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EU will neue Messmethodik einführen

Mehr Leistung, weniger Verbrauch: Unter diesem Motto arbeiten viele Autobauer an der Entwicklung neuer Motoren. Damit reagieren die Konzerne einerseits auf die EU-Vorgaben zur Kohlendioxidemission und andererseits auf die zunehmende „Ökologisierung“ von Steuern. In Sachen CO2-Reduktion könnten die Pkw-Hersteller bald unter Druck kommen: Die EU plant die Einführung neuer Messmethoden, mit denen der Spritverbrauch genauer ermittelt werden kann.

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Bei der CO2-Reduktion setzte sich die EU ehrgeizige Ziele: Bis zum Jahr 2020 soll der Kohlendioxidausstoß pro Kilometer bei Pkws von momentan 130 auf 95 Gramm gesenkt werden. Die Autohersteller würden dem Rechnung tragen, sagte Helmut Eichlseder, Leiter des Instituts für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik (IVT) an der Technischen Universität (TU) Graz, gegenüber ORF.at.

„Die treibende Kraft für die Neuentwicklung von Motoren in den letzten Jahren ist eindeutig das Thema CO2-Emissionen.“ Gleichzeitig habe auch die Motorenleistung stetig zugenommen. In den 1990er Jahren sei der Fokus mehr auf der Verringerung des Schadstoffausstoßes gelegen, wobei man auch große Fortschritte gemacht habe, so Eichlseder.

Problem der vollständigen Verbrennung

Die typischen Schadstoffemissionen wie Kohlenmonoxid, Stickoxide (NOx) und Kohlenwasserstoffe sind Produkte unvollständiger Verbrennung. Mit gezielten Maßnahmen zur „Abgasnachbehandlung“ – allen voran der Einsatz von Katalysatoren – sei es gelungen, diese Schadstoffemissionen deutlich nach unten zu drücken, erklärte Eichlseder. CO2 hingegen ist eine stabile chemische Verbindung, die bei der vollständigen Verbrennung entsteht und Hand in Hand mit dem Verbrauch geht.

In den vergangenen Jahren habe es hier durchaus Fortschritte gegeben. Oberklassefahrzeuge wie etwa von Daimler und BMW, die früher zwischen zwölf und 15 Liter Sprit auf 100 km verbrauchten, kämen heutzutage mit 5,5 bis sieben Liter aus. Trotzdem seien, so Eichlseder, große Sprünge wie bei den Schadstoffemissionen nicht gelungen. Das gelte etwa für kleine Autos, bei denen 4,5 Liter auf 100 km realistisch seien. Beispielsweise hätte ein alter VW-Käfer im Gegensatz dazu zehn Liter gebraucht.

NoVA-Höchstsatz bei 32 Prozent

Die Vermeidung von CO2-Emissionen fließt zusehends auch in die heimische Gesetzgebung ein. Seit einigen Jahren wird für die Berechnung der beim Neuwagenkauf fälligen Normverbrauchsabgabe (NoVA) der CO2-Ausstoß eines Fahrzeugs herangezogen. Im Zuge des 2014 verabschiedeten Steuerpaktes wurde der NoVA-Höchstsatz für Autos mit 32 Prozent festgelegt, zuvor war keine Deckelung vorgesehen gewesen.

Hat ein Pkw einen höheren CO2-Ausstoß als 250 g/km, erhöht sich die Steuer für den die Grenze übersteigenden CO2-Ausstoß um 20 Euro je Gramm CO2 pro Kilometer. Im Kalenderjahr 2015 beträgt der Abzugsposten für alle Fahrzeuge 400 Euro, ab dem 1. Jänner 2016 dann 300 Euro. Für Autos mit umweltfreundlichem Antriebsmotor (Hybridantrieb), Verwendung von Kraftstoff der Spezifikation E85 (Ethanol), von Erd- und Biogas, Flüssiggas und Wasserstoff vermindert sich die Steuerschuld bis 31. Dezember 2015 um maximal 600 Euro.

Damit wurde die Steuererleichterung um ein Jahr gegenüber den ursprünglichen Plänen verlängert. Die Idee, Autos mit Benzinmotoren steuerlich besserzustellen als jene mit Dieselmotoren, war von der Regierung kurz vor Verabschiedung des Steuerreformpakets verworfen worden.

„Ökologisierung des Steuersystems sinnvoll“

Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) wertete die Neuberechnung der NoVA entsprechend der CO2-Emissionen damals als „Anreiz zum Kauf von spritsparenden Neuwagen“. „Das ist gut für die Umwelt und die Geldbörse der Autofahrer. Zudem wird damit auch die Erdölabhängigkeit des Verkehrs etwas verringert“, sagte VCÖ-Experte Markus Gansterer. Er plädiert für eine weitere Ökologisierung - etwa durch Streichung der Steuerbegünstigung für Dieselmotoren.

Ähnlich argumentiert auch Günter Emberger, vom Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik der Technischen Universität Wien. Eine „Ökologisierung des Steuersystems“ sei „sinnvoll“, so Emberger gegenüber ORF.at, die Anschaffung eines umweltfreundlichen Autos müsse „entlastet“ werden.

CO2 als Grundlage für Versicherungssteuer?

