Treffen auch mit Erdogan
Für mehr Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise hat die deutsche Kanzlerin Angela Merkel der Türkei Visaerleichterung, Finanzhilfen sowie ein höheres Tempo im EU-Beitrittsprozess in Aussicht gestellt. Im Gegenzug erwarte sie eine schnellere Einführung des Rückübernahmeabkommens durch die Türkei, sagte sie am Sonntag nach einem Treffen mit dem türkischen Premier Ahmet Davutoglu in Istanbul.
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Die Türkei ist das wichtigste Transitland für Flüchtlinge auf dem Weg in die EU. Türkische Bürger selbst brauchen für die Einreise in den Schengen-Raum in der Regel ein Visum. Die EU und die Türkei initiierten Ende 2013 einen „Dialog zur Visaliberalisierung“. Die Türkei soll im Gegenzug illegal in die EU eingereiste Menschen wieder aufnehmen.
Weitere Kapitel im EU-Beitrittsprozess
„Die Türkei möchte zusätzliches Geld, und das verstehe ich auch“, sagte Merkel. Deutschland werde seinen Beitrag dazu leisten. Die Kanzlerin sprach sich zudem für die Eröffnung weiterer Kapitel im EU-Beitrittsprozess der Türkei aus. Sie nannte die Bereiche Wirtschaft und Justiz. Über eine Einstufung der Türkei als sicheres Herkunftsland habe sie mit Davutoglu am Sonntag nicht gesprochen, hieß es.
Davutoglu sagte, er hoffe, dass die visafreie Einreise für Türken in den Schengen-Raum und das Rückführungsabkommen für Angehörige von Drittstaaten im Juli 2016 gemeinsam in Kraft treten. Er hoffe außerdem, dass die „eingefrorenen“ Verhandlungen zum EU-Beitritt durch die Eröffnung neuer Kapitel nun wieder in Gang kommen.
Ankara soll Versöhnung mit Kurden vorantreiben
Die Türkei hat nach offiziellen Angaben aus Ankara 2,5 Millionen Schutzsuchende alleine aus Syrien und dem Irak aufgenommen. Ankara hat drei Milliarden Euro für die Versorgung der Menschen im Land gefordert - dreimal so viel wie von der EU bisher angeboten.
Merkel äußerte bei einer Pressekonferenz mit Davutoglu zudem den Wunsch, die türkische Regierung möge nach der bevorstehenden Parlamentswahl die Versöhnung mit den Kurden anstreben. Vor Wochen ist der Konflikt mit der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) offen ausgebrochen. Seitdem bekämpfen sich türkisches Militär und Kurdenmilizen im Grenzgebiet.
Treffen mit Erdogan
Auf dem Programm Merkels in Istanbul stand auch ein Treffen mit Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Er bat um die Unterstützung Deutschlands im EU-Beitrittsprozess. Nach dem Treffen zeigte sich Merkel optimistisch hinsichtlich einer Lastenteilung in der Flüchtlingskrise.

APTN
Auch Erdogan richtete einige Wünsche an seinen Gast
Beide Seiten hätten festgestellt, dass es im beiderseitigen Interesse sei, die Flüchtlingsbewegungen so zu bewältigen, „dass wir legale Möglichkeiten finden, aber auch bessere Möglichkeiten der Lastenteilung mit der Türkei“, sagte Merkel nach den Treffen. Die Gespräche seien „sinnvoll“ und „erfolgreich“ gewesen. Beide Seiten teilten intensives Interesse am Kampf gegen den Terror und an einer politischen Lösung des Syrien-Konflikts.
Kritik von deutscher Opposition
Gespräche mit Oppositionsvertretern waren nicht vorgesehen. Kritiker warfen Merkel vor, Erdogan und die islamisch-konservative Regierungspartei AKP mit dem Besuch zwei Wochen vor der Parlamentswahl aufzuwerten.
Kritik kam indessen aus Berlin: Der Chef der deutschen Grünen, Cem Özdemir, hielt Merkel Wahlkampfhilfe für Erdogan vor. „Ich will keine deutsche Bundeskanzlerin, die Wahlkampf macht für einen autoritären Herrscher“, sagte Özdemir am Samstag auf einem Parteitag der bayerischen Grünen in Bad Windsheim. „Erdogan ist doch nicht die Lösung der Probleme, sondern Erdogan ist eine personifizierte Fluchtursache durch die Politik, für die er steht.“
Merkel verteidigt Reise
Merkel selbst verteidigte ihre Reise. „Europa kann seine Außengrenze nicht allein schützen, wenn wir nicht auch ein Abkommen mit der Türkei schließen“, sagte Merkel am Samstag auf einem Kreisparteitag der CDU in ihrem Wahlkreis. Die deutsche Kanzlerin kündigte vor dem Besuch an, auch das Thema Menschenrechte werde eine Rolle spielen.
Es ist Merkels erster Besuch in der Türkei seit Februar 2013. Im Sommer 2013 hatte Erdogan - damals als Ministerpräsident - die regierungskritischen Gezi-Proteste niederschlagen lassen. Er ist wegen seines autokratischen Herrschaftsstils im Westen zunehmend isoliert.
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