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Sofia meldet insgesamt sieben Festnahmen

Nach dem Tod von 71 Flüchtlingen in einem auf der Ostautobahn (A4) abgestellten Lastwagen sind nach Informationen aus Bulgarien alle Verdächtigen festgenommen worden. „Alle, die mit der Tragödie verbunden sind, wurden schon festgenommen“, sagte Innenministerin Rumjana Batschwarowa am Dienstag im Fernsehsender bTV in Sofia.

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Zuvor waren zwei weitere verdächtige Bulgaren festgenommen worden - einer in Bulgarien und einer in Ungarn, berichtete das bulgarische Radio unter Berufung auf Sicherheitsdienste. Damit wurden nach dem Flüchtlingsdrama aus der Vorwoche insgesamt sieben Verdächtige festgenommen, darunter sechs Bulgaren. „Diese Gruppe war auf den Staatsgebieten von Österreich und von Ungarn tätig“, sagte Batschwarowa.

Einer der mutmaßlichen Schlepper wurde per Europäischem Haftbefehl gesucht und in Bulgarien festgenommen. Das bestätigte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Eisenstadt, Verena Strnad, am Dienstag: „Nun müssen die bulgarischen Behörden dieses abwickelnde Verfahren noch durchführen, was die Übergabe der Person betrifft.“ Eine weitere Festnahme erfolgte in Ungarn.

Verdächtiger hat langes Vorstrafenregister

Unter den festgenommenen Schleppern soll sich ein polizeibekannter Mann befinden. Die Nachrichtenagentur BTA berichtete unter Berufung auf die bulgarische Zeitung „24 Chasa“, dass ein 29-jähriger Bulgare jeden Monat Menschenschmuggel nach Westeuropa betrieben haben soll. Er soll ein langes Vorstrafenregister haben, hieß es.

Der Verdächtige sei am 25. Juli in Deutschland festgenommen worden, allerdings sei ihm mit einem weiteren Fahrer die Flucht gelungen. Damals soll er 35 Menschen aus Afghanistan geschleppt haben. Außerdem steht laut „Kronen Zeitung“ (Mittwoch-Ausgabe) im Raum, dass der 29-Jährige im Sommer 2009 maskiert und mit einer Pistole bewaffnet eine Tankstelle in Bochum überfallen habe. Von der Landespolizeidirektion Burgenland konnte man dazu auf APA-Anfrage nichts sagen bzw. bestätigen.

Lange Haftstrafen drohen

Gegen die bereits zuvor Festgenommenen, vier Bulgaren und einen Afghanen, wird laut Nol.hu nicht wegen Mordverdachts, sondern wegen organisierten Menschenschmuggels ermittelt. Dafür könnte in Ungarn eine Strafe von zwei bis 16 Jahren verhängt werden. Die Untersuchungshaft ist noch nicht rechtskräftig, da die Verdächtigen Berufung einlegten.

Zwar gebe es noch keinen diesbezüglichen Beschluss, doch würden die Behörden die in Ungarn verhafteten Verdächtigten mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb kürzester Zeit an Österreich ausliefern, schrieb Nol.hu. Wie BTA berichtete, ermittelt auch die bulgarische Sicherheitsbehörde SANS in diesem Fall.

Keine Öffnung für Luftzufuhr?

Der „Kurier“ (Mittwoch-Ausgabe) berichtete, dass es beim Kühltransporter, in dem am Donnerstag die 71 toten Flüchtlinge entdeckt worden waren, offenbar keine Öffnung für Luftzufuhr von außen gegeben habe und der Lkw dicht gewesen sei. „Dies bezieht sich darauf, was augenscheinlich, also von außen wahrzunehmen, ist bzw. war. Nähere Einzelheiten dazu wird das Gutachten des Sachverständigen, der von der Staatsanwaltschaft bestellt wurde, dem man aber keinesfalls vorgreifen möchte, ans Tageslicht bringen“, betonte Polizeisprecher Gerald Pangl. Ob das Kühlaggregat am Transporter für Sauerstoffzufuhr gesorgt haben könnte, werde noch untersucht.

Zum aktuellen Stand der Ermittlungen hieß es am Mittwoch kurz: Das DVI-Team (Desaster Victim Identification) arbeite auf Hochtouren an der Identifizierung. Erste Ermittlungsergebnisse bzw. ein Ermittlungsupdate werde es am Freitag bei einer Pressekonferenz in der Landespolizeidirektion Burgenland in Eisenstadt geben, sagte Pangl.

