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Desaster an der Golfküste

Es war, wie die „Times-Picayune“ in ihren Sonderausgaben zur Katastrophe schreibt, „der Sturm, den sie immer gefürchtet hatten“: Vier Tage nach seinem Entstehen traf Hurrikan „Katrina“ am 29. August auf die Golfküste. Dabei wurde New Orleans in Trümmer gelegt. Bilder von einer Stadt unter Wasser gingen um die ganze Welt. Die Schäden waren so erheblich, dass die Stadt monatelang unbewohnbar bleiben sollte.

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1.833 Menschen, wie sich später herausstellte vor allem Arme, Senioren und Schwarze, fielen der Naturkatastrophe zum Opfer. Heute geht man davon aus, dass „Katrina“ alles in allem einen Schaden von rund 125 Milliarden Dollar verursachte und damit eine der teuersten Naturkatastrophen war.

Gefahr war bekannt

Am 23. August formte sich „Katrina“ aus einem Tiefdruckwirbel über den Bahamas und wuchs sich in den darauffolgenden Tagen zu einem Sturm mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 280 km/h aus. Meteorologen warnten schon im Vorfeld vor katastrophalen Schäden, Flutwellen und kaum zu vermeidenden Todesopfern. Besondere Sorge galt hierbei bereits New Orleans, das großteils tief unter dem Meeresspiegel liegt.

Satellitenbild von Hurrikan Katrina vom 28. August 2005

Reuters/NOAA/Handout SV/DH

Satellitenbild von „Katrina“

Bereits am 27. August machte „Katrina“ einen kurzen zerstörerischen Zug quer durch Florida und sammelte dann über dem Golf von Mexiko Kraft. Zu dieser Zeit befürchtete man in Mississippi, Louisiana und Alabama bereits das Schlimmste. Die Bundesstaaten riefen den Notstand aus. Am 28. August wurde schließlich New Orleans zwangsevakuiert. Es sei „sehr ernst“, so der damalige Bürgermeister, Ray Nagin.

Bevölkerung auf der Flucht

Während sich die meisten der 1,3 Millionen Bewohner des Großraums New Orleans über verstopfte Highways ins Landinnere flüchteten, verharrten zwischen 50.000 und 100.000 Menschen in der Stadt. Sie konnten oder wollten die Stadt nicht verlassen - viele der Verbleibenden hatten kein Auto oder waren in ihrer Mobilität eingeschränkt. Später entbrannte eine Kontroverse über nicht eingesetzte Schulbusse, die rund 20.000 Menschen in Sicherheit hätten bringen können.

Menschen werden aus dem Superdome Stadium in New Orleans evakuiert

Reuters/Jason Reed

Menschenmassen vor dem „Superdome“

Für mehr als zehntausend Menschen wurde am 28. August die riesige Sportarena „Superdome“ geöffnet. Im Verlauf der kommenden Woche vervielfachte sich die Zahl der in dem Stadion untergebrachten auf rund 30.000 Personen.

Risse in Dämmen

Ab den frühen Morgenstunden des 29. August fegte „Katrina“ schließlich mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 215 Kilometer pro Stunde und starken Regenfällen durch die weitestgehend leeren Straßen New Orleans. Dabei kam es zu erheblichen Verwüstungen: Häuser wurden abgedeckt, Bäume entwurzelt, Scheiben zerbrochen und Strommasten umgeknickt. Meterhohe Flutwellen überschwemmten die Dämme und Teile der Stadt.

Als klar wurde, dass das Auge des Sturms östlich an New Orleans vorbeigezogen war, dachte man erst, die Stadt wäre „einer Katastrophe entgangen“. Tatsächlich blieben die Schäden durch die Kraft des Windes verhältnismäßig gering, doch dann wurde klar, dass wie befürchtet Dämmen, Kanäle und Pumpen ihren Dienst quittiert hatten. New Orleans wurde geflutet, unter anderem mit Brackwasser aus dem See Pontchartrain. Frühe Reparaturversuche scheiterten.

„Die Schüssel füllt sich“

New Orleans lief wie eine Badewanne voll. Mehr als 50 Deichbrüche, Sturmwellen und sintflutartiger Regen setzten rund 80 Prozent der Stadt unter Wasser, an manchen Stellen bis zu 7,60 Meter hoch. Die fatalen Überschwemmungen waren nicht zuletzt Resultat des jahrzehntelangen nachlässigen Umgangs mit dem Hochwassersystem, auf das die Stadt dringend angewiesen war und ist. Denn New Orleans ist umringt von Wasser und liegt zudem zu großen Teilen unter dem Meeresspiegel.

