Themenüberblick

Staatliche Vorgaben „zu unpräzise“

Der britisch-niederländische Ölkonzern Shell stoppt seine umstrittenen Erkundungen in der Arktis vor der Küste Alaskas. Man wolle in „absehbarer Zeit“ die Suche nach Öl in der Tschuktschensee beenden, so der Ölriese. Das Bohrloch werde versiegelt, weitere Aktivitäten in der Region seien mittelfristig nicht geplant

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Als Gründe nannte Shell kürzlich mangelnden Erfolg und zu hohe Kosten. Der Stopp bringe finanzielle Belastungen in Milliardenhöhe mit sich, wie das Unternehmen in London mitteilte. Zudem seien die staatlichen Vorgaben herausfordernd und unpräzise.

Arktis

Reuters

Die Umweltbedingungen in der Arktis sind harsch

Die finanziellen Belastungen für den Stopp bezifferte Shell auf etwa drei Milliarden Dollar bezogen auf den Buchwert des Projekts. Weitere 1,1 Milliarden Dollar dürften für zukünftige Vertragsverpflichtungen anfallen. Shell hat bisher rund sieben Milliarden Dollar für Bohrungen in der Arktis investiert. Insgesamt gebe es weiter Potenzial für Ölvorkommen in der Region, die letztlich für Alaska und die USA strategisch wichtig werden dürfte, teilte der Konzern mit.

Bis in 2.000 Meter vorgedrungen

Shell hatte erst im Juli mit Bohrungen nach Öl und Gas begonnen. Das Areal „Burger J“ liegt in der Tschuktschensee, rund 240 Kilometer vom nächstgelegenen Ort in Alaska entfernt. Shell drang nach eigenen Angaben in eine Tiefe von gut 2.000 Metern vor. Zwar seien dabei „Hinweise auf Öl und Gas“ gefunden worden, doch seien diese „nicht ausreichend, um eine weitere Erschließung zu rechtfertigen“.

Lage der Bohrstelle "Burger J"

Grafik: APA/ORF.at

Weitere Details will das Unternehmen bei Vorlage der Zahlen zum dritten Quartal bekanntgeben. Das Bohren nach Öl und Gas in Alaska ist sehr umstritten. US-Präsident Barack Obama hatte die Bohrungen im Mai erlaubt - und damit heftigen Protest von Umweltschützern ausgelöst. Greenpeace sprach von einem „schrecklichen Fehler“, da das Projekt das fragile Ökosystem der Arktis bedrohe. Ein Austritt von Öl könne eine Umweltkatastrophe für die Region bedeuten.

Hillary Clinton aufseiten der Gegner

Obama verteidigte die Entscheidung im August. Zwar werde der Umstieg auf erneuerbare Energien beschleunigt, doch vorerst müsse sich die US-Wirtschaft noch auf Öl und Gas stützen. Mitte August hatte sich auch die demokratische Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton gegen die Probebohrungen ausgesprochen. Sie nannte die Arktis im August einen „einzigartigen Schatz“ - das Risiko der Bohrungen in der Region sei zu groß. Auch NGOs protestierten regelmäßig gegen die Probebohrungen. Erst am Samstag hatte die Umweltschutzorganisation Greenpeace in mehr als 40 deutschen Städten gegen die Ölbohrungen von Shell in der Arktis protestiert. Dementsprechend positiv fiel auch die Reaktion der NGO aus.

Ölkonzerne unter Kostendruck

„Mit der Entscheidung von Shell bekommt die Arktis eine Verschnaufpause“, sagte Arktissprecher Lukas Meus von Greenpeace Österreich. Mehr als sieben Millionen Menschen weltweit hätten sich bisher für den Schutz der Arktis eingesetzt. Die Entscheidung von Shell zum Rückzug sei auch ihnen zu verdanken, so Meus in einer Aussendung.

Wegen des gesunkenen Ölpreises wird es für große Ölkonzerne zunehmend unattraktiver und kostspieliger, neue Gebiete zu erschließen. Die Ölmultis steuern mit Einsparungen gegen. Den Abbau von Arbeitsplätzen oder Investitionskürzungen hatten zuletzt neben Shell BP auch Total und Chevron angekündigt. Allein Shell will 6.500 seiner knapp 100.000 Jobs streichen, im vergangenen Quartal war der Nettogewinn um 37 Prozent eingebrochen.

