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Mögliche Weiterfahrt nach Deutschland

Seit Ungarn in der Nacht auf Samstag damit begonnen hat, Flüchtlinge in Bussen an die österreichische Grenze zu bringen, kommen zurzeit stündlich Hunderte Menschen über den Grenzübergang Nickelsdorf/Hegyeshalom. Die österreichische Polizei rechnet im Laufe des Tages mit bis zu 10.000 Flüchtlingen. Die Menschen sollen nun per Bahn und Bus nach Wien und Salzburg gebracht werden.

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In Salzburg kam am Samstagvormittag ein erster Sonderzug mit Flüchtlingen an. Der aus Ungarn kommende Zug sei gegen 10.50 Uhr eingetroffen, sagte ein Polizeisprecher. Der Zug mit 450 Menschen an Bord hatte den österreichischen Ort Nickelsdorf an der Grenze zu Ungarn am frühen Morgen verlassen.

Flüchtlinge und Polizisten in Nickelsdorf

Reuters/Heinz-Peter Bader

Ein erster Sonderzug fuhr aus Nickelsdorf bereits Richtung Salzburg ab

Der Zug legte in Salzburg aber nur einen kurzen Zwischenstopp ein und fuhr danach direkt nach Deutschland weiter. Derzeit gehe man auch davon aus, dass die zwei weiteren Züge, die nach Salzburg unterwegs sind, ebenfalls durchfahren, sagte der Sprecher des Landes, Franz Wieser. ÖBB-Sprecher Rene Zumtobel wies darauf hin, dass alle planmäßigen Züge ohnehin nach München weiterfahren. Bei den Sonderzügen spreche man sich mit den Kollegen der Deutschen Bahn ab - mehr dazu in salzburg.ORF.at.

Unterbringungsplätze in Spitälern

Auch in Wien, wo inzwischen ein erster Zug mit 400 Menschen angekommen ist, sei man auf die Flüchtlinge aus Ungarn „zu 100 Prozent vorbereitet“, so der stellvertretende Magistratsdirektor Wolfgang Müller Samstagfrüh gegenüber der APA. Über Nacht seien bereits etwa 800 Personen mit Bussen am Westbahnhof angekommen und nach Deutschland weitergereist. Insgesamt rechnet Müller mit bis zu 3.000 Menschen. Davon seien aber nur wenige wirklich zu versorgen, denn eine Erstversorgung finde bereits bei der Grenze statt.

Flüchtlinge am Westbahnhof

APA/Roland Schlager

Im Wiener Westbahnhof warten Flüchtlinge auf einem Bahnsteig auf eine mögliche Weiterfahrt

Für den Fall, dass Flüchtlinge in Wien bleiben wollen, habe man Hunderte Unterbringungsplätze im Bereich der Spitäler der Stadt in der Hinterhand, erläuterte Müller. Bisher wollten sie den Bahnhof allerdings nicht verlassen, weshalb er nicht damit rechnet, dass die Quartiere tatsächlich gebraucht werden.

Shuttlezug zwischen Nickelsdorf und Westbahnhof

Die ÖBB richteten am Samstagvormittag eine Shuttlezug-Verbindung zwischen Nickelsdorf und Wien-Westbahnhof ein. Die Garnituren sollen stündlich verkehren, sagte ÖBB-Sprecherin Sonja Horner. Zudem wird ein ICE vom Wiener Hauptbahnhof über den Westbahnhof umgeleitet. Er soll angekommene Flüchtlinge weiter nach Deutschland mit Zieldestination Frankfurt bringen.

Darüber hianus könnten die Flüchtlinge in zahlreichen Zügen nach München und Frankfurt am Main weiterreisen, so Horner. Allein vom Wiener Westbahnhof aus seien für Samstag sechs Zugabfahrten nach München und vier weitere über Passau nach Frankfurt geplant. Es handle sich dabei um reguläre Züge, die aber zum Teil über den Wiener Westbahnhof umgeleitet werden.

Lagebesprechung im Innenministerium

Am Vormittag soll im Innenministerium eine weitere Lagebesprechung stattfinden. Bei einer solchen Sitzung Freitagnacht habe sich das Innenministerium unter anderem mit der Stadt Wien und den anderen betroffenen Bundesländern, den ÖBB sowie mit Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz, dem Arbeitersamariterbund und der Caritas koordiniert, berichtete ein Sprecher. Nun gebe es laufend weitere Lagebesprechungen. Dabei gehe es um die Ein- und Weiterreise der Flüchtlinge und Versorgungsfragen.

Dank an Caritas

Man habe bereits am Freitag begonnen, sich auf die Ankunft der Flüchtlinge vorzubereiten, vor allem im Sanitätsbereich, erklärte auch Magistratsdirektor-Stellvertreter Müller. Der Katastrophenzug der Wiener Rettung sei auf dem Westbahnhof und auf dem Hauptbahnhof an Ort und Stelle. Man wisse nicht, in welchem Zustand sich die Menschen befinden, bisher habe man aber noch keine negativen Meldungen bekommen. Man sei „jederzeit in der Lage, zu reagieren“, betonte Müller.

