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Keine Toleranz gegen Korruption

Der winzige Stadtstaat Singapur, nahe am Äquator gelegen, ist ohne Staatsgründer Lee Kuan Yew, der am 23. März dieses Jahres 91-jährig verstarb, kaum vorstellbar. Der smarte Jurist mit Studienabschluss aus Cambridge hat die kleine, ärmliche Insel erst in die Unabhängigkeit von den Briten und dann in die Spitzengruppe internationaler Finanzzentren geführt.

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31 Jahre lenkte er als Regierungschef selbst die Geschicke. Dann saß er noch 20 Jahre als wichtigster Chefberater mit am Kabinettstisch. Seit 2004 ist sein Sohn Lee Hsien Loong Regierungschef. Lee senior machte das rohstoffarme Singapur mit heute 5,4 Millionen Einwohnern zwar zum Exzellenzzentrum für Logistik, für Genforschung, für Nanotechnologie und die Finanzwirtschaft. Das Land hat heute eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt. Aber Lee trieb immer die Sorge, sein „Baby“ könnte doch noch untergehen.

Keine freien Medien

„Worauf ist Singapur schon gebaut?“ fragte er etwa. „700 Quadratkilometer und jede Menge clevere Ideen, die bisher funktioniert haben - aber das könnte alles schnell den Bach runtergehen.“ Mit dieser Sorge im Nacken dirigierte er das Land mit fester Hand. Seine Partei ist seit der Unabhängigkeit an der Macht und hält mehr als 90 Prozent der Sitze im Parlament. Die Medien sind nicht frei, Demonstrationen sind verboten.

Die Regierungspartei kann Wahlkreise nach Belieben umformen. „Ein Autokrat“ war die freundlichste Charakterisierung seiner Kritiker. „Im Westen schätzt man die Freiheiten des Einzelnen. Aber als Asiat mit chinesischen Wurzeln sind meine Werte: eine gute Regierung, ehrlich, effektiv und effizient“, sagte er einmal.

Verleumdungsklagen gegen Kontrahenten

Mit Leuten, die seine Vision nicht teilten, machte er kurzen Prozess. Er zog gegen viele politische Gegner mit Verleumdungsklagen ins Feld. Sie zogen unter den Singapurer Gesetzen stets den Kürzeren, bekamen Millionenstrafen aufgebrummt, gingen bankrott und konnten so nicht mehr für politische Ämter antreten. Es sei halt manchmal nötig, Oppositionspolitiker zu „vernichten“, sagte Lee ohne Reue 2011. Die Regierung verhindere keine politische Konkurrenz. „Wir verhindern, dass Armleuchter ins Parlament oder die Regierung kommen.“

Homosexualität verboten

In Lees Kleinstaat bleibt Homosexualität per Gesetz bis heute verboten, ebenso Kaugummis auf die Straße zu spucken oder nackt in seiner eigenen Wohnung herumzuspazieren. Die Prügelstrafe gilt noch. Als „Kindermädchenstaat“, der Bürger bevormundet - so wird das Land oft belächelt. Doch Investoren kommen in Scharen. Mit null Toleranz für Korruption hat Lee Singapur zum bevorzugten Asienstandort zahlreicher internationaler Banken und Unternehmen gemacht. 1.400 deutsche Unternehmen haben Singapur-Niederlassungen.

Lees Tod dürfte das Land zu Reformen zwingen, schrieb Sally Andrews von der Universität Sydney jüngst in der Zeitschrift „The Diplomat“. Zu Lebzeiten Lees sei die Dominanz seiner Partei PAP garantiert gewesen, aber: „Neue Generationen werden den wirtschaftlichen Erfolg nicht mehr als Quelle der Legitimation nutzen können.“ Wenn sie den Untergang des Regimes verhindern wollten, wäre es hilfreich, die politische Arena für Konkurrenten zu öffnen, so Andrews.

Christiane Oelrich, dpa

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