Warten auf Details zu Sanktionsaufhebung
Die Einigung in dem zähen Atomstreit mit dem Iran hat auch Bewegung in die internationalen wirtschaftlichen Beziehungen gebracht. Die ersten westlichen Politiker und Unternehmen knüpfen wieder offiziell Kontakte, um die jahrelang auf Eis gelegten Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran aufzutauen.
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Insbesondere europäische und asiatische Unternehmen erhoffen sich nun Milliardengeschäfte mit dem Iran. Profitieren wird in erster Linie der Energiesektor von Öl- bis zu Tankerfirmen, ist doch der Iran nach Angaben der US-Energiebehörde das Land mit den viertgrößten Öl- und den zweitgrößten Erdgasreserven weltweit. Aber mit rund 80 Millionen Einwohnern gilt der Iran auch als wichtiger Absatzmarkt für Konsumgüter.
Auf Besuch in Teheran
Unter europäischen Autoherstellern hat das Gerangel um den neuen Wachstumsmarkt bereits begonnen. Vor allem die französischen Hersteller Peugeot und Renault und auch die deutsche Konkurrenz von VW bis Daimler mischen dabei mit. Peugeot führte bereits Gespräche, um das Geschäft mit dem langjährigen iranischen Partner Chodro wiederaufleben zu lassen. Bei VW heißt es offiziell, dass es „aktuell keine Wiederaufnahme von gesellschaftlichen Aktivitäten“ im Iran gebe. Doch Insidern zufolge überlegt VW, die Marken Skoda und Seat im Iran einzuführen.
Nicht umsonst sind Minister aus Frankreich und Deutschland unter den Ersten, die Besuche in Teheran absolvierten. Als erster westlicher Spitzenpolitiker nach dem Atomdeal war Mitte Juli bereits der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel in Teheran zu Gast. Rund eine Woche darauf folgte Frankreichs Außenminister Außenministers Laurent Fabius, und dieser übermittelte bei dieser Gelegenheit seinem iranischen Amtskollegen Mohammed Dschawad Sarif auch gleich für Staatspräsident Hassan Rouhani eine Einladung von Frankreichs Präsident Francois Hollande nach Paris.
Österreich hofft auf Milliardengeschäft
Auch für Österreich hat der Deal direkte Auswirkungen. Firmen können wieder Geschäfte im Iran machen. Bundespräsident Heinz Fischer will mit einer großen Wirtschaftsdelegation als erstes EU-Staatsoberhaupt seit 2005 den Iran besuchen und die bilateralen Beziehungen forcieren. Der Besuch wurde seit 2013 mehrfach verschoben und soll nun nach dem positiven Abschluss der Atomverhandlungen stattfinden. Kontakte werden schon jetzt forciert. Bereits in der kommenden Woche wird eine 50-köpfige Delegation aus dem Iran mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft zu einer internationalen Konferenz in Wien erwartet.
Die österreichische Wirtschaft, allen voran Maschinenbauer, der Chemiesektor und Baukonzerne, hofft in den kommenden vier, fünf Jahren der Exporte auf rund eine Milliarde Euro von zuletzt 232 Mio. Euro im Jahr 2014 zu erhöhen. „Die iranische Industrie ist breit aufgestellt, ist aber jetzt veraltet und hat durch die Sanktionen einen enormen Nachholbedarf in vielen Sektoren“, sagte der zuständige Regionalmanager der Wirtschaftskammer (WKO), Hans-Jörg Hörtnagel.
OMV in Warteposition
Viele Unternehmen verharren allerdings noch in Warteposition, in welchem Umfang die Sanktionen tatsächlich aufgehoben werden. Laut Abkommen sollen diese schrittweise fallen. Die OMV sieht die Einigung zwar als „positives Signal“, für Schlüsse daraus sei es aber noch viel zu früh, so OMV-Sprecher Johannes Vetter: „Jetzt kommt es auf die genauen Inhalte und die Umsetzung an.“
Der ehemalige OMV-Chef Gerhard Roiss meinte allerdings erst Mitte Juni, dass er mit einer politischen und wirtschaftlichen Integration des Iran rechne und die OMV darauf vorbereitet sei. Derzeit liefert der Iran kaum Produkte nach Österreich. 2014 betrug das Einfuhrvolumen 19 Mio. Euro. In den ersten vier Monaten 2015 lag es bei 3,7 Mio. Euro (minus 64 Prozent). Österreich bezieht vom Iran hauptsächlich Farbstoffe, Teppiche und Trockenfrüchte.
Teppiche für die USA
Während mit dem Abkommen UNO- und EU-Sanktionen weitgehend aufgehoben werden sollen, bleiben die Einschränkungen laut Weißem Haus auf US-Handel und -Investitionen erhalten. Ausgenommen davon sind Importe von bestimmten Nahrungsmitteln wie Pistazien und Teppiche und der Export von Ausstattung für den Bau von zivilen Flugzeugen - was besonders Boeing zugutekommen könnte. Für den Iran ist der US-Markt besonders für Teppiche interessant, zählten doch die USA vor den Sanktionen zu den größten Abnehmern für Handgeknüpftes aus dem Iran.
Für Investitionen in den Iran geben sich die US-Unternehmen zögerlicher. Beobachter gehen davon aus, dass sich zunächst wenig ändern werde. Viele wollen gerade wegen der Details zur Aufhebung der Sanktionen abwarten. „Ich glaube, es wird noch viel Kopfzerbrechen geben“, sagte Blaise Misztal vom US-Thinktank Bipartisan Policy Center im CNBC-Interview. Niemand wolle der Erste sein, der Details des Abkommens missversteht und falsch interpretiert, welcher Teil der Sanktionen bereits aufgehoben wurde und welcher nicht.
Die meisten Gewinne für Geschäfte im Energiesektor werden nicht US-Firmen zugutekommen, da sie die politischen Kosten von Geschäften mit Teheran nicht zuletzt aufgrund der Skepsis im US-Kongress abwägen, sagte Alireza Nader, politischer Analyst beim Thinktank Rand Corp gegenüber dem US-Sender CNBC. „Es wird schwierig für Banken und Unternehmen (aus den USA, Anm.), in den Iran zurückzukehren“, ist Nader überzeugt. Zudem stehe der Iran weiterhin auf der US-Liste der Länder, die Terrorismus unterstützen.
Entscheidender Paragraf
In einem Anhang zu den Sanktionen in dem internationalen Atomabkommen mit dem Iran ist fixiert, dass die USA ausländischen Niederlassungen von US-Unternehmen Handelslizenzen ausstellen können. Diese Zweigstellen können „sich bei Aktivitäten im Iran engagieren, die im Einklang“ mit dem Atomabkommen stehen. „Dieser kleine Paragraf ist wirklich eine große Sache“, analysierte Elizabeth Rosenberg von Venter for a New American Security im „Washington Post“-Interview. Diese Klausel könne US-Konzernen das Tor in den Iran öffnen.
Experten erwarten, dass der Banksektor auch in den USA von dem Atomdeal profitieren werde. „Alle wichtigen Bankinstitutionen der Industrieländer werden versuchen, den verstärkten Handel mit dem Iran zu finanzieren und zu erleichtern“, sagte der Bankenexperte bei der US-Ratingagentur Kroll Bond, Christopher Whalen. In den USA würden vor allem die großen Player wie Citibank, JPMorgan, Goldman Sachs und Morgan Stanley profitieren.
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