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Schlagabtausch auch in Koalition

Die Sondersitzung des Nationalrats zur Griechenland-Hilfe hat am Freitag zu hitzigen Debatten geführt. Die Regierungsfraktionen verteidigten ihre Zustimmung zum Verhandlungsmandat über das dritte Hilfspaket, die Opposition ihre Ablehnung. Kanzler Werner Faymann (SPÖ) versuchte die Abgeordneten von dem Hilfspaket zu überzeugen. Angriffslustig zeigte sich ÖVP-Klubchef Reinhold Lopakta - auch in Richtung Koalitionspartner.

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Mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP wurde das Paket schließlich beschlossen. Faymann hatte zuvor Österreichs „Verantwortung in diesem gemeinsamen Europa“ betont. Das Griechenland-Paket sei „ein erster Schritt“ und eine „ernsthafte Chance“. Die Frage sei: „Geben wir diese Chance oder geben wir sie nicht?“

Faymann: „Erster Schritt“

Hilfe für Griechenland müsse darin bestehen, dass das Land selbst wieder auf dem Markt Geld bekomme und mit seinem Haushalt zurechtkommen könne und nicht auf Hilfe von Gläubigern angewiesen sei, so Faymann. „Es gibt kein Paket, das die Griechen von heute auf morgen in diese Situation bringen würde“, räumte der Kanzler ein, aber es gebe jetzt „einen Versuch, einen ersten Schritt“, einen „Grexit“ abzuwenden. Es gebe keine Garantie, aber mit dem Plan einer Hilfe von 82 bis 86 Mrd. Euro über drei Jahre einen „ersten Schritt eines harten Weges“ in Richtung eigenständiger Entscheidung Griechenlands.

Die Rede von Bundeskanzler Faymann

Faymann plädierte für das Griechenland-Paket, obwohl es „jedenfalls ein harter Weg sein“ werde.

In der Frage der Schuldentragfähigkeit würden die Finanzminister und Experten noch einiges zu tun haben. Bei 18 Gläubigern sei auch klar, dass „nicht nur zählt, was wir sagen“, aber alle hätten versucht, zu einem gemeinsamen Programm zu kommen. Den Ansatz zu investieren „unterschreibe ich zu 100 Prozent“, bekräftigte er. „Denn letztlich kann man sich aus der Krise nur hinausinvestieren.“

Wirtschaft soll arbeiten können

Das Argument, wonach man nur den Banken helfe, wollte Faymann absolut nicht gelten lassen: Wenn ein Pensionist vor einer Bank stehe und weine, weil er kein Geld bekomme, sei das für alle ein schreckliches Bild, „also das Schließen von Banken kann kein Ziel sein“. Es gehe darum, dass die griechischen Banken in eine Situation kommen, dass die Wirtschaft arbeiten könne und die Menschen mehr als 60 Euro am Tag abheben könnten.

SPÖ-Klubchef Andreas Schieder betonte, die Sozialdemokraten würden einem weiteren Hilfspaket und der Verhandlungsermächtigung für die österreichischen Vertreter zustimmen. Es handle sich um „keine einfache Entscheidung“, aus seiner Sicht aber um eine „richtige“. Ein „Grexit“ hingegen wäre ein „Desaster“ für die Menschen in Griechenland und die wirtschaftliche Entwicklung. Massive Probleme befürchtet Schieder in diesem Fall auch für Österreichs Wirtschaft.

Lopatka teilt aus

ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka griff zu Beginn seiner Rede die Grünen an: „Einem Ertrinkenden den Rettungsring zu verweigern, das ist Ihre Solidarität?“ Die Grünen seien mit den Freiheitlichen „in einem Boot, nur Sie merken’s nicht“. Lopatka teilte aber nicht nur in Richtung Opposition aus, sondern auch gegen den Koalitionspartner. Zunächst kritisierte der ÖVP-Klubobmann den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras und dessen linke Partei SYRIZA, die nötigen Reformen, etwa die „horrenden Rüstungsausgaben hinunterzuschrauben“, bisher nicht in Angriff genommen zu haben.

„Herr Bundeskanzler, mir fehlt hier jede Sympathie für Tsipras und SYRIZA, ich hoffe, Sie verstehen mich“, so Lopatka zu Faymann. Ein Regierungschef, der nicht reformbereit sei, „der kann nie meine Sympathie haben“. Er hoffe, dass die nun in Aussicht gestellte nochmalige Hilfe für Griechenland eine „Katastrophe“ abwende, daher stimme die ÖVP dem Verhandlungsmandat zu. Der SPÖ-Abgeordnete Kai Jan Krainer kritisierte Lopatkas „billige parteipolitische Polemik“ in dieser Diskussion. Lopatka habe „nicht Sympathien zu Menschen in einem Land, sondern nur zu Parteifreunden“.

Schelling verteidigt Maßnahmen

Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) verteidigte die geplanten Maßnahmen. Er zeigte sich „felsenfest davon überzeugt“, dass Griechenland mit oder ohne Hilfsprogramm die Reformen angehen muss, um wieder auf eine erfolgreiche Spur zu kommen. Kritik, dass es sich bei den geplanten Maßnahmen um ein reines Sparprogramm handle, wies er einmal mehr zurück.

