Weltwirtschaft an der Kippe
Die Schwellenländer sind einst für starkes Wirtschaftswachstum gestanden. Davon ist nicht mehr viel übrig. Das gilt besonders für China: Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt wächst so langsam wie seit 1990 nicht mehr.
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Und auch in Brasilien sieht es ganz düster aus. Die Industrie ist eingebrochen, die Arbeitslosigkeit schießt in die Höhe, und die Wirtschaft schrumpft. Das Bild wird vervollständigt durch eine schrumpfende russische Wirtschaft und eine enttäuschende Konjunktur in Indien. Die Nervosität der Anleger nimmt zu. Insgesamt wurden aus den Schwellenländern laut Daten des niederländischen Vermögensverwalters NN Investment Partners in den 13 Monaten bis Ende Juli knapp eine Billion US-Dollar abgezogen.
Seit Jahren waren die Schwellenländer die Hoffnungsträger der Weltwirtschaft, auf die sich die Industrieländer als Abnehmer ihrer Produkte verlassen haben. Jetzt werden sie selbst zu Problemfällen. Und so wie sie einst nach der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise der Weltwirtschaft auf die Sprünge halfen, drohen sie nun diese mit in den Abwärtsstrudel zu reißen.
Pessimismus nimmt zu
Kein Wunder also, dass an den Aktienmärkten die Angst vor einer globalen Konjunkturflaute umgeht. Nach Kurseinbrüchen an den chinesischen Börsen und der überraschenden Abwertung der Landeswährung Yuan (Renminbi) bleiben auch die Märkte in den Industrieländern von dem Pessimismus nicht verschont. Ob Europa, die USA oder Japan: Die Hiobsbotschaften drücken auf die Kurse. In Frankfurt fiel der deutsche Aktienindex DAX zuletzt auf den tiefsten Stand seit Ende Januar.
Die Sorgen der Anleger sind durchaus berechtigt. Auch die US-Ratingagentur Moody’s blickt pessimistisch in die Zukunft. Die Weltwirtschaft werde auf absehbare Zeit nicht mehr das Wachstumstempo aus Vorkrisenzeiten erreichen können, so die Ratingexperten. Grund sei die schwierige Lage in den Schwellenländern.
Vorkrisenboom wirkt noch nach
Die Industrienationen haben es auch aus anderen Gründen derzeit nicht leicht. Sie haben mit weltweit niedrigen Investitionen zu kämpfen. „Die Investitionsschwäche geht wohl auf die weltweit immer noch hohen Kapazitäten zurück, die in den Jahren vor der Lehman-Krise aufgebaut wurden und die immer noch nicht voll ausgelastet sind“, so Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ-Bank.
Hinzu kommen noch Belastungen durch die vielen weltpolitischen Krisenherde. Die Terrormiliz Islamischer Staat, die weiter schwelende Ukraine-Krise und weltweite Flüchtlingsströme sorgen für eine latente Verunsicherung, meint Bielmeier. „So ist es nicht verwunderlich, dass sich die Unternehmen mit Investitionen zurückhalten.“
Auch Deutschland nicht immun
Zwar ist die Konjunktur in den Industrieländern aufgrund einer unverändert starken Binnenwirtschaft derzeit teilweise noch recht robust, doch für Österreich gilt das nicht. Und selbst ein Land wie Deutschland sei nicht immun gegenüber der Schwäche in China, so Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer: „Denn auf ein schlechter laufendes China-Geschäft werden viele Unternehmen zunehmend mit geringeren Investitionen auch im Inland reagieren.“ Auch vom schwächeren Renminbi erwartet er negative Auswirkungen auf die Gewinnmargen, hilft doch ein günstigerer Wechselkurs der chinesischen Exportwirtschaft auf die Sprünge.
Und es gibt noch ein weiteres Problem: Sollte es tatsächlich zu einer massiven globalen Konjunkturflaute kommen, dann haben gerade die Industrieländer wenige Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren: Die Verschuldung ist seit der globalen Krise nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers drastisch gestiegen. Die Staaten haben also wenig Mittel für umfassende Konjunkturprogramme. Und die Notenbanken haben angesichts der Nullzinsen wenig Spielraum, durch weitere Zinssenkungen die Wirtschaft anzukurbeln.
Tobias Schmidt und Jürgen Sabel, dpa
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