalaugenschein, der sich ORF.at bot, zeigte neben den Vorteilen dieser Kooperativenstruktur in finanzieller Hinsicht gleichzeitig auch die grundlegenden Schwierigkeiten für die Bauern auf.

Kakaobauern auf einem LKW

ORF.at/Valentin Simettinger

Arbeiter der Kooperative CANN warten auf ihren Einsatz auf den Plantagen

Dorf ohne Stromversorgung

Etwa im Dorf Tiemokokro, das nur über eine unbefestigte Straße erreicht werden kann. Was an trockenen Tagen funktioniert, kann in der Regenzeit zum Problem werden. Motorisiert ist in diesem Dorf aber ohnehin niemand, die Lehm- und Strohhütten, in denen die Bauern mit ihren Familien wohnen, sind vielfach nur mit Planen abgedeckt. Neben Kakao werden für den Eigenbedarf Maniok, Reis, Tomaten und Bananen angebaut. Zudem gibt es Hühner und Schafe, Fleisch wird allerdings nur sehr selten gegessen.

Akkuladestation für Handys

ORF.at/Valentin Simettinger

Einzige Stromquelle in Tiemokokro - nur hier kann man Handys aufladen

Strom gibt es auch in diesem Dorf nicht, was dem örtlichen Dienstleister für das Aufladen von Handys gutes Geld einbringt. „Ein Handy hat hier jeder“, erzählt Bauer Nestor Yao. Unübersehbar ist mitten im Dorf eine Vorrichtung aufgebaut, auf der Kakaobohnen in der Sonne trocknen. Und während die Bohnen bis zu eine Woche in der prallen Sonne liegen, werden die brauchbaren von den unbrauchbaren getrennt.

„Wünsche mir höhere Preise in Europa“

„Ich wünsche mir höhere Preise (für Schokolade, Anm.) in Europa, um die Mühen zu belohnen“, sagt Bauer Yao gegenüber ORF.at. Er erzählt von sehr anstrengender Arbeit und sehr hohen Risiken auf den Plantagen, etwa von giftigen Schlangen. Seit zweitältester Sohn - er gibt sein Alter mit 26 an - arbeitet auch auf der Plantage. „Wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich etwas anderes machen“, sagt dieser gegenüber ORF.at. Es sei sehr schwer, Arbeit zu finden.

Die jüngeren Kinder Yaos besuchen allesamt die örtliche Schule, die mit Hilfe von Fairtrade-Prämiengeldern instand gesetzt worden sei, wie es heißt. Das ist nicht selbstverständlich, schließlich wäre das in vielen anderen Dörfern in der Elfenbeinküste nicht möglich. Vielmehr ist das Gegenteil der Regelfall: Viele Kinder müssen auf den Plantagen arbeiten, schon Achtjährige tragen schwere Lasten. Die Nichtregierungsorganisation (NGO) Fraternite Sans Limites - sie kämpft gegen Kinderarbeit und wird von Fairtrade unterstützt - spricht davon, dass 72 Prozent der ivorischen Kinder schon einmal gearbeitet haben.

Körperliche und seelische Schäden

Schwere körperliche und seelische Schäden sind die Folge, trotz Gesetzesverschärfungen ist es eines der größten Probleme in Cote d’Ivoire. Nicht zuletzt wird dadurch ein Schulbesuch unmöglich - der Zugang zu Bildung und einem besseren Leben ist damit von vornherein ausgeschlossen. In Tiemokokro sei das anders, wie ORF.at auf Nachfrage versichert wird. Die dortige Schule sei mit Fairtrade-Prämien an die CANN-Kooperative instand gesetzt worden, und alle Kinder des Dorfes würden sie besuchen, wurde allseits betont.

Generell ist Armut unter den Bauern jedoch vielfach der Grund, warum Kinderarbeit in der Elfenbeinküste derart verbreitet ist. Mangelnde Investitionsmöglichkeiten in Plantagen sind Ursache für die Überalterung der Bäume. Ein großer Teil ist 20 bis 50 Jahre alt, diese Bäume können deutlich weniger Früchte tragen, und zudem sind sie viel anfälliger für Schädlinge. CANN bietet seinen Mitgliedern kostenlos neue Pflanzen an, die Gattung mit dem Namen „Mercedes“ ist dabei Programm: Deutlich schneller soll sie tragfähig ein.