Die Rede von Finanzminister Schelling

Die Bedingungen, die Griechenland erfüllen muss, seien notwendig, sagte Schelling.

Viel eher gehe es um Privatisierungen, Reformen des Arbeitsmarktes und die Modernisierung und Stärkung der Verwaltung. Diese Neuerungen seien „dringend erforderlich“ und eine Voraussetzung. Der Finanzminister ist auch der Meinung, dass das Hilfsprogramm nicht nötig wäre, wäre der Staat imstande, die Steuern einzutreiben.

Dass die Oppositionsparteien die geplanten Maßnahmen nicht unterstützen und ihm das Mandat für die Verhandlungen nicht erteilen, „das verstehe ich ganz ehrlich gesagt auch nicht“, so Schelling. Nach der Mandatserteilung werde im nächsten Schritt das Memorandum of Understanding verhandelt, dann werde die Schuldentragfähigkeit festgestellt.

Kritik an Varoufakis

Dass Faymann oder er selbst „erpresserische Vorgänge unterstützt“ hätten, gegen diesen Vorwurf wehrte sich Schelling. Griechenlands früherer Finanzminister Gianis Varoufakis hingegen habe „erpresst und gepokert“. Österreich sei hingegen mit Kompromissen in die Verhandlungen gegangen. Lobend hob er seinen neuen griechischen Amtskollegen Efklidis Tsakalotos hervor. Dieser versuche im Gegensatz zu seinem Vorgänger Varoufakis nicht, „Vorträge über die Weltverbesserung“ zu halten. Vielmehr sei er konstruktiv sowie bereit zu Reformen und dazu, Hilfestellungen anzunehmen.

Strache: „Grexit“ „wär g’scheit“

Die Freiheitlichen pochten auf den Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone. „Wenn man das nicht einsieht, wird weiter Geld verbrannt“, so Klubchef Heinz-Christian Strache. Das geplante dritte Hilfspaket für das Land komme wie die anderen nicht bei der Bevölkerung an, es handle sich lediglich um ein „Paket für Banken und Spekulanten“. Ein Fehler sei es bereits gewesen, Griechenland in die Euro-Zone aufzunehmen, nun sollte das Land zur Drachme zurückkehren.

„Der geordnete Ausstieg, der Grexit, das wär g’scheit“, so Strache. Er drängte einmal mehr darauf, die österreichische Bevölkerung über eine weitere Unterstützung zu befragen. Dass die Freiheitlichen die Zustimmung zur Sitzungsdurchführung in der Früh verweigert hatten, verteidigte Strache, denn damit mache man erst recht „die Mauer“ für die Regierung.

Grüne für Schuldenerleichterung

Die nun geplanten Maßnahmen für Griechenland seien lediglich ein „Grexit auf Zeit, das ist unsere Sorge“, daher lehne man den Beschluss des Verhandlungsmandats ab, so Klubobfrau Eva Glawischnig. Das sei, wie wenn man einem Marathonläufer, der bereits einen Schuss im Knie hat, „auch noch ins zweite Knie schießt“.

Auch Glawischnig befürchtet, dass der Großteil des Hilfspakets zur Schuldentilgung aufgewendet wird und nicht bei der Bevölkerung oder der Wirtschaft landet. Daher brauche es eine Schuldenerleichterung für das Land, verwies sie auf einen entsprechenden Entschließungsantrag ihrer Partei. Gefordert sei hingegen, etwa die Privatisierungen zu überdenken und die Rüstungsausgaben zu senken.

Team Stronach findet Summe „unfassbar“

Das Team Stronach (TS) verwies darauf, dass bereits „unfassbare“ 216 Mrd. Euro in die Rettung Griechenlands geflossen seien. Jeder Österreicher habe etwa 1.000 Euro beigetragen, so Klubchefin Waltraud Dietrich. Auch sie geht davon aus, dass das Rettungspaket nicht dem Volk, sondern nur Banken und privaten Geldgebern zugutekommt. „Wir fühlen uns Österreich verpflichtet, daher ein klares Nein vom Team Stronach zu weiteren Zahlungen nach Griechenland“, so Dietrich. Ein „Grexit“ wäre zwar teuer, aber ein europäischer Finanzausgleich, eine Transferunion, wäre „unfinanzierbar“.

Die Debatte zum Nachsehen

Die gesamte Sondersitzung zur Griechenland-Hilfe ist in tvthek.ORF.at nachzusehen.

NEOS: Insolvenz mit Schuldenschnitt

NEOS-Klubobmann Matthias Strolz erklärte das Nein der Seiner Fraktion, die sich diese Entscheidung nicht einfach gemacht habe: Das dritte Hilfspaket sei eine „Fortsetzung der Insolvenzverschleppung, das können wir der griechischen Bevölkerung nicht zumuten“.

Es sei auch eine „unmutige Lösung“, die in einem „beklemmendem Showdown“ zustande gekommen sei. Wenn Tsipras nun davon spreche, dass er an die Maßnahmen nicht glaube, sowie von „Erpressung“, „dann bin ich zumindest einmal aufseiten von Tsipras“, so Strolz. Viel eher brauche es nun eine entschlossene humanitäre Hilfe und eine Stabilisierung der griechischen Banken. Er pochte auch auf eine geordnete Insolvenz mit einem Schuldenschnitt.

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