Zuständigkeit noch offene Frage

Die Zuständigkeit ist allerdings noch eine offene Frage. Die Staatsanwaltschaft des Komitats Bacs-Kiskun hatte die Zuständigkeit für ihre Ermittlungen bisher damit begründet, dass der Lkw in Kecskemet losgefahren sei. Die ungarischen Ankläger sind auch für die Hausdurchsuchungen zuständig, bei denen am Freitag nicht näher bezeichnetes Beweismaterial beschlagnahmt wurde. Offensichtlich halten sie sich aber nicht nur für die Ermittlungen, sondern allenfalls auch für die Anklageerhebung zuständig.

Aber auch die Staatsanwaltschaft Eisenstadt fühlt sich zuständig. Sprecherin Strnad hielt am Sonntag gegenüber der APA allerdings fest: „Es ist zu betonen, dass es keinen Streit über die Zuständigkeit gibt. Es ist wichtig, den Beschuldigten vor Augen zu führen, mit welchen strengen Sanktionen sie rechnen müssen.“ Die zentrale Aufgabe sei die Aufklärung des Falles, sagte Strnad und betonte einmal mehr die gute Zusammenarbeit mit den ungarischen Behörden. Man stehe auch seitens der Staatsanwaltschaften in engem Kontakt.

Reisepässe sichergestellt

Im Zuge der Obduktionen der 71 toten Flüchtlinge wurden inzwischen mehrere Reisepässe sichergestellt, wie die Polizei am Dienstag mitteilte. Es könne aber nicht davon ausgegangen werden, „dass es sich dabei um deren tatsächliche persönliche Dokumente handelt. Die Obduktionen und Identitätsfeststellungen laufen nach wie vor“, sagte Polizeisprecher Gerald Pangl. Ob die Menschen in Wien oder in Parndorf im Burgenland begraben werden, ist noch unklar - mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Hotline

Die Polizei bittet um Hinweise und hat dafür eine Hotline mit der Nummer 05 9133 103 333 eingerichtet.

Die ungarischen Behörden sehen es als erwiesen an, dass der Lkw im mittelostungarischen Kecskemet, etwa 15 Kilometer südlich von Budapest, losfuhr. Noch immer nicht geklärt ist jedoch, wann die 71 Menschen ums Leben kamen. Laut Landespolizeidirektor Hans Peter Doskozil verdichten sich die Hinweise auf einen Erstickungstod. Das sei allerdings noch kein endgültiges Ergebnis, Gewebeproben müssten noch abgewartet werden, so Doskozil im Interview mit dem ORF Burgenland am Sonntagabend - mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Neben der Obduktion der Leichen untersuchen die Behörden derzeit auch den Lkw. Das Schlepperfahrzeug werde im burgenländischen Nickelsdorf „Millimeter für Millimeter“ untersucht, erklärte Polizeisprecher Helmut Marban. Im Fokus der technischen Untersuchungen steht insbesondere die Kühlanlage und die Frage, ob diese vielleicht präpariert worden sei, um eine Luftzufuhr zu ermöglichen, sagte Doskozil gegenüber der APA.

Fernfahrer sah offenbar Schlepper

Unterdessen hat sich ein ungarischer Fernfahrer gemeldet, der den Kühltransporter bereits am Mittwochvormittag auf der A4 gesehen haben will. Er habe auch den Schlepper gesehen, sagte er gegenüber dem Internetportal Index.hu. Er sei aus Deutschland kommend nach Ungarn unterwegs gewesen, als er bei Parndorf den parkenden Lkw auf der Gegenfahrbahn gesehen habe. Dabei habe er am Mittwoch gegen 9.45 Uhr einen Mann gesehen, der die Hintertür des Lasters zuschlug. Dann sei dieser Mann panikartig zur Beifahrerseite eines vor dem Lkw abgestellten Autos gelaufen und davongefahren - mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Am Dienstag setzten sich die Kontrollen im Grenzraum fort. Der stellvertretende burgenländische Landeshauptmann Johann Tschürtz (FPÖ) ordnete unabhängig davon an, Verkehrspolizisten für Verkehrskontrollen im Burgenland abzustellen - ohne Abstimmung mit der Polizei - mehr dazu in burgenland.ORF.at.

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