Themenüberblick

Regierung „nicht aufgewacht“

Beim mittlerweile vierten „Sommergespräch“ war am Montagabend FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zu Gast bei ORF-Innenpolitikchef Hans Bürger. Das Themenspektrum reichte von der aktuellen Asyldebatte über die bevorstehenden Wahlen in Wien bis hin zum „Fass ohne Boden“ Griechenland. Von sich selbst meinte Strache, in den letzten Jahren ruhiger geworden zu sein.

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Grund für diese Feststellung war, dass Strache von Bürger noch ziemlich am Anfang des Gesprächs mit einem – mittlerweile einige Jahre alten – Sager zum Thema Abschiebungen konfrontiert wurde. Er hatte seinerzeit Abschiebungen per Militärmaschine gefordert. Man könne über die Diktion diskutieren, sagte der FPÖ-Chef retrospektiv, aber das ändere nichts am Sachverhalt.

 Heinz-Christian Strache beim ORF-Sommergespräch

ORF/Hans Leitner

Mitunter würde er sich heute „gemilderter“ ausdrücken als früher, so Strache

Es sei die Wahrheit, dass Abzuschiebende mit allen möglichen Mitteln versuchten, sich zu wehren, rechtskräftige Abschiebungen in Zivilmaschinen zu verhindern. Der Rechtsstaat würde so „mit Füßen getreten“. Heute würde er, was er damals gesagt hatte, vielleicht etwas „gemilderter“ ausdrücken, sagte Strache. Er sei im Lauf der Jahre ruhiger geworden.

Kein „Durchgriffsrecht gegenüber eigenen Bürgern“

Der Themenkomplex Asyl bzw. Flüchtlinge dominierte das „Sommergespräch“ – nicht ganz überraschend – überhaupt über weite Strecken. Aufhorchen ließ der FPÖ-Chef mit der Aussage, er würde notfalls sogar eine Neuauflage des Volksbegehrens „Österreich zuerst“ (unter dem verstorbenen Ex-FPÖ-Chef Jörg Haider, 1992), „Österreich zuerst, Teil zwei“, andenken.

Grund dafür war die Einigung von SPÖ, ÖVP und Grünen auf ein Durchgriffsrechts des Bundes gegenüber Ländern und Gemeinden, die zuvor am Montag bekanntgeworden war. Damit wird es möglich, Flüchtlinge auch gegen Widerstand der Lokalpolitik unterzubringen. Man brauche kein „Durchgriffsrecht gegenüber den eigenen Bürgern und Gemeinden“, sagte der FPÖ-Chef dazu. Es brauche stattdessen Grenzkontrollen. Das angekündigte Verfassungsgesetz sei keine Lösung, es sei undemokratisch. „Nein, da braucht es endlich die direkte Demokratie.“ Man könne nicht „über die Gemeinden drüberfahren“.

„Regierung bis heute nicht aufgewacht“

Folglich stellte Strache die Neuauflage von „Österreich zuerst“ in Aussicht, „weil das wichtiger ist denn je“. Die Regierung sei bis heute nicht aufgewacht, andere europäische Regierungen, etwa die deutsche, schon. Es hätte längst einen Assistenzeinsatz des Bundesheeres an der Grenze gebraucht. Außerdem müsse man kommunizieren, dass es sich – etwa für Asylwerber aus dem Kosovo – gar nicht erst auszahle, nach Österreich zu kommen. Im Kosovo gebe es weder Krieg noch Verfolgung.

Die Schuld für das Chaos in Herkunftsländern wie Syrien sah Strache auch bei der NATO und den USA. Die hätten sich dort, auch aus wirtschaftlichen Interessen, militärisch eingemischt und die betreffenden Staaten später dann allein gelassen. Er habe Verständnis, auch für Menschen, die es sich wirtschaftlich verbessern wollen, aber Österreich könne eben nicht alle von ihnen aufnehmen.

Kritik an Amerikanern und NATO

Kritik an den USA und der NATO: Als es darum ging, für Ordnung und Sicherheit zu sorgen, hätten diese die betreffenden Staaten im Stich gelassen.

„Mit Hass und Hetze“ gegen seine Person

Angesprochen auf hetzerische Postings auf seiner Seite im Sozialen Netzwerk Facebook verwies der FPÖ-Chef auf die Frequenz dort. Schon die mache es unmöglich, einen genauen Überblick zu behalten. Wenn er derartige Einträge sehe, würden diese gelöscht. Strafrechtlich Relevantes würde auch angezeigt. Ein konkretes FPÖ-Posting einer Ortsgruppe („Ein Schlepper weniger ...“ nach einem tödlichen Verkehrsunfall) werde er umgehend entfernen lassen, sagte Strache. „So etwas kann nicht sein.“

Stichwort Hetze: Der FPÖ-Chef beklagte in der ORF-Interviewreihe, dass „mit Hass und mit Hetze“ gegen ihn vorgegangen werde. Drohungen seien – Morddrohungen inklusive – in den letzten Jahren häufiger geworden. Die politischen Mitbewerber müssten sich schon die Frage stellen, ob sie nicht eine Mitverantwortung trügen, so Strache sinngemäß.

„Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit“

Für die Wiener Landtags- und Gemeinderatswahlen im Oktober zeigte sich Strache optimistisch. Er warnte insbesondere die SPÖ vor einer weiteren Ausgrenzung der Freiheitlichen. Wenn SPÖ, Grüne und NEOS gegen die FPÖ aufträten, teils sogar „hetzerisch“, dann zeige das, dass man „nicht lernfähig“ sei.

Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) könne sich den burgenländischen Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) – und dessen Koalition mit der FPÖ – zum Vorbild nehmen. Wenn die SPÖ bei der Wahl im Oktober verliere, erwarte er sich Häupls Rücktritt, so Strache. „Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit.“

Fliegender Wechsel mit ÖVP? „Mit Sicherheit nicht“

Beim Thema Wien kam das Gespräch einmal mehr auf das Thema Zuwanderer zurück. In Wien gebe es eine „unglaublich große Zuwanderung“, zum Teil seien die Menschen gut qualifiziert, zum Teil aber nicht. Das führe dazu, dass der Anteil der Mindestsicherungsbezieher in der Bundeshauptstadt der höchste sei, so Strache – wegen der vielen schlecht qualifizierten Zuwanderer. Generell brauche es in Wien Wirtschaftsimpulse, keine Gebührenerhöhungen. In Richtung der Wiener Stadt-Grünen ätzte Strache, dass die beim Projekt Mariahilfer Straße gezeigt hätten, dass man auch ohne Auto über die Bürger „drüberfahren“ könne.

„Mit Sicherheit nicht“, antwortete der FPÖ-Chef auf die Frage, ob er an einen fliegenden Wechsel zu einer Koalition mit der ÖVP auf Bundesebene denke. Es gebe nur einen Weg: Neuwahlen. Alles andere lehne er ab, alles andere „wäre unredlich“. Der Bundesregierung stellte Strache ein ziemlich vernichtendes Zeugnis aus. Bei der Steuerreform etwa habe die SPÖ-ÖVP-Koalition „versagt“, und das nicht nur dort. Den Menschen bleibe von ihrem Einkommen zu wenig übrig, niemand werde der Regierung für steigende Staatsverschuldung, Griechenland-Hilfspakete, „demnächst das vierte, fünfte, sechste“, dankbar sein. Die Leute würden sagen: „Es reicht.“

„Anwürfe und Anschüttungen“ gegen die FPÖ

Er sei „ja dankbar, die Lächerlichkeit Ihres Vorwurfs aufzeigen zu können“, sagte Strache zu einer offensichtlichen Spesenabrechnungen via die Werbeagentur ideen.schmiede, mit der ihn Bürger konfrontierte. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl habe mit der Agentur nur bei Kampagnen zu tun. Umgekehrt habe die Agentur nichts mit der FPÖ zu tun.

 Heinz-Christian Strache  beim ORF-Sommergespräch

ORF/Hans Leitner

Vorwurf der illegalen Parteienfinanzierung: „Alles Unwahrheiten“

Niemand habe Geld, weder per Koffer noch irgendwie sonst, entgegengenommen, so Strache zu Vorwürfen der illegalen Parteienfinanzierung in Richtung seiner Partei und Kickls, die zuletzt aufgetaucht waren. Alles „Anwürfe und Anschüttungen“, sagte Strache. „Das sind alles Unwahrheiten“, die auch rechtliche Konsequenzen für die haben würden, die das Gegenteil behaupteten.

„Fehlprojekt“ Euro und „Schuldenunion“

Den Euro bezeichnete Strache nach den Entwicklungen der letzten Jahre als ein „Fehlprojekt“, das heute „den sozialen Frieden“ gefährden würde. Die Währungsunion sei zu einer „Schuldenunion“ geworden. Griechenland etwa habe sich in den Euro „hineingeschwindelt“, heute sei das Land ein Fass ohne Boden.

Die viel zitierten Griechenland-„Hilfspakete“ seien in Wirklichkeit Hilfspakete für Banken – und nicht einmal für griechische. Er frage sich, wer am Ende das alles zahlen solle. Der Euro werde in seiner derzeitigen Form womöglich nicht weiter bestehen können, glaubt Strache. Möglich, dass es eine Teilung der Wirtschaftsräume geben werde, ein Zurück zu den alten nationalen Währungen inklusive.

Filzmaier: Strache als „Schmusestofftier“

Der Politologe Peter Filzmaier kommentierte in der ZIB2 den Auftritt Straches mit der Einschätzung, dass dessen „Zeit der gezielten Provokationen“ vorbei sei. Der FPÖ-Politiker sei geradezu wie ein „Schmusestofftier“ aufgetreten. Der Grund sei ein einfacher: Strache strebe eine Regierungskoalition an, zuerst in Wien und dann auch auf Bundesebene. In Wien habe es die FPÖ - angesichts der Weigerung von SPÖ, Grünen und NEOS, mit ihr zu koalieren - als „Schmuddelkind“ aber noch etwas schwer.

Die Entwicklungen rund um das Thema Asyl spielten Strache in die Hände - die politische Themenlandschaft sei günstig für die Freiheitlichen. Sie müssten gar keine Lösungen aufzeigen, sondern brauchen nur ihr „Wunschthema“ aufgreifen, so Filzmaier. Ob Straches Image angesichts der Causa Kickl leide, ist für den Politologen ungewiss. Bisher habe er sich „sehr erfolgreich“ abgegrenzt.

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