Themenüberblick

Viele Meinungen, wenig Einigkeit

Die Flüchtlingsproblematik war am Montag auch in der Innenpolitik das bestimmende Thema. Vom Vorschlag der FPÖ, Grenzzäune „nach dem Vorbild Ungarns“ zu errichten, hält die SPÖ wenig. Die Grünen fordern die Abschaffung des Dublin-Systems, doch davon will die ÖVP nichts wissen. Das Team Stronach (TS) kann sich einen Bundesheereinsatz an der Grenze vorstellen, und NEOS will einen Sondergipfel.

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„Natürlich ist es auch abseits von Grenzübergängen notwendig, das Land mit Zäunen zu schützen, damit die illegale Schlepper-Mafia ihrem mörderischen Geschäft nicht nachgehen kann“, sagt Strache in einem Interview für die Montag-Ausgabe der „Oberösterreichischen Nachrichten“ („OÖN“) auf die Stacheldrahtzäune angesprochen.

Den Vorschlag von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), den Flüchtlingen einen legalen Fluchtweg nach Europa zu ermöglichen, lehnte der FPÖ-Chef ab. „Wir können nicht sagen, die Völkerwanderung wird legalisiert.“

Faymann: EU-Zentren in Griechenland und Italien

Kanzler Werner Faymann (SPÖ) betonte am Sonntag, dass die EU „die Flüchtlingsströme an der Außengrenze in den Griff bekommen“ müsse. „Es hat keinen Sinn, dass jetzt jedes Land Stacheldrähte, Mauern und Wachtürme aufbaut“, sagte er zu Maßnahmen wie dem Grenzzaun in Ungarn. „Die EU muss Zentren in Griechenland und Italien aufbauen und organisieren und dort bereits die Asylfrage lösen. Jene, die keinen Anspruch haben, sofort zurückschicken und die anderen gerecht verteilen.“

Diese Quotenverteilung solle „so rasch wie möglich“ umgesetzt und an EU-Förderungen gekoppelt werden, erklärte Faymann. „Ich stelle außerdem den Anspruch, dass wir als Nettozahler die Projekte zum Beispiel in den baltischen Ländern nur noch dann mitfinanzieren, wenn es dort auch eine Bereitschaft zur ausreichenden Aufnahme von Asylwerbern gibt.“

Grüne für Dublin-Abschaffung

Die Grünen sprechen sich für eine Abschaffung des Dublin-Systems aus. Darüber hinaus plädieren sie für die Wiedereinführung der Möglichkeit, Asylanträge in Botschaften zu stellen, konkret in Nachbarländern von Krisenstaaten sowie für die Schaffung sicherer Fluchtkorridore.

„Dublin“ funktioniere nicht, „gemacht wird es trotzdem“, sagte die Bundesvorsitzende der Grünen, Eva Glawischnig, am Montag bei einer Pressekonferenz in Wien. Die Bundesregierung sollte sich Deutschland zum Vorbild nehmen, das das Dublin-Abkommen für syrische Flüchtlinge ausgesetzt hat. Nach Überzeugung der Grünen ist das Abkommen, wonach Flüchtlinge in jenem Land Asylanträge zu stellen haben, in dem sie erstmals EU-Boden betreten, verantwortlich für die ungleiche Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU.

„Wer für eine solidarische Verteilung ist, muss für die Abschaffung von ‚Dublin‘ sein“, sagte Menschenrechtssprecherin Alev Korun an die Adresse von Innenministerin Mikl-Leitner, die an dem Abkommen festhalten will, „obwohl es zu einer Überlastung der Bürokratie in den EU-Außenstaaten führt“.

Kontrollen „nur Tropfen auf dem heißen Stein“

Zur Verteilung der Flüchtlinge innerhalb Österreichs halten die Grünen eine Unterbringung von 15 Flüchtlingen je 1.000 Einwohner für praktikabel. „Die Bevölkerung ist mutiger als so mancher Regierungspolitiker“, konstatierte Korun unter Verweis auf die Unterstützung von Flüchtlingen durch Privatpersonen, etwa durch direkte Kleiderspenden.

