Grüne appellieren an Heinz Fischer
Auch einen Tag nachdem die Team-Stronach-Abgeordneten Kathrin Nachbaur und Rouven Ertlschweiger zum ÖVP-Parlamentsklub gewechselt sind, geht die Kritik an der „Einkaufstour“ der ÖVP weiter. Die Grünen bekräftigten am Sonntag ihre Warnung vor einer drohenden schwarz-blauen Mehrheit im Nationalrat. Noch liegt eine solche aber nicht in Reichweite.
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Wenn ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka seine „Einkaufstour“ fortsetze, bestünde die Möglichkeit einer schwarz-blauen Mehrheit im Parlament, warnte Bundesparteichefin Eva Glawischnig. „Ein fliegender Wechsel ist in Österreich nicht ausgeschlossen und auch per Verfassung möglich. Allerdings wäre das nicht eine gewählte Mehrheit, sondern eine gekaufte“, so Glawischnig.
Sie fordert, dass Bundespräsident Heinz Fischer eine solche Mehrheit nicht mit der Regierungsbildung beauftragt: „Wir verlangen Widerstand gegen eine mögliche gekaufte schwarz-blaue Mehrheit.“ Fischer solle daher festhalten, dass er dies ohne Wahl - und damit eine demokratische Legitimation - nicht machen würde, erklärte die Grünen-Chefin.
ÖVP verteidigt Wechsel, Kärntner JVP skeptisch
Verteidigt wurde die jüngste Klubverstärkung am Sonntag vom stellvertretenden ÖVP-Klubchef August Wöginger. Er kritisierte die Wortwahl von SPÖ und Opposition in deren Reaktionen und verwies auf Parteiwechsel in der Vergangenheit etwa von der SPÖ zu den Grünen und umgekehrt.

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Skeptisch zum Wechsel zu seiner Partei zeigte sich hingegen der Kärntner JVP-Chef Sebastian Schuschnig, lobte aber gleichzeitig die neue Abgeordnete: „Halte wenig von Parteiwechseln, aber Nachbaur schaffte es, den skurrilen Frank zu vermarkten und war stets die sachliche Konstante des TS“, twitterte Schuschnig. Die Neuzugänge Anfang Juni durch Marcus Franz und Georg Vetter hatte Schuschnig noch weit negativer kommentiert: „Ich hab mich selten so geschämt.“
SPÖ: „Billige Taschenspielertricks“
SPÖ-Klubchef Andreas Schieder hatte am Vortag von „billigen Taschenspielertricks“ der ÖVP gesprochen. Der „liberale Anstrich“, den ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner seiner Partei geben habe wollen, sei durch den Übertritt überdies „endgültig weg“. Mit „Wen juckt’s, ob ein paar Abgeordnete ihre ablaufende Zeit in dem einen oder dem anderen Parlamentsklub absitzen?“, reagierte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl auf den Übertritt Nachbaurs und Ertlschweigers.
„Wenn die ÖVP mit ihrem Wahlergebnis nicht zufrieden ist, soll sie neu wählen lassen, nicht Mandatare kaufen“, kritisierte NEOS-Obmann Matthias Strolz am Samstag die ÖVP. Er verwies darauf, dass Lopatka erst am Freitag einen Wechsel Nachbaurs ausgeschlossen habe. Die ÖVP betreibe „Machtspiele, die einer Parlamentspartei nicht würdig sind“. Auch NEOS fürchtet einen „fliegenden Regierungswechsel“ hin zur FPÖ und forderten eine Neuwahl.
Lopatka: Schwarz-Blau „absolut ausgeschlossen“
Weitere Wechsel vom TS in den ÖVP-Klub hielt Lopatka selbst am Samstag für „wenig wahrscheinlich“. Gefragt nach einem allfälligen fliegenden Wechsel zu Schwarz-Blau - sollte der ÖVP-Klub doch durch weitere Zugänge weiter wachsen - sagte Lopatka, das sei „völlig, absolut ausgeschlossen“.
Fritz Jungmayr zur Möglichkeit eines fliegenden Fraktionswechsels
Auch der stellvertretende Leiter der ZIB-Innenpolitikredaktion, Fritz Jungmayr, erwartet nicht, dass die ÖVP mit den abgeworbenen Team-Stronach-Abtrünnigen einen fliegenden Koalitionswechsel ohne Wahlen plant.
Drei Abgeordnete fehlen
Mit dem Neuzuwachs zählt der ÖVP-Nationalratsklub nun 51 Abgeordnete und damit nur einen Mandatar weniger als die SPÖ-Fraktion. Die Mehrheit der Regierungsfraktion wurde dadurch leicht ausgebaut, von bisher 55,2 Prozent auf 56,3 Prozent. Eine Verfassungsmehrheit ist damit freilich auch noch nicht möglich, hierfür braucht es weiterhin die Freiheitlichen oder die Grünen.
Eine schwarz-blaue Mehrheit im Nationalrat, vor der etwa die Grünen warnen, ist durch die Verstärkung des ÖVP-Klubs noch nicht möglich. Gemeinsam mit der FPÖ verfügt die Volkspartei nun über 89 Abgeordnete, das ergibt 48,6 Prozent. Die Freiheitlichen verfügen aktuell nur noch über 38 Sitze, da zwei Salzburger Abgeordnete nach einer Parteiabspaltung in ihrem Bundesland fraktionslos weitermachen. Auch davor wäre man - hypothetisch - durch die jüngsten Zugänge nur auf 49,7 Prozent gekommen. Aktuell fehlen einer schwarz-blauen Mehrheit im Nationalrat damit drei Abgeordnete.
Nachbaur fand Oppositionsarbeit „frustrierend“
Die neue ÖVP-Abgeordnete Kathrin Nachbaur begründete unterdessen in Zeitungsinterviews mit der „Kleinen Zeitung“ und „Österreich“ (Sonntag-Ausgabe) ihren Schritt. Demnach empfand sie die Oppositionsarbeit mit dem Team Stronach als „frustrierend“. In der österreichischen Politik sei Opposition „frustrierend“, denn „prinzipiell“ werde alles abgeschmettert, so Nachbaur. „Ich hoffe, dass sich das System besser von innen reformieren lässt.“
Mit dem ÖVP-Programm gebe es viel Übereinstimmung, in der Koalition mit der SPÖ müsse sich die ÖVP aber wohl „verbiegen“. Diese Kompromisse werde sie „sicher nicht alle mittragen“, und finanziellen Hilfen für Griechenland etwa wolle sie im Nationalrat „niemals“ zustimmen, so Nachbaur.
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