Denkt man einen Schritt weiter, könnten nicht nur die einmalige Leistung beim Kauf, sondern auch die laufenden Kosten mit dem Emissionsausstoß verknüpft werden: Grundlage für die motorbezogene Versicherungssteuer könnte nicht mehr die Motorleistung, sondern der CO2-Ausstoß sein. Das würde, so die Überlegung, angesichts immer stärkerer, aber sparsamerer Motoren der tatsächlichen Umweltbelastung Rechnung tragen. Doch es gibt mehrere Tücken - vor allem bei der Messung.

Motorbezogene Versicherungssteuer

Die motorbezogene Versicherungssteuer wurde erst im Vorjahr angehoben und stärker nach Motorleistung differenziert. Sie brachte seit ihrer Erhöhung 775 Mio. Euro bzw. um sieben Prozent mehr ein als 2014.

Die Messmethodik zur Ermittlung der CO2-Emission steht vor einem grundlegenden Wandel. Bisher wird er nach dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) bemessen, der in den 1990er Jahren eingeführt wurde. Ab dem Jahr 2017 will die EU den NEFZ gegen die Worldwide Harmonized Test Procedures (WLTP) austauschen. Entwickelt wird der neue Fahrzyklus von Experten im Auftrag der Vereinten Nationen (UNO).

Kraftstoffverbrauch realistisch berechnen

Der neue Normzyklus soll eine weit realistischere Berechnung des Kraftstoffverbrauchs eines Fahrzeugs ermöglichen. Das könnte sich vor allem für die deutsche Autobranche mit ihren teilweise sehr schweren und leistungsstarken Modellen negativ auswirken, wie das „Handelsblatt“ bereits vor zwei Jahren berichtet hatte.

Hintergrund für die Entwicklung eines neuen Standards ist die zunehmende Diskrepanz zwischen dem von Herstellerseite angegebenen Treibstoffverbrauch und der tatsächlich verbrannten Menge Benzin bzw. Diesel. Der Spritverbrauch vieler Autos liege im Schnitt um ein Drittel höher als von den Konzernen angegeben, wie eine Ende September 2014 veröffentlichte Untersuchung der Forschungsorganisation International Council of Clean Transportation (ICCT) zeigte.

Die Kluft zwischen dem offiziellen und dem realen Verbrauch ist laut den Fachleuten so groß wie noch nie. Den Autoren zufolge muss ein durchschnittlicher Autofahrer deswegen Mehrkosten für Kraftstoff von rund 450 Euro pro Jahr verkraften. Der ICCT untersuchte nach eigenen Angaben die Daten von mehr als einer halben Million Fahrzeugen. „Sämtliche uns vorliegende Datenquellen bestätigen, dass die Lücke zwischen dem von Herstellern veröffentlichten Kraftstoffverbrauch und dem tatsächlich vom Kunden festgestellten Verbrauch seit Jahren zunimmt“, so Studienautor Peter Mock. Mock setzt große Hoffnungen in die WLTP: „Die neue Testprozedur wird eine Reihe der Probleme des heutigen Verfahrens beheben.“

Plug-in-Hybride liegen im Trend

Der letzte Schrei auf dem Automarkt sind derzeit Plug-in-Hybride. Sie werden sowohl verbrennungsmotorisch als auch elektrisch betrieben und erfreuen sich bei Österreichs Autofahrern steigender Beliebtheit. Zwischen Jänner und Juni wurden hierzulande 421 Pkws zugelassen, die man nicht nur auftanken, sondern auch zu Hause an der Steckdose aufladen kann. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 108 Autos. Der Zuwachs sei im Sinne des Gesetzgebers, der Elektroantriebe stärker fördern wolle, sagte Eichlseder.

So seien für die Autohersteller spezielle Anreize geschaffen worden. Der Kohlendioxidausstoß eines Fahrzeugs wird in einem Testzyklus nach einer speziellen Formel erhoben. „Für den elektrischen gefahrenen Teil werden die CO2-Emissionen und der Verbrauch auf null gesetzt“, so Eichlseder.

Porsche Panamera SE Hybrid

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Plug-in-Modell von Porsche: Dank dem Abzug der elektrisch gefahrenen Kilometer kommt der Bolide auf absurd niedrige Verbrauchswerte

In der Praxis führt das zu massiven Verzerrungen zwischen theoretischem und praktischem Kraftstoffverbrauch - und zu teils skurrilen Fahrzeugdaten. So verbraucht der Porsche Panamera SE Hybrid bei einer Motorenleistung von 416 PS laut Herstellerangaben nur 3,1 Liter Treibstoff auf 100 km. Der Akku des Sportwagens ließ allerdings bereits nach 24 km nach, wie ein Praxistest der „Bild“-Zeitung zeigte. Der tatsächlich gemessene Verbrauch lag bei 9,9 Litern. Damit sank auch die beworbene Reichweite von mehr als 2.600 auf vergleichsweise geringere 804 km. Ähnliche Abweichungen ermittelten die Tester unter anderem auch beim BMW i8 Pure Impulse. Statt den beworbenen 2,1 Litern verbrauchte der Sportwagen 7,6 Liter auf 100 km.

Philip Pfleger, ORF.at

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