Nichts abgewinnen können die Grünen der geplanten Verschärfung des Schlepperparagrafen. Diese Maßnahme sei nicht geeignet, das Flüchtlingsproblem zu lösen. Unterstützung der Grünen findet der Vorschlag eines EU-Sondergipfels zur Flüchtlingsfrage.

TS will Bundesheereinsatz an der Grenze

„Die von der Innenministerin viel zu spät veranlassten Kontrollen in Grenznähe sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, kritisierte indes Team-Stronach-Generalsekretär Christoph Hagen in einer Aussendung. Das Bundesheer solle vorübergehend die Grenzen kontrollieren, forderte er. Inzwischen solle eine eigens ausgebildete Grenzpolizei aufgestellt werden. Im Kampf gegen die Schlepper brauche es außerdem „eine drastische Erhöhung des Strafrahmens“. Team-Stronach-Klubobmann Robert Lugar pochte auf gesicherte Schutzzonen in Kriegsländern.

Strolz fordert Flüchtlingsgipfel

NEOS-Chef Matthias Strolz forderte angesichts der Entwicklungen der vergangenen Tage einen Flüchtlingsgipfel in Österreich. Ihm sei angesichts der Lage, „wo Menschen in unseren Vorgärten krepieren“, nicht klar, „auf was wir warten“. Beim Durchgriffsrecht des Bundes bei der Flüchtlingsunterbringung werde NEOS mitstimmen, kündigte Strolz an.

Mitterlehner: Dublin-Aussetzung nur auf EU-Ebene

ÖVP-Obmann Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner sprach sich am Montag gegen die von Deutschland vorgemachte nationale Aussetzung des Dublin-Verfahrens für syrische Flüchtlinge aus. Möglich sei das nur auf europäischer Ebene, andernfalls setze man sich des Vorwurfs einer Vertragsverletzung aus, sagte er in einer Pressekonferenz. Bundespräsident Heinz Fischer hatte die Aussetzung am Sonntag gefordert.

Die Dublin-Verordnung - sie regelt, dass Asylwerber in jenes EU-Land rückgeschoben werden können, wo sie erstmals registriert wurden - sei in ihrer Anwendung problematisch, so Mitterlehner unter Verweis etwa auf Griechenland und die Urteile zu den dortigen menschenrechtlichen Standards. Die EU habe eine Evaluierung angekündigt. Geplant sei sie erst für 2016. Nun werde man sehen, ob das auch schneller gehen werde.

„Kurz besser zuhören“

Er selbst sage dazu „nicht Ja und nicht Nein“, denn alle Maßnahmen hätten sowohl positiv als auch negative Auswirkungen. Mitterlehner wies auch zurück, dass es in der ÖVP eine „Doppelstrategie“ in Sachen Asyl gebe. In der Debatte über schärfere Grenzkontrollen hätte man Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) besser zuhören müssen. Auch dieser habe betont, dass diese derzeit nicht machbar seien, einzelne Länder bei Untätigkeit der EU aber wohl zu eigenen Maßnahmen greifen würden.

Dass es schnell eine europäische Lösung samt Aussetzung der Rückführung syrischer Flüchtlinge in europäische Länder geben sollte, hatte Bundespräsident Fischer am Sonntag bei der Eröffnung der Politischen Gespräche beim Europäischen Forum Alpbach gefordert. „Dublin aussetzen für einige Zeit und Quotensystem einführen wäre eine gute Kombination von Maßnahmen, und je früher, umso besser“, sagte er gegenüber dem ORF. „Europa muss sich schämen, dass seit Jahren der Umgang mit Flüchtlingen immer noch Fehler aufweist und immer noch Meinungsverschiedenheiten und Egoismen vorhanden sind.“

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