Schild in einem Wald

ORF.at/Valentin Simettinger

Hinweis auf Klogang ausschließlich in der örtlichen Latrine

Doch auch das macht die Arbeit auf den Kakaoplantagen nicht weniger anstrengend: Allein Zucht und Pflege der sensiblen Pflanzen ist langwierig, im Normalfall dauert es mehrere Jahre, bis ein Baum Kakaofrüchte trägt. Werden die Jungpflanzen nach sechs Monaten Aufzucht auf die Plantagen gesetzt, müssen dazwischen Bananenbäume gepflanzt werden, die als Schattenspender dienen. Zwar ist das drückend schwüle Klima gut für die Entwicklung, direkte Sonneneinstrahlung allerdings nicht.

Ernte ist schwere Handarbeit

Wenn die Kakaobäume dann Früchte tragen, intensive Pflege und Schädlingsbekämpfung vorausgesetzt, beginnt die Ernte - und die ist harte Handarbeit, die bei vielen Bauern gesundheitliche Probleme verursacht. Sorgfältig müssen die Kakaofrüchte mit Pflückmessern von den Bäumen geholt werden. Danach geht es wiederum mit Handarbeit weiter. Die Früchte werden mit Macheten geöffnet, Fruchtfleisch wird von Bohnen getrennt.

Danach werden die Bohnen fermentiert: Mehrere Tage lang müssen die Bohnen zwischen Bananenblättern auf den Plantagen liegen, das begünstigt einerseits den nötigen Flüssigkeitsverlust, andererseits die Entfaltung der Aromastoffe und die Milderung des bitteren Geschmacks. Erst danach können die Bohnen in der Sonne getrocknet werden.

„Bekommen Klimawandel zu spüren“

Zwar verzeichnete man in Cote d’Ivoire im Vorjahr eine Rekordernte, heuer sieht es allerdings nicht so gut aus, wird gegenüber ORF.at mehrfach betont. „Wir bekommen den Klimawandel zu spüren“, betont der Chef der Kooperative, Kouadio Aka. „Im Juli und August (der großen Regenzeit, Anm.) hat es heuer kaum geregnet, jetzt (während der kleinen Regenzeit, Anm.) regnet es dafür zu viel“, erklärt auch Bauer Kouadio N’Drie gegenüber ORF.at.

Kakaobohnen trocknen an der Luft

ORF.at/Valentin Simettinger

Kaffeebohnen liegen zum Trocken in der Regel auf Freiflächen zwischen den Häusern

Auch neben ihm liegen Kakaobohnen zum Trocknen, in wenigen Tagen werden sie in Säcke gefüllt un in die CANN-Zentrale gebracht - nach der Qualitätskontrolle werden sie dann dem Nahrungsmittelriesen Cagrill verkauft. Selbst exportieren kann CANN nicht, eine Exportlizenz kostet 40.000 Euro. Der Verkaufspreis ist staatlich festgelegt und beträgt 1.000 CFA-Francs (etwa 1,5 Euro) pro Kilogramm. Die Kooperative bekommt pro Kilo zusätzlich noch 88 CFA-Francs (etwa 13 Cent) Prämie. Auch eine Fairtrade-Prämie gibt es - sie beträgt 200 US-Dollar pro Tonne.

„Wir finden genügend Nachfolger“

Wie der Chef der Kooperative betont, hätte man aber gern mehr. „Wir wollen 125 CFA-Francs“, so Aka, dann könne man den Bauern mehr Geld weitergeben. Gleichzeitig hebt er die Vorteile für die Bauern durch die Kooperativenstruktur unter der Fairtrade-Lizensierung hervor. „Bei uns werden die Bauern gut ausgebildet“, das sei nicht selbstverständlich, schließlich seien viele Bauern nicht dazu bereit. „Auch der korrekte Umgang mit Düngemitteln und Krankheiten ist ein großes Thema“, betont er.

Dass es einen Mangel an Jungbauern gebe, will Aka nicht bestätigen. „Wir finden genügend Nachfolger“, erklärt er. Ein Blick auf das Durchschnittsalter der Kakaobauern stellt die Situation allerdings anders dar: In Westafrika beträgt es 51 Jahre, die Lebenserwartung in Cote d’Ivoire geht über 60 Jahre nicht hinaus. Eine rasche Veränderung ist nicht in Sicht: Junge Menschen sehen im Kakaoanbau meist keine Zukunft und wandern in die größeren Städte ab. Und das selbst dann, wenn sie keine finanziellen Mittel und keine Schulbildung haben.

Valentin Simettinger, ORF.at

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