Flüchtlinge und Helfer am Westbahnhof

APA/Roland Schlager

Auf dem Westbahnhof empfangen zahlreiche Helfer die Flüchtlinge

Der Schwerpunkt liegt derzeit auf dem Westbahnhof, wo die Caritas die Hilfe koordiniert. Die Zusammenarbeit mit den freiwilligen Hilfsorganisationen „funktioniert wirklich vorbildlich“. Er wolle sich auch „ausdrücklich bedanken für die Hilfsbereitschaft der Wienerinnen und Wiener“, unterstrich Müller. Wer helfen will, solle sich diesbezüglich an die Caritas wenden, bat er.

Kurz: Dublin gilt weiterhin

Offen scheint zu sein, wie lange Deutschland und Österreich Flüchtlinge über Ungarn einreisen lassen wollen. Der österreichische Außenminister, Sebastian Kurz (ÖVP), sagte am Samstagmorgen bei einem Treffen mit EU-Amtskollegen in Luxemburg, „dass das Dublin-System natürlich nach wie vor gilt“. Dieses regelt, dass derjenige Mitgliedsstaat, in dem ein Asylwerber erstmals europäischen Boden betritt, für das Asylverfahren verantwortlich ist.

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hatte zuvor mitgeteilt, dass Österreich und Deutschland aufgrund der „Notlage an der ungarischen Grenze“ einer Weiterreise der Flüchtlinge in ihre Länder zugestimmt hätten. Weiter hieß es: „Zugleich aber erwarten wir von Ungarn die Bereitschaft, die bestehenden Belastungen auf der Basis der von der Europäischen Kommission angestrebten fairen Verteilung der Flüchtlinge und des geplanten Notfallmechanismus zu lösen.“

Noch immer Flüchtlinge auf Ostbahnhof

Trotz der zahlreichen Busse war Samstagfrüh die Transitzone auf dem Budapester Ostbahnhof in der Unterführung des Bahnhofs erneut voller Flüchtlinge, wie das Staatsfernsehen M1 berichtete. Die Flüchtlinge würden nach weiteren Bussen fragen, so der Fernsehsender.

Zugleich verließen am Samstagmorgen etwa 200 Flüchtlinge das Aufnahmelager Vamosszabadi nahe der Stadt Györ und brachen zu Fuß Richtung Österreich auf. In dem offenen Lager 50 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt habe sich herumgesprochen, dass Österreich seit Freitagabend Flüchtlinge aufnehme. Das berichtete das staatliche ungarische Fernsehen. Auch Flüchtlinge aus dem nordostungarischen Lager Debrecen hätten sich am Samstag auf den weg nach Westen gemacht, berichtete das ungarische Nachrichtenportal origo.hu.

Ungarns Außenminister markiert Härte

Ungarns Außenminister Peter Szijjarto setzte unterdessen weiter auf Härte und Schuldzuweisungen. „Was in Ungarn seit vergangener Nacht passiert ist, ist die Folge von zweierlei, erstens der gescheiterten Migrationspolitik der Europäischen Union und zweitens einer Serie von unverantwortlichen Erklärungen europäischer Politiker“, sagte Szijjarto am Samstag in Luxemburg. Ungarn werde auch in Zukunft die europäischen Regeln zu Schengen, Dublin und Frontex einhalten, versicherte der Außenminister.

Die mehr als 3.000 Flüchtlinge, die am Samstag bisher nach Österreich gereist sind, seien alle registriert. Die Migranten in Ungarn seien zuletzt immer aggressiver geworden und hätten sich einer Registrierung durch Fingerabdrücke und Fotos durch die Behörden widersetzt. Sie hätten sich auch nicht in Flüchtlingszentren begeben. „Eine Notfallsituation ist eingetreten. Deshalb haben wir entscheiden, Busse an die österreichische Grenze zu schicken, wo sie hin wollten.“ Es sei wichtig, dass die EU ihre Außengrenze effektiv schütze. Deshalb habe Ungarn die Gesetze verschärft. Wer den Grenzzaun zu Serbien beschädige, riskiere nunmehr eine Haftstrafe.

Amnesty dankt Kanzler und Innenministerin

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International Österreich (AI) bedankte sich unterdessen bei Faymann und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) für die rasche humanitäre Lösung einer Grenzöffnung für aus Ungarn kommende Flüchtlinge. „Die rasche Bereitschaft, den in Ungarn so grausam schikanierten Flüchtlingen die Einreise noch in der Nacht zu gestatten, hat heute vermutlich Leben gerettet und die Menschenwürde der Betroffenen wiederhergestellt“, sagte Heinz Patzelt, Generalsekretär von AI Österreich, in einer der APA übermittelten Stellungnahme.

Gleichzeitig forderte Patzelt den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban auf, „umgehend die lebensgefährlichen und erniedrigenden Schikanen gegenüber Schutzsuchenden einzustellen und in Ungarn endlich menschenwürdige Bedingungen für Kriegsflüchtlinge sicherzustellen“.

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