„Jeder Einzelne muss Beitrag leisten“
„Ich bin stolz auf euch, ich bin stolz auf Wien, ich bin stolz auf Österreich“: Bundespräsident Heinz Fischer hat sich am Samstagabend bei dem von über 100.000 Menschen besuchten Konzert „Voices for Refugees“ von der Solidaritätsbekundung für Flüchtlinge „überwältigt“ gezeigt. Die Veranstaltung spreche eine „deutliche Sprache“, so Fischer, der in seiner Rede auch mahnende Worte fand.
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Unter dem Beifall des Publikums forderte Fischer, dass jeder Einzelne einen Beitrag leisten müsse: „Das ist notwendig.“ Deutliche Worte richtete Fischer aber auch gegen all jene, die mit der Flüchtlingskrise versuchen, Profit zu schlagen. „Ich sage es mit aller Deutlichkeit: Ich wende mich nicht von denen ab, die Sorgen und Ängste haben“, betonte Fischer. „Aber ich wende mich von denen ab, die aus der Not der Flüchtlinge ein Geschäft machen, sei es ein wirtschaftliches oder politisches.“ Außer Frage stellte Fischer zudem, dass „alle Staaten der europäischen Gemeinschaft etwas beitragen“ müssten.
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Fischer zeigte sich „überwältigt“, fand aber auch mahnende Worte
„Einen so großen Platz zu füllen kann auch schiefgehen, aber wenn es um eine gute Sache geht, dann funktioniert es“, sagte Fischer. Etwas Vergleichbares habe es „jahrelang, vielleicht seit Jahrzehnten nicht gegeben“. Ähnlich die Reaktion in Sozialen Medien, wo bereits Vergleiche mit dem Lichtermeer gezogen wurden, bei dem am 23. Jänner 1993 geschätzte 250.000 bis 300.000 Menschen aus Protest gegen das „Österreich zuerst“-Volksbegehren auf die Straße gingen.
Polizei: Bis zu 120.000 Menschen
Nachdem im Vorfeld noch mit rund 50.000 Menschen gerechnet wurde, war angesichts der Bilder vom gefüllten Heldenplatz und mit Verweis auf Angaben der Veranstalter schon bald von über 100.000 die Rede. Polizeisprecher Christoph Pölzl bestätigte am späten Abend diese Angaben und sprach sogar von bis zu 120.000 Menschen. Zuvor hatte die Polizei von 30.000 Menschen vor der Bühne und einem ständigen Zu- und Abstrom berichtet. Nach einer ersten Bilanz lief die Kundgebung ohne große Zwischenfälle ab.
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Über 100.000 Menschen kamen auf den Wiener Heldenplatz
„Grüße aus München“ von Konstantin Wecker
Vor der Rede Fischers standen unter anderen Maschek, Christoph & Lollo, Tagträumer und Kreisky auf der Bühne. Stürmischen Beifall erntete zudem Konstatin Wecker, der seinen Auftritt mit „Sage Nein!“ begann. Der deutsche Liedermacher richtete „Grüße aus München“ aus, „wo sich zwar nicht so viele wie hier, aber Tausende gegen die Orbanisierung Münchens wehren“.
„Wir versuchen, unsere Stimme für jene zu erheben, denen nicht oder zu wenig zugehört wird“, sagte Conchita Wurst, bei deren Auftritt es auch „Heroes“ und „Put That Fire Out“ zu hören gab. Anja Plaschg alias Soap & Skin sang dann unter anderem auch ein Lied in syrischem und kurdischem Dialekt. Tagträumer appellierten an das Publikum: „Glaubt an das Gute.“
„Eine gerechtere Welt ist möglich“
Zwischen den Musikbeiträgen standen immer wieder Redner auf der Bühne, darunter die Journalistin Susanne Scholl, Schauspieler Harald Krassnitzer und Erich Fenninger von der Volkshilfe. „Ein gerechtere Welt ist möglich“, sagte Fenninger, der auch daran erinnerte, dass viele „anstrengende Wochen der Hilfe“, aber „auch der erfreulichen Momente“ hinter sich haben.
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Auch Stunden nach dem Beginn der Veranstaltung kamen immer wieder neue Besucher auf den Heldenplatz
Der Heldenplatz als Ort der musikalischen Kundgebung sei „nicht zufällig gewählt“, so der Direktor der Volkshilfe, die das Konzert veranstaltete. Man werde es nicht zulassen, dass sich die Fehler der Vergangenheit wiederholen. „Massenelend hat schon einmal zum Faschismus geführt, das werden wir zu verhindern wissen“, sagte Fenninger unter dem Beifall der Anwesenden weiter.
„Riesige Welle der Solidarität“
Zuvor war unter anderen Sonja Ablinger, frühere SPÖ-Abgeordnete und jetzt Vorsitzende des Frauenrings, am Wort. „Das ist ein unglaublicher Anblick“, meinte sie von der Bühne aus in die Menge blickend. Sie sehe „eine riesige Welle der Solidarität“. Eine weitere Rednerin war Dudu Kücükgöl von der Muslimischen Jugend Österreich (MJÖ). Sie rief zu Zusammenhalt und Zivilcourage auf.
Das Kabarettteam Maschek, das den künstlerischen Anfang machte, nahm vor einer Darbietung ihres aus „Willkommen Österreich“ bekannten Programmes ebenfalls Stellung: Dieser Tag sei „nicht nur für Flüchtlinge, sondern auch für die Helfer, die dem Staat aus der Bredouille geholfen haben“. Denn der Staat habe „nichts gemacht“.
Nachdem Singer-Songwriter Thomas David, Sieger bei „Die große Chance“, einen Song zum Besten gegeben hatte, interpretierte Kabarettist und Schauspieler Thomas Stipsits „Der alte Wessely“. Das Lied von Georg Danzer erzählt von einem Nazi-Sympathisanten, der sich zum neuen Führer aufschwingt. Und Stipsits Liedtext zufolge „gibt schon wieder einen jungen Wessely“.
Campino sieht „historische Bedeutung“
Bereits vor seinem Auftritt von „Voices for Refugees“ beeindruckt zeigte sich der italienische Sänger Zucchero. „Österreich ist das erste Land, das so etwas macht“, sagte und äußerte gleichzeitig sein Unverständnis darüber, dass „nicht schon längst überall in Europa solche Konzerte organisiert werden“.
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Mit Campino und den Toten Hosen wurde „Voices for Refugees“ am späten Samstagabend beendet
Zum Finale betraten schließlich nach der österreichischen Band Bilderbuch die Toten Hosen die Bühne auf dem Heldenplatz. Der Sänger der deutschen Band, Campino, war zuvor Gast bei der Abschlusskundgebung der laut Polizeiangaben mit Zehntausenden besuchten Solidaritätsdemo für Flüchtlinge. Dort äußerte Campino die Hoffnung, dass „Voices for Regugees“ „Strahlkraft auch in andere Länder“ haben könnte. Gleichzeitig warnte Campino vor einem Verfall Europas, wenn die Länder das Fluchtproblem nicht gemeinsam lösen.
Die Kundgebung in Wien könnte eine „historische Bedeutung haben“, rief er bei der Abschlusskundgebung dem versammelten Publikum zu. Mit „ihr habt als Erste so etwas in dieser Dimension auf die Beine gestellt“ zeigte sich Campino bei seinem Auftritt schließlich auch auf dem Heldenplatz von der Wiener Solidaritätskundgebung mehr als beeindruckt.
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