Shell zuvor auf einsamen Pfaden

Andere Ölbohrunternehmen hatten sich von den schwierigen Umweltfaktoren für Bohrprojekte in der Arktis bisher abschrecken lassen. Shell selbst musste sein Ölbohrprogramm dort bereits 2012 nach einer Reihe von Pannen unterbrechen. So verlor das Unternehmen etwa die Kontrolle über eine ganze Ölplattform. Die Küstenwache musste 18 Arbeiter in Sicherheit bringen. Die ursprüngliche Genehmigung für Bohrungen in der Tschuktschensee hatte Shell bereits unter der Regierung von US-Präsident George W. Bush bekommen. Die jüngste Genehmigung hatte das US-Innenministerium bzw. das Weiße Haus als Letztverantwortlicher mit Auflagen erteilt.

Obama-Politik mit doppeltem Boden

Mit eindringlichen Worten hatte allerdings US-Präsident Barack Obama nach der Bewilligung für Bohrungen bei seinem Besuch in Alaska Anfang September zu größeren Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel aufgerufen. „Wir werden unsere Kinder zu einem Planeten verdammen, der jenseits ihrer Reparaturfähigkeiten liegt“, sagte Obama bei einer Konferenz in Anchorage. Es drohten „versunkene Länder, verlassene Städte“, ausbleibende Ernten, Lebensmittelknappheit, Flüchtlingsströme und Konflikte.

US-Präsident Barack Obama hält einen Fisch in der Hand

APA/AP/Andrew Harnik

Obama ist der erste US-Präsident, der nördlich des Polarkreises reiste

Obama war als erster US-Präsident in der Geschichte zuvor in das Gebiet nördlich des Polarkreises gereist. „Es gibt eine Sache, die noch nie ein US-Präsident gemacht hat - und zwar nördlich des Polarkreises zu reisen“, sagte Obama vor Einwohnern des kleinen Ortes Kotzebue in Alaska. „Ich könnte kaum stolzer sein, dass ich der Erste bin.“

Druck aus Europa

Die Teilnehmer der UNO-Klimakonferenz im Dezember in Paris rief Obama auf, sich auf eine Vereinbarung zum Schutz der Erde zu einigen. „Wir handeln nicht schnell genug“, sagte er. Die USA seien sich ihrer Verantwortung als weltgrößte Wirtschaftsmacht und zweitgrößter Schadstoffemittent bewusst. Der Klimawandel sei nicht mehr ein weit entfernt liegendes Problem, sondern vollziehe sich hier und jetzt.

Kurz zuvor hatten Außenminister und andere Vertreter aus Deutschland, Großbritannien, Italien, Frankreich, Spanien, den Niederlanden, Polen, Japan, Südkorea, Singapur und der Europäischen Union schnelle Maßnahmen versprochen. Sie wollten „sofort handeln, um das Tempo der Erwärmung in der Arktis zu stoppen“, hieß es in der gemeinsamen Stellungnahme der zehn Länder und der EU. Die Warnungen von Wissenschaftler würden ernst genommen.

Bohrungen für Obama kein Thema

„Diejenigen, die die Wissenschaft ignorieren wollen, stehen zunehmend allein da“, sagte Obama. „Sie stehen auf ihrer eigenen schrumpfenden Insel.“ Die Öl- und Gasvorkommen in der Arktis sind sehr begehrt. Dieses Thema habe Obama bei seiner Rede ausgespart, bemerkte Greenpeace. Dem wachsenden Einfluss Russlands in den strategisch wichtigen arktischen Gewässern wollen die USA mit mehr Eisbrechern entegegentreten. Russland hat derzeit 40 Eisbrecher, elf weitere sind geplant oder befinden sich im Bau. Für die USA sind derzeit nur zwei Eisbrecher im Einsatz. Die neuen Schiffe sollten US-Interessen und natürliche Ressourcen schützen, hieß es in einer Mitteilung des Weißen Hauses.

Links: