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Haft ohne Richterbeschluss nun erlaubt

Nach den Pariser Anschlägen mit 130 Toten hat Frankreich die Europäische Menschenrechtskonvention teilweise ausgesetzt. Davon habe die Pariser Regierung den Generalsekretär des Europarats, Thorbjörn Jagland, in Kenntnis gesetzt, teilte ein Sprecher der paneuropäischen Staatenorganisation am Mittwoch mit. Einzelheiten über die ausgesetzten Artikel wurden zunächst nicht bekanntgegeben.

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Frankreich begründet die Maßnahme mit dem nach den Anschlägen vom 13. November ausgerufenen Ausnahmezustand, der mittlerweile auf drei Monate verlängert wurde. Dabei beruft sich die Pariser Linksregierung auf Artikel 15 der Konvention.

Demnach können Unterzeichner der Konvention von den darin enthaltenen Verpflichtungen „abweichen“, wenn „das Leben der Nation durch Krieg oder einen anderen öffentlichen Notstand bedroht“ wird und die Lage im Land das „unbedingt erfordert“. Ausgenommen ist davon allerdings das Folterverbot, das unter keinen Umständen ausgesetzt werden darf.

EGMR muss im Einzelfall prüfen

Unter Berufung auf Artikel 15 könnte Frankreich beispielsweise die Inhaftierung eines Verdächtigen ohne richterlichen Beschluss rechtfertigen. Dem Sprecher des Europarats zufolge ist es Aufgabe des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu prüfen, ob die Aussetzung eines Artikels im Einzelfall berechtigt ist oder nicht.

Der Ausnahmezustand ermöglicht in Frankreich unter anderem Ausgangssperren, Wohnungsdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss auch in der Nacht und Hausarrest für Menschen, deren „Aktivität“ sich als „gefährlich für die Sicherheit und die öffentliche Ordnung erweist“. Außerdem können Versammlungsverbote verhängt und Konzertsäle und Kinos geschlossen werden.

Artikel 15 immer wieder ausgesetzt

Von Artikel 15 der Menschenrechtskonvention haben in der Vergangenheit bereits andere Mitgliedsstaaten des Europarats Gebrauch gemacht, die nach regionalen Unruhen und Konflikten vorübergehend einen Ausnahmezustand ausgerufen hatten - etwa die Türkei (1990), Georgien (2006) und Armenien (2008).

„Spiegel“: Attentäter benutzte „Blankopass“

Einer der drei Selbstmordattentäter von Paris hat offensichtlich einen von der Dschihadistenorganisation Islamischer Staat (IS) erbeuteten syrischen „Blankopass“ benutzt. Das berichtete der „Spiegel“ (Onlineausgabe) am Mittwoch unter Berufung auf Ermittlungen französischer Sicherheitsbehörden. Weiter hieß es, die deutsche Bundespolizei habe bereits im Frühjahr in einer internen Warnung auf ein solches Risiko hingewiesen.

Bei dem Attentäter handelt es sich dem Bericht zufolge um einen der Männer, die sich am 13. November am Fußballstadion Stade de France in die Luft sprengten. Sein Pass sei einem von 1.452 durch den IS im syrischen al-Rakka erbeuteten Ausweisdokumenten zugeordnet worden. Der Ausweis sei auf den Namen Mohammad al-Mahmod ausgestellt worden.

Auch der zweite am Fußballstadion entdeckte Pass mit dem Namen Ahmad al-Mohammad gehört einem Syrer, dieser stammt jedoch von einem getöteten Soldaten der Regierungstruppen von Baschar al-Assad. Beide Attentäter reisten demnach über die griechische Insel Leros in die Europäische Union ein; ihre echte Identität ist bisher nicht geklärt.

Hollande: Franzosen sollen Häuser beflaggen

Frankreichs Staatschef Francois Hollande hat seine Landsleute unterdessen aufgerufen, ihre Häuser während einer Trauerfeier für die 130 Todesopfer der Anschläge von Paris mit französischen Flaggen zu schmücken. So könne jeder Franzose an der Gedenkfeier am kommenden Freitag „teilnehmen“ und die Opfer würdigen, sagte Hollande am Mittwoch nach Angaben eines Sprechers bei einer Kabinettssitzung.

Zu der Zeremonie im historischen Gebäudekomplex Hotel des Invalides seien alle Familien der Todesopfer und der Verletzten eingeladen, erwartet würden „mehr als tausend Menschen“. Es solle aber „jeder auf die eine oder andere Art an diesem Ereignis teilnehmen können“, sagte Hollande. Häuserfassaden mit der blau-weiß-roten französischen Nationalflagge zu schmücken sei eine Möglichkeit.

Mit der nationalen Gedenkzeremonie nimmt Frankreich am Freitag, zwei Wochen nach den tödlichsten Anschlägen in der Geschichte des Landes, Abschied von den Todesopfern.

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