„Brüssel, wir haben ein Problem“
Der Vorstoß von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter, die EU-Kommission wegen der EU-Verordnung Dublin III klagen zu wollen, ist für die SPÖ unrealistisch. Kanzler Werner Faymann (SPÖ) bezeichnete eine Klage als „Illusion“.
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Nun rudern Mikl-Leitner und Brandstetter zurück. „Das letzte Wort hat der Bundeskanzler“, betonte Mikl-Leitner im Ö1-Mittagsjournal. Zuvor hatte schon Brandstetter im „Kurier“ gemeint: „Eine Klage wird nicht notwendig sein.“ Die Innenministerin will „nicht schon vorab das Handtuch werfen“ und spielt nun auf Zeit: „Es gibt eine Chance“ und „bevor es hier kein Urteil gibt, gibt es auch keine Klarheit“. Es gehe nun in einem ersten Schritt darum, „geschlossen“ von der EU-Kommission einen Verbesserungsvorschlag zu fordern. Erst wenn zwei Monate nichts passiert, könne man klagen.
Auch Brandstetter setzt nun auf „Kooperation, nicht Konfrontation“. Schließlich sei auch die EU nicht untätig. Es werde jedenfalls keinen Ministerratsvortrag mit einer Klagsdrohung geben: „Inhaltlich kann es nur die Aufforderung an die EU-Kommission sein, die Bemühungen für eine faire Verteilung der Flüchtlinge zu verstärken. Wir wollen klarmachen: ‚Brüssel, wir haben ein Problem‘“, sagte Brandstetter gegenüber dem „Kurier“. Beim Dublin-Verfahren werden Länder an den EU-Außengrenzen wie Italien, Griechenland und Ungarn besonders stark beansprucht, es steht seit Längerem in der Kritik.
Klage für Faymann „Illusion“
Lob für den Vorstoß gab es von der ÖVP, Zweifel hingegen vom Koalitionspartner SPÖ. Schon Donnerstagabend hatte Faymann von einer „Illusion“ gesprochen, eine faire Verteilung von Flüchtlingen in Europa durchzusetzen. Das sei eine „richtige und unverzichtbare Forderung“, sie könne jedoch nur politisch erreicht werden: „So etwas kann man nicht einklagen.“
Es gebe aber keinen Zwist in der Regierung, betonte Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ). Das Innenministerium habe die Unterstützung der gesamten Regierung. Die Klage habe aber keine realistischen Erfolgsaussichten: „Dort, wo es rechtlich begründbar ist und konkrete Auswirkungen hat - wie im Fall der Klage gegen die Atombeihilfe (für das britische Atomkraftwerk, Anm.) Hinkley Point - zögern wir nicht, rechtliche Schritte zu ergreifen.“
Schon zuvor hatte der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts einer Klage gegen die Dublin-Asylregeln wenige Chancen eingeräumt. Rechtliche Grundsätze der Solidarität und der fairen Aufteilung der Flüchtlinge seien nicht einklagbar. Fraglich sei auch, ob Österreich eine Untätigkeitsklage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) erwirken könne, da das Gericht der Kommission keine inhaltlichen Vorgaben machen könne.
EU scheiterte bisher mit verpflichtenden Quoten
Die EU-Kommission hatte ohnehin kühl reagiert. „Jetzt ist definitiv nicht die Zeit, um gegeneinander vor Gericht zu ziehen“, sagte EU-Kommissionssprecherin Annika Breidthard. Es sei aber geplant, das Dublin-System 2016 zu evaluieren. Dabei werde sie die bisherigen Erfahrungen des Umverteilungs- und Resettlement-Mechanismus der EU berücksichtigen.
„Die EU-Regeln können nur voll funktionieren, wenn die Mitgliedsstaaten Solidarität zeigen und sich der Verantwortung stellen“, so die Kommissionssprecherin. Das umfasse das gemeinsame EU-Asylsystem und die Dublin-Verordnung. Schon bisher hatte die EU-Kommission versucht, verpflichtende EU-Flüchtlingsquoten einzuführen. Am Widerstand der Mitgliedsstaaten - auch an Österreich - ist sie dabei aber gescheitert.
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