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Nachbarstaaten begrüßen Einigung

Der iranische Präsident Hassan Rouhani hat die Einigung im Atomstreit als „Ende der feindseligen Politik“ gegen sein Land und als Beginn einer neuen Ära der Kooperation bezeichnet. „Heute ist ein Tag des Aufbruchs in eine bessere Zukunft für unsere Jugend, für mehr Fotrschritt und Wohlergehen“, sagte er in einer Rede an die Iraner.

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In Richtung besorgter Nachbarstaaten betonte der als gemäßigt geltende Reformer: „Lasst euch nicht von der Propaganda täuschen. Wir wollen keine Massenvernichtungswaffen, wir wollen keine militärischen Spannungen, sondern euch mit Brüderlichkeit entgegentreten und bessere Beziehungen und Frieden.“ Die Einigung sei von Vorteil für alle beteiligten Seiten.

„Alle Seiten als Sieger“

„Diese Verhandlungen konnten nie mit einer Sieger-Verlierer-Lösung enden. Wir wollten, dass alle Seiten als Sieger dastehen“, so Rouhani. Der Atomstreit sei zu einer Iran-Phobie hochgespielt worden. „Uns wurde unterstellt, dass wir Massenvernichtungswaffen herstellen. Wir haben beides durch Verhandlungen widerlegt." Er warb auch im eigenen Land für den Kompromiss: "Wir haben es geschafft, unsere nationalen Interessen zu wahren und einen Wendepunkt zu erzielen.“

Der iranische Präsident sprach auch Israels jahrelange Warnungen vor einer drohenden atomaren Bewaffnung des Iran an. „Alle Anstrengungen des zionistischen Regimes (Israel) während der vergangenen Jahre sind heute gescheitert“, sagte er. Das gelte vor allem für die Unterstellung, sein Land wolle Atombomben bauen. Nun seien aber alle Verdächtigungen dieser Art vom Tisch. „Darüber freuen sich auch alle (arabischen) Länder der Region“, sagte Rouhani.

Iran: Anerkennung auch von Konservativen

Anerkennung gab es auch von konservativen Reformgegnern in Teheran. „Das Atomteam hat in einer einzigartigen Art und Weise und mit viel diplomatischem Geschick die Interessen des Landes erfolgreich verteidigt“, so die konservative Partei Isargaran (Selbstlose) am Dienstag in einer Mitteilung. Dafür verdienten Außenminister Mohammed Dschawad Sarif und sein Team den Dank des ganzen Volkes, zitierte die Nachrichtenagentur ISNA aus der Erklärung. Noch vor wenigen Wochen hatten Isargaran-Mitglieder Sarif im Parlament als „Verräter“ beschimpft, weil er gegenüber „den Feinden des Landes“ zu kompromissbereit sei.

Die Oppositionsgruppe Nationaler Widerstandsrat Iran (NWRI) kritisierte das Abkommen hingegen scharf. Teherans Verhandlungspartner hätten versäumt, dem iranischen Streben nach Atomwaffen endgültig Einhalt zu gebieten. Zudem sei der Kompromiss nicht völkerrechtlich bindend und lasse zu viele Schlupflöcher offen. Der Widerstandsrat äußerte aber die Hoffnung, dass das Abkommen einflussreiche Hardliner im Iran verärgere und die Vormachtstellung des geistlichen Führers Ali Chamenei gefährde. Insofern handele es sich um eine „Lose-Lose“-Lösung für beide Seiten.

Türkei: „Gute Nachricht“

Die iranischen Nachbarstaaten Türkei, Pakistan und Afghanistan begrüßten die Einigung. Das Abkommen sei „eine sehr gute Nachricht für die türkische Wirtschaft“, schrieb der türkische Finanzminister Mehmet Simsek auf Twitter mit Blick auf den bilateralen Handel. Das Außenministerium der Atommacht Pakistan teilte mit, die Regierung in Islamabad habe sich stets für eine friedliche Lösung des Atomstreits ausgesprochen. In einer Mitteilung des afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani hieß es, die Regierung in Kabul begrüße alle Anstrengungen, die Frieden und Stabilität in der Region stärkten.

Syriens Machthaber Baschar al-Assad bezeichnete das Abkommen als „großen Sieg“ für Teheran. Die Unterzeichnung der Übereinkunft sei ein „bedeutender Wendepunkt in der Geschichte des Iran, der Region und der Welt“, schrieb Assad am Dienstag. Zugleich deutete Assad an, dass er mit mehr Hilfe aus Teheran rechnet. Der Iran ist im syrischen Bürgerkrieg der wichtigste Verbündete des Regimes. Nach Einschätzung von Beobachtern kann das Regime in Damaskus nur noch dank der Hilfe aus Teheran überleben.

Iranische Wirtschaft braucht Wachstum

Die Einigung in Wien ist ein wichtiger Erfolg für Rouhani, er steht nun aber auch vor neuen Herausforderungen. Er muss die Sanktionserleichterungen in Wirtschaftswachstum umsetzen. Mit dem konkreten Abkommen erwartet die Bevölkerung des Landes konkrete Ergebnisse. Rouhani hatte sich mit seinem Außenminister Mohammed Dschawad Sarif seit seinem Amtsantritt im Juni 2013 für eine Einigung im Atomstreit starkgemacht. Im kommenden Februar wird im Iran das Parlament neu gewählt. Allerdings dürfte es einige Zeit dauern, bis eine Aufhebung der Sanktionen auch Wirkung zeigt.

US-Regierungskreisen zufolge kann der Iran bei einer Umsetzung des Atomabkommens auf die Freigabe von eingefrorenen Geldern in Milliardenhöhe hoffen. Die Summe belaufe sich auf mehr als 100 Milliarden Dollar, sagten US-Regierungsvertreter am Dienstag in Wien. Im Zuge der Sanktionen gegen den Iran wurde dem Land auch der Zugang zu Finanzmitteln auf internationalen Konten verwehrt.

Chamenei lädt zum Fastenbrechen

Das Abkommen ist aber auch ein Erfolg für Chamenei. Der Konservative stellte sich zwar hinter die Verhandler, zeigte sich zuletzt aber immer misstrauisch und zog laufend neue „rote Linien“. Chamenei lud nach der Bekanntgabe einer Einigung Rouhani sowie alle Minister in die Führerresidenz zum Fastenbrechen. Beobachter in Teheran legen diese nicht im Voraus geplante Einladung als Befürwortung der Atomeinigung durch den obersten Führer des Landes aus. Laut iranischer Verfassung hat Chamenei das letzte Wort in allen strategischen Belangen, also auch in der Atompolitik.

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