Strache kritisiert Regierung
Durchaus emotional ist die Debatte über das Durchgriffsrecht des Bundes gegenüber den Ländern und Gemeinden zur Schaffung von Asylquartieren in der Nationalratssondersitzung am Mittwoch verlaufen.
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Die FPÖ warf der Bundesregierung „Versagen“ in der Asylpolitik vor und forderte Grenzkontrollen. „Wir wollen Menschenleben schützen und nicht Grenzen“, entgegneten die Grünen. Dass die Regierung die Unterbringungsproblematik durch eine Entmachtung der Länder und Gemeinden lösen wolle, sei Anlass zur Sorge, bekräftigte FPÖ-Klubchef Heinz-Christian Strache seine Ablehnung des Durchgriffsrechts.
FPÖ fordert Bundesheereinsatz
Erneut forderte Strache eine Volksabstimmung dazu. Die EU habe bei der Grenzsicherung „kläglich versagt“, aber die Bundesregierung könne sich nicht nur auf die Union ausreden, warf Strache auch der Koalition „Versagen“ vor. Vorwürfe gegen seine Partei wies der FPÖ-Klubchef zurück: „Es ist keine Panikmache, Ihre Untätigkeit in dieser Frage zu verurteilen und anzuprangern“, so Strache Richtung Regierungsbank.
„So zu tun, als wären alle, die kommen, ausschließlich im Sinne der Genfer Konvention Menschen, ist auch unredlich. Hier fehlt die notwendige Differenzierung, und hier wird vermantscht“, meinte Strache. Es sei dringend notwendig, gegen die „verbrecherischen Schlepperbanden“ vorzugehen. Solange die EU-Außengrenzen nicht sicher seien, brauche es lückenlose Kontrollen an Österreichs Grenzen mit Hilfe eines Bundesheer-Assistenzeinsatzes, forderte Strache einmal mehr.
Lopatka: Fürchten Sie sich nicht
„Ich will kein Österreich, das von einem Stacheldraht umgeben ist“, entgegnete ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka dem blauen Klubchef, der sich zuletzt auch für die Errichtung von Grenzzäunen ausgesprochen hatte. „Schreckliche Wortmeldungen“ in Sozialen Netzwerken erinnerten ihn „an die dunkelste Zeit“ des letzten Jahrhunderts, und auch bei Wahlkämpfen würden unnötige Wortmeldungen geäußert, kritisierte er. „Fürchten Sie sich nicht!“, bat Lopatka die Bevölkerung eindringlich. Österreich habe solche Situationen schon öfter bewältigt. Die aktuelle Herausforderung sei nur mit einem Nationalen Aktionsplan zu bewältigen.
SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder forderte, die Dublin-Regeln neu aufzusetzen und legale Einreisemöglichkeiten für flüchtende Menschen in den Herkunftsregionen zu schaffen.
Grüne loben Hilfsbereitschaft
Das will auch Grünen-Chefin Eva Glawischnig. Die Welle der Hilfsbereitschaft, die am Montag die Züge voller Flüchtlinge durch Österreich begleitet habe, „ist etwas sehr Schönes“, betonte sie. Die FPÖ hingegen wolle in Gemeinden sogar die Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, also Kindern, verhindern, schoss auch sie sich auf die Blauen ein. „Wir wollen Menschenleben schützen und nicht Grenzen.“
Das Gesetz zum Durchgriffsrecht, das die Grünen mitverhandelt haben, sei eine „sehr gute Lösung“, meinte Glawischnig. Es gehe jetzt aber auch um europäische Lösungen im Gegensatz etwa zu Aktionen wie dem Stacheldrahtzaun in Ungarn an der Grenze zu Serbien: „So eine Anlage ist die personifizierte Inhumanität Europas.“ Stattdessen brauche es Solidarität aller Länder, und da würden die Grünen auch die Bundesregierung mit dem Vorschlag unterstützen, EU-Förderungen mit der Flüchtlingsverteilung zu verknüpfen, kündigte Glawischnig an.
Strolz: Beklemmend
Auch NEOS trägt das Gesetz mit, weil es rasche Lösungen für die Unterbringung von Asylwerbern brauche, so Klubchef Matthias Strolz. Aber es sei „beklemmend, dass wir immer erst in die Gänge kommen, wenn was passiert“, kritisierte er Bundeskanzler, Vizekanzler und Innenministerin. Die Aufgabe laute, über Jahre mit solchen Flüchtlingsströmen umzugehen, und deshalb müsse die Regierung proaktiver handeln: „Bitte starten Sie morgen einen Nationalen Aktionsplan!“ Neben einem EU-Sondergipfel verlangte Strolz auch ein vehementes Auftreten des Bundeskanzlers auf europäischer Ebene.
Team-Stronach-Klubobmann Robert Lugar meinte erneut, man müsse sich um das Problem in den Krisengebieten kümmern. Es sei notwendig, Schutzzonen zu errichten. Außerdem solle Österreich Geld in jene Flüchtlingslager in den Kriegsregionen stecken, die schon existieren.
Grüne und NEOS unterstützen Regierung
Zum Abschluss des Asylkapitels bei der Sondersitzung des Nationalrats ist ein (unverbindlicher) Entschließungsantrag der Koalition unterstützt von Grünen und NEOS angenommen worden. Darin geworben wird für eine gesamteuropäische Asylstrategie mit einer verpflichtenden Quotenverteilung der Flüchtlinge innerhalb der Union.
Zudem soll sich die Regierung auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass das von Österreich initiierte „Save Lives“-Projekt vorangetrieben wird, um sichere Einreisemöglichkeiten zu schaffen. Mit einer „aktiven Außenpolitik“ sollen das Flüchtlingsproblem bereits in der Region, in der es entsteht, bewältigt werden können, insbesondere durch die Schaffung von Schutzzonen in den Krisenregionen. Schließlich wird noch das Ziel verfolgt, das Schlepperwesen „umfassend zu bekämpfen“.
Mikl-Leitner fordert Ehrlichkeit
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hatte als letzte Rednerin dafür geworben, die Asyldebatte mit mehr Ehrlichkeit zu führen und darauf verwiesen, dass 1.000 Quartierplätze pro Woche fehlten. Daher sei das Durchgriffsrecht des Bundes bei der Quartierbeschaffung, das heute auf den parlamentarischen Weg geschickt wird, wichtig und notwendig. Ihr größter Wunsch sei dabei freilich, dass man es nicht ein einziges Mal nützen müsse. Denn Gemeinden und Länder hätten es letztlich selbst in der Hand, Unterkünfte zu schaffen. Positiv sehe sie, dass sie Bewegung bei den Kommunen spüre.
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