„Zeigt, wie tief der Hass sitzt“
Im Bürgerkriegsland Südsudan haben Soldaten Zeugen zufolge zahlreiche Frauen und Mädchen entführt, mehrfach vergewaltigt und einige von ihnen anschließend lebendig verbrannt. „Das Ausmaß der Grausamkeit zeigt, wie tief der Hass sitzt, der über politische Differenzen weit hinausgeht“, geht aus einem Bericht der UNO-Friedensmission im Südsudan (UNMISS) hervor, der am Dienstag veröffentlicht wurde.
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Während der jüngsten Kämpfe im nördlichen Bundesstaat Unity seien „weitreichende Menschenrechtsverstöße“ registriert worden, hieß es weiter. Für den Report hatten UNMISS-Mitarbeiter 115 Überlebende und Augenzeugen interviewt. Die Schilderungen machten eine „neue Brutalität und Intensität“ des seit 18 Monaten andauernden Konflikts deutlich, hieß es.
„Zivilisten getötet und ausgeplündert“
Die jüngsten Grausamkeiten seien im Zuge einer neuen Eskalation der Kämpfe im ölreichen Unity im April und Mai verübt worden, so der UNO-Bericht weiter. Dabei seien „Zivilisten getötet und ausgeplündert, Dörfer zerstört und mehr als 100.000 Menschen in die Flucht getrieben“ worden, erklärte UNMISS. Verantwortlich seien vor allem Soldaten der Sudan People’s Liberation Army (SPLA) und Mitglieder anderer bewaffneter Gruppen, die mit der Armee verbündet sind.
Das erst 2011 unabhängig gewordene Land versinkt seit Ende 2013 im Chaos. Damals eskalierte der Machtkampf zwischen Präsident Salva Kiir und seinem langjährigen Rivalen und früheren Stellvertreter Riek Machar. Seitdem ist der junge, schwach entwickelte Staat in einer Spirale der Gewalt versunken.
Verschärft wurde der Konflikt dadurch, dass die Politiker unterschiedlichen Volksgruppen angehören. Schätzungen zufolge wurden Zehntausende Menschen in dem Konflikt getötet, zwei Drittel der zwölf Millionen Einwohner sind nach UNO-Angaben auf Hilfe angewiesen, 4,5 Millionen leiden unter Nahrungsmittelknappheit. Zwei Millionen Menschen wurden bereits vertrieben, etwa eine halbe Million von ihnen hat laut UNO-Schätzungen Zuflucht in Nachbarländern gesucht, vor allem in Äthiopien, im Sudan und in Uganda.
Entführte Buben zu Kindersoldaten gemacht
Die Konfliktparteien haben laut einem Bericht jüngst bis zu tausend Kinder im Südsudan zwangsrekrutiert. In dem Ende Mai vorgelegten Bericht des ostafrikanischen Staatenbunds IGAD heißt es, an zwei Tagen Anfang des Monats seien Rebellen in zwei Dörfern im nördlichen Bundesstaat Upper Nile von Haus zu Haus gegangen und hätten Buben mitgenommen, die teilweise erst 13 Jahre alt gewesen seien. Diese seien anschließend in Ausbildungslager gebracht worden.
Als Drahtzieher sieht das acht