„Wir nehmen das sehr ernst“
Nach der britischen Regierung hat auch US-Präsident Barack Obama einen Bombenanschlag als mögliche Ursache für den Absturz des russischen Passagierflugzeugs auf der Sinai-Halbinsel nicht ausgeschlossen: „Ich denke, es gibt eine Möglichkeit, dass eine Bombe an Bord war. Und wir nehmen das sehr ernst.“
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Obama blieb in seiner Einschätzung am Donnerstagabend in einem Interview des Rundfunksenders Kiro/CBS aber deutlich vorsichtiger als die britische Regierung. Premierminister David Cameron hatte zuvor gesagt, es sei „mehr als wahrscheinlich“, dass der Airbus von einer Bombe zerstört worden sei. Cameron berief sich auf „Geheimdienstinformationen“.

Reuters/Mohamed Abd El Ghany
Ermittler untersuchen Wrackteile
Die britische Regierung entsandte Militärspezialisten zum Flughafen von Scharm al-Scheich, um die Sicherheitskräfte dort zu unterstützen. „Es gibt ein eindeutiges Gefühl, dass es ein Sprengkörper war, der im Gepäck oder anderswo im Flugzeug versteckt wurde“, zitierte der Sender CNN am Donnerstag einen namentlich nicht genannten Vertreter der US-Regierung. Es gebe aber keine belastbaren oder bestätigten Geheimdienstberichte für eine spezifische Bedrohung vor dem Absturz. Die US-Geheimdienste seien noch zu keinem Ergebnis gekommen.
„Times“: Agenten hörten IS-Extremisten ab
Ein gemeinsamer Einsatz britischer Agenten und ihrer US-Kollegen brachte indes nach Informationen der Zeitung „The Times“ die Erkenntnisse, die auf eine Bombe als Ursache schließen lassen. Die Agenten hätten Satelliten eingesetzt, um die elektronische Kommunikation zwischen Extremisten der Organisation Islamischer Staat (IS) in Syrien und in Ägypten abzufangen, berichtet die Zeitung (Freitag-Ausgabe).
„Der Ton und der Inhalt der Mitteilungen überzeugten die Experten, dass eine Bombe von einem Passagier oder von einem Mitglied des Flughafenpersonals an Bord gebracht wurde“, hieß es in dem Bericht, der keine Quellen für seine Informationen nennt. Laut BBC erhielt die britische Regierung Hinweise darauf, dass eine Bombe im Frachtraum war.
Kairo und Moskau bezweifeln IS-Anschlag
Der russische Airbus A321 war Samstagfrüh kurz nach dem Start in Scharm al-Scheich auf dem Weg nach St. Petersburg über der Sinai-Halbinsel abgestürzt. Alle 224 Insassen, großteils russische Urlauber, starben. Nach Angaben russischer Ermittler brach die Chartermaschine der russischen Fluggesellschaft Kogalimawija, die unter dem Namen Metrojet fliegt, in der Luft auseinander.
Über die Ursache des Absturzes werden seither die verschiedensten Vermutungen angestellt. Der ägyptische IS-Ableger hatte am Mittwoch erneut erklärt, er habe die Maschine zum Absturz gebracht. Ägyptische und russische Behörden bezweifeln das. Sie weisen darauf hin, dass der IS auf der Sinai-Halbinsel nicht über entsprechende Waffen verfüge.
„Kommersant“: Keine Fortschritte durch Auswertung
Die Auswertung des Flugschreibers soll Moskauer Medien zufolge nicht die erhofften Fortschritte gebracht haben. Die Aufzeichnungen hätten gezeigt, dass alle Systeme des Airbus A321 bis zum „Ereignis“ intakt gewesen seien, sagte ein namentlich nicht genannter Experte der russischen Tageszeitung „Kommersant“ (Freitag-Ausgabe). Etwa 20 Minuten nach dem Start sei die Aufzeichnung abrupt abgebrochen. Möglicherweise seien bei der Abtrennung des Hecks alle Kabel abgerissen worden, die die „black box“ mit Sensoren verbinden.
Fraglich sei, ob der Stimmenrekorder hilfreicher sein könne, sagte der Experte. Falls das Flugzeug der sibirischen Gesellschaft Kogalimawija in wenigen Sekunden zerstört worden sei, hätten die Piloten vermutlich nicht reagieren können. Zudem sei der Stimmenrekorder am Absturzort beschädigt geborgen worden. Das Abhören könne daher länger dauern.
