Sinai-Absturz könnte Putin zusetzen
Auf Russlands Präsidenten Wladimir Putin könnten wegen des Absturzes einer russischen Passagiermaschine auf dem Sinai mit 224 Toten innen- und außenpolitisch schwere Zeiten zukommen. Sollte sich bewahrheiten, dass der Jet „womöglich durch einen Sprengsatz zum Absturz gebracht wurde“, wie die britische Regierung glaubt, könnte die Katastrophe Putin zusetzen und den russischen Syrien-Einsatz infrage stellen.
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Der Kreml und auch die ägyptische Regierung weisen die Möglichkeit eines Bombenanschlags allerdings als „Spekulation“ zurück. Der britische „Independent“ spekuliert indes, welche innen- und außenpolitischen Konsequenzen ein Anschlag durch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bzw. eine mit ihr zusammenarbeitende dschihadistische Terrorgruppe auf dem Sinai auf Putin und seine Syrien-Politik haben könnte. Seit geraumer Zeit attackiert die russische Luftwaffe in Syrien den IS und auch andere Rebellengruppen, die gegen das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad kämpfen.
Angst vor IS-Anschlägen in Russland
Der Anschlag käme nur einen Monat, nachdem die russischen Luftschläge begonnen haben. Damals sagte Putin, dass der IS eine direkte Bedrohung für Russland sei, und sprach auch über die Möglichkeit von Vergeltungsanschlägen durch die Terrorgruppe. Die Angst vor Anschlägen von IS-Anhängern auf Ziele in Russland waren offiziell ein wichtiger Grund für das militärische Eingreifen Moskaus in den Syrien-Konflikt. Mit Schrecken erinnern sich viele Russen an die blutigen Anschläge islamistischer Tschetschenen Anfang des Jahrtausends, etwa den Angriff auf das Dubrowka-Theater in Moskau und die Geiselnahme von Beslan in Nordossetien.
Schock für russische Bürger
Bisher verhielten sich der Kreml sowie die russischen Medien in Sachen möglicher Anschlag auf das Passagierflugzeug mehr als zurückhaltend, wie der „Independent“ schreibt. Sollte eine Bombenexplosion als Absturzursache bestätigt werden, könnte das einen schweren innenpolitischen Dämpfer für die Großmachtpolitik Putins bedeuten.
Ein Anschlag würde für den normalen russischen Bürger das Chaos im Nahen Osten von einer entfernten Schlagzeile in den Medien zu einer schmerzlichen Realität werden lassen, wie der „Independent“ schreibt. Das würde Putin innenpolitisch schaden, die Unterstützung für den Syrien-Einsatz würde schwinden.
Großmachtpolitik ade?
Putin befindet sich dank seiner nationalitischen Politik - Stichwort Ukraine - seit gut zwei Jahren in einem innenpolitischen Hoch. Die Besetzung und Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim ist der erste Gebietszugewinn zu Russland seit dem Zerfall der Sowietunion Anfang der 90er Jahre. Auch das Festhalten an Assad hat ähnliche Hintergründe: Assads Syrien ist die einzige direkte russische Einflusszone am Mittelmeer. Syrien anderen Ländern zu überlassen käme ebenfalls einer innenpolitischen Schwächung Putins gleich.
Sollte es tatsächlich eine Bombe gewesen sein, hätte Putin zwei Möglichkeiten, so der „Independent“. Er könnte härter gegen den IS in Syrien vorgehen und auch vermehrt Anti-Terror-Maßnahmen in Russland ergreifen. Damit könnte er erneut gestärkt aus der sich möglicherweise anbahnenden Krise hervorgehen.
Absturz zur Chefsache erklärt
Putin hatte bereits kurz nach dem Absturz der Passagiermaschine am Samstag die Bildung einer staatlichen Untersuchungskommission angeordnet. Die Leitung übernehme Regierungschef Dimitri Medwedew, teilte der Kreml in Moskau am Samstag mit. Putin ordnete zudem sofortige Hilfe für die Angehörigen der Opfer an und sprach ihnen sein Beileid aus.
Er nannte den Absturz am Montag in seinem ersten öffentlichen Auftritt seit dem Absturz eine „gewaltige Tragödie“. Israelische Medien hatten bereits am Samstag berichtet, bei dem Absturz könnte der IS seine Hände im Spiel gehabt haben.
Bisher fast 90 Prozent Zustimmung
Die russischen Luftangriffe in Syrien bescherten Putin bisher einen Umfragehöhenflug. In einer Umfrage von Ende Oktober erreichte er einen Rekordwert - trotz der schweren Wirtschaftskrise im Land. 89,9 Prozent der Befragten seien derzeit mit dem Kurs des Präsidenten einverstanden, teilte das staatliche Meinungsforschungsinstitut Wziom Ende Oktober in Moskau mit.
Der bisherige Spitzenwert lag im Juni bei 89,1 Prozent. Die Meinungsforscher führen die Entwicklung vor allem auf das Engagement des Landes in Syrien zurück. Russland fliegt seit dem 30. September Angriffe in dem Bürgerkriegsland. Im Inneren machen der niedrige Ölpreis und westliche Sanktionen dem Land aber schwer zu schaffen.
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