Dauer der geöffneten Grenze unklar
Die meisten der über Ungarn und Österreich gereisten Flüchtlinge wollen in Deutschland bleiben. Allein am Montag sind 5.000 Schutzsuchende in München angekommen. Der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) zeigte sich überzeugt, dass Deutschland in den kommenden Jahren die Aufnahme Hunderttausender Menschen bewältigen kann.
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„Wir kämen mit einer Größenordnung von einer halben Million“ pro Jahr für einige Jahre sicherlich klar, sagte Gabriel Montagabend in einem ZDF-Interview. „Ich habe da keine Zweifel, vielleicht auch mehr.“ Er pochte aber wie österreichische Regierungskollegen auf eine schnelle europäische Lösung, wie die Flüchtlinge in Europa verteilt werden.
„Wir können nicht jedes Jahr eine knappe Million Menschen mal so eben aufnehmen und bruchlos integrieren“, sagte er mit Blick auf das Jahr 2015. Heuer werden in Deutschland mindestens 800.000 Flüchtlinge erwartet. Dass Deutschland auch in Zukunft einen „weit überproportionalen Teil“ der nach Europa kommenden Menschen übernehmen wird, „weil wir ein wirtschaftlich starkes Land sind, daran gibt es keinen Zweifel“.
Sachleistungen statt Geldzahlungen
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) betonte am Dienstag, dass er für die Flüchtlingshilfe keine neuen Schulden machen wolle. Sechs Milliarden werden für Bund, Länder und Kommunen im kommenden Jahr dafür zusätzlich zur Verfügung gestellt. Die Eingliederung der Flüchtlinge sei die größte Aufgabe Deutschlands seit langer Zeit, sagte Schäuble. Dem hätten sich alle anderen Ausgabewünsche unterzuordnen.
Zudem erweitert Deutschland den Kreis der „sicheren Herkunftsstaaten“ um das Kosovo, Albanien und Montenegro. Die Unterstützung für Asylwerber in Erstaufnahmeeinrichtungen wollen die deutschen Koalitionspartner von Geldzahlungen auf Sachleistungen umstellen. Damit will die Koalition „Fehlanreize beseitigen“.
Merkel pocht auf Verteilungsschlüssel
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) traf am Dienstag angesichts der Flüchtlingskrise den schwedischen Ministerpräsidenten Stefan Löfven. Schweden gehört nach Deutschland zu den Ländern, die in Europa derzeit die meisten Flüchtlinge aufnehmen. Beide Länder bestehen auf einer verbindlichen Quote für die Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU.
Zuvor hatte der Sprecher des deutschen Innenministeriums, Harald Neymanns, betont, dass die deutsche Regierung den Zustand nicht dauerhaft hinnehmen will: „Sollte sich an den grundsätzlichen Zahlen, die derzeit nach Deutschland kommen, nichts ändern, wird man noch mal intensive Gespräche suchen müssen.“
Dauer der Grenzöffnung unklar
Am Wochenende kamen über 20.000 Menschen in München an, auch am Dienstag werden weitere erwartet. Da die Unterbringungskapazitäten in München fast erschöpft sind, suchen die Behörden nach Wegen zur Umverteilung der Flüchtlinge auf andere Bundesländer. Leipzig soll voraussichtlich ein weiteres Drehkreuz werden, zwei weitere sollen in West- und Norddeutschland entstehen.
Nach der Öffnung der Grenzen am Wochenende betonte Deutschland am Montag erneut, dass das eine einmalige Aktion bleiben werde. Die deutsche Regierung ließ dabei offen, wie lange die Ausnahmen für in Ungarn gestrandete Flüchtlinge zur Einreise nach Deutschland noch gelten sollen. Für Österreich hatte Kanzler Werner Faymann (SPÖ) betont, die Maßnahmen schrittweise zurückzunehmen. Es werde wieder stichprobenartige Kontrollen an den österreichischen Grenzen zu Ungarn geben, wenn der große Ansturm vorbei sei. Ein konkreter Zeitpunkt wurde nicht genannt.
Nach Angaben des Innenministeriums wurde am Dienstag die Kontrolle in Zügen aus Ungarn wieder aufgenommen. Die Kontrollen erfolgten jedoch „nach Maßgabe der personellen Kapazitäten“ und würden sich „gegen Schlepper richten“, sagte Sprecher Karl-Heinz Grundböck, womit Flüchtlinge selbst weiterhin ungehindert in Richtung Deutschland reisen können dürften.
Zahl der Syrien-Flüchtlinge könnte drastisch steigen
Die UNO warnte indessen, dass die Zahl der aus Syrien flüchtenden Menschen noch einmal drastisch steigen könnte. Sollte sich der Bürgerkrieg auf das Gebiet der bisher weitgehend vom Konflikt verschont gebliebenen Mittelmeer-Stadt Latakia ausweiten, sei mit bis zu einer Million zusätzlichen Flüchtlingen zu rechnen, sagte der UNO-Sondergesandte Staffan de Mistura.
Die meisten von ihnen würden wohl versuchen, mit Booten über das Mittelmeer nach Europa zu kommen. Zudem könne ein weiterer Vormarsch der Terrormiliz Islamischer Staat die Fluchtbewegungen verstärken, sagte De Mistura: „Die Tendenz ist besorgniserregend.“
Millionen von EU für Österreich
Die EU-Kommission gab indes offiziell die Nothilfen zur Unterstützung Österreichs und Ungarns in der Flüchtlingskrise bekannt. Österreich erhält aus dem europäischen Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) fünf Mio. Euro, Ungarn vier Mio. Euro.
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