TV: USA fordern schärfere Kontrollen an Flughäfen
Die USA drängen einem Medienbericht zufolge auf strengere Sicherheitskontrollen an ausländischen Flughäfen. Betroffen seien einige Flughäfen mit direkten Verbindungen in die USA, berichtete der Sender ABC am Donnerstag. Das Heimatschutzministerium erwäge auch, die Gepäckkontrollen an US-Flughäfen zu verschärfen, meldete der Sender unter Berufung auf Luftfahrt- und Regierungsvertreter weiter.

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/BBC/Flightradar24
Touristen verlassen Ägypten mit Handgepäck
Großbritannien hatte wegen des Verdachts, im ägyptischen Badeort Scharm al-Scheich sei ein Sprengsatz an Bord der Maschine geschmuggelt worden, am Mittwoch alle Flüge dorthin gestoppt. Ab Freitag, nach einer Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen, sollen die bis zu 20.000 festsitzenden britischen Touristen zurückgeholt werden. Der Großteil kann voraussichtlich am Freitag in die Heimat zurückkehren.
Mehrere Flugzeuge würden in den Badeort am Roten Meer fliegen, um sie abzuholen, sagte Verkehrsminister Patrick McLoughlin der BBC. Deutlich über 20 Flüge seien geplant. Die Urlauber müssen zunächst ihr Gepäck zurücklassen und dürfen nur Handgepäck mitnehmen. Das Gepäck soll nachgeliefert werden.
Lufthansa umfliegt Sinai weiterhin
Belgien rät unterdessen von Reisen nach Scharm al-Scheich ab. Es gebe keine ausreichenden Garantien für die Sicherheitskontrollen auf dem dortigen Flughafen, sagte Außenminister Didier Reynders. „Wir kennen noch nicht die Ergebnisse der Untersuchung“, sagte der Minister. Die belgische Gesellschaft Jetair kündigte an, drei Maschinen nach Scharm al-Scheich zu schicken. Auch sie nimmt allerdings ihre Passagiere nur mit Handgepäck an Bord.
Das französische Außenministerium riet den Bürgern ebenfalls davon ab, nach Scharm al-Scheich zu reisen, wenn es nicht unbedingt nötig ist. Die Fluggesellschaften des Lufthansa-Konzerns fliegen bis auf Weiteres die Sinai-Halbinsel nicht mehr an. Die ägyptische Hauptstadt Kairo werde weiterhin angeflogen und sei von diesen Maßnahmen nicht betroffen, betonte die Lufthansa. Bereits seit Samstag umfliegen die Fluggesellschaften des Konzerns den Sinai.
Auch Irland stoppte vorerst den Start von Flugzeugen in Scharm al-Scheich. Irische Fluggesellschaften hätten entsprechende Anweisungen erhalten, hieß es von der irischen Luftfahrtaufsicht (IAA). Die niederländischen Fluggesellschaften fliegen bis Sonntag ebenfalls nicht mehr die ägyptische Urlaubsregion an.
Außenministerium: Partielle Reisewarnung
Die österreichische Botschaft in Kairo evaluiere stündlich die Situation. Das sagte Thomas Schnöll, Sprecher des Außenministeriums, am Donnerstag in Wien. Für Ägypten bestehen bereits partielle Reisewarnungen. Vor Reisen in den Nordsinai und in das Sahara-Gebiet wird ausdrücklich gewarnt. Für den Südsinai, eben für Scharm al-Scheich und Umgebung, besteht ein erhöhtes Sicherheitsrisiko. Man solle in den Tourismuszonen bleiben, sich an Hinweise der Hotels und Reiseveranstalter halten und nur bei bekannten Reiseveranstaltern buchen.
Schnöll empfahl generell, auf der Website des Außenministeriums eine Reiseregistrierung vorzunehmen. Das Ministerium weiß dadurch, wer in Krisengebiete fliegt. Reisende wiederum erhalten von der Botschaft eine SMS mit allen Kontaktdaten. Derzeit fliegen keine österreichischen Linien nach Scharm al-Scheich. Die AUA habe die Destination im März 2014 aus wirtschaftlichen Gründen aus dem Angebot genommen, sagte ein Sprecher.
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