Schon Jahre vor „Katrina“ hatten Experten gemahnt, dass die Dämme einem schweren Hurrikan der Stärke 3 und darüber nicht standhalten würden. „Das Dammsystem war nur dem Namen nach ein System. Es gab eine ganze Reihe von Problemen, die nie korrigiert wurden“, so der Umweltjournalist der „Times-Picayune“, Mark Schleifstein.

Mann rettet sich auf Autodach während Hurrikan Katrina

Reuters/Robert Galbraith

Ein Autodach als Zuflucht

Die Überlebenden mussten indessen in der Stadt ausharren. Der „Superdome“ hielt dem Hurrikan zwar weitestgehend stand, die Zustände für die Eingeschlossenen verschlechterten sich allerdings von Tag zu Tag. Hitze, Gestank, Enge und Lärm nahmen stetig zu. Unbestätigte Gerüchte über Vergewaltigungen und Morde innerhalb des Stadion sorgten für Angst. Mit der Zeit wurden auch Nahrung und Wasser knapp. Jene Überlebenden, die es nicht in den „Superdome“ geschafft hatten, saßen zum Teil Tage von den Fluten eingeschlossen in Booten und auf Dächern fest, bis sie gerettet wurden.

Desaströse Schäden

Die Wassermassen sorgten für derartig erhebliche Strukturschäden, dass die Stadt zu weiten Teilen für Monate unbewohnbar wurde. Viele der für New Orleans charakterischen hölzernen Appartementhäuser wurden zum Teil samt Fundament weggeschwemmt oder stürzten ein. Auch solidere Bauten nahmen schwere Schäden.

Besitztümer und Wertgegenstände verloren sich in den Fluten, in die noch stehenden Strukturen nistete sich binnen kürzester Zeit Schimmel ein. Mit einem Schlag wurden Tausende Familien obdachlos. Während die Stadt zerstört wurde, kam es zu Chaos und Plünderungen, und die Angst vor einem Seuchenausbruch stieg, weswegen am 7. September die Zwangsräumung der Stadt veranlasst wurde.

Kritik an Washington und Katastrophenschutz

Während schließlich die Rettungsmissionen anliefen, wurde langsam auch Kritik an den vollkommen überforderten Behörden laut, die ein im Jahr darauf veröffentlichter Untersuchungsbericht des Repräsentantenhauses bestätigte. So wurden beispielsweise Evakuierungspläne zu zögerlich umgesetzt, das Anlaufen der Katastrophenhilfe dauerte zu lange.

Washington und vor allem die Behörde für Katastrophenmanagement (FEMA) seien von „Nutzlosigkeit, Versagen und organisatorischer Lähmung“ geprägt gewesen. Langfristig kam es nach „Katrina“ auch zu Korruption: 2014 wurde Bürgermeister Nagin wegen der Annahme von Schmiergeldern zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Katastrophe für Bewohner

Für die Bewohner der Golfküste hinterließ „Katrina“ eine niederschmetternde Bilanz: Insgesamt etwa 350.000 Häuser wurden zerstört oder beschädigt, 1,3 Millionen Menschen verloren in der gesamten Region ihr Zuhause. Laut „The Data Center“ konnten Menschen nach einem Monat in rund 600.000 Haushalte immer noch nicht zurückkehren.

Noch drei Monate später waren rund 40 Prozent der Stadt ohne Stromversorgung. Kämpfe um Versicherungsleistungen und Schadenersatzzahlungen wurden für die Rückkehrer zum Alltag. Zum Entsetzen der Bewohner wurde im Nachhinein sogar erwogen, ganze Viertel aufzugeben - ein Plan, der letztlich allerdings nicht umgesetzt wurde.

Rascher Wiederaufbau

Die Wiedererrichtung der Stadt und der Aufbau eines neuen Hochwassersystems gingen letztlich rascher voran, als die Bewohner von New Orleans es erwartet hätten. Milliarden wurden in den Wiederaufbau und die Errichtung eines adäquaten Flutschutzsystems gepumpt, das aus den größten Pumpanlagen der Welt und 2,9 Kilometer langen und knapp acht Meter hohen Flutmauern besteht.

Maßgeblich am Wiederaufbau beteiligt waren unter anderem auch Bürgerinitiativen, welche die Revitalisierung ganzer Viertel vorantrieben. Bildung und Gesundheitssystem haben sich verbessert, und Tourismus und Wirtschaft wachsen. Mittlerweile hat die Bevölkerungszahl der Region laut der US-Volkszählungsbehörde wieder 94 Prozent des Standes vor „Katrina“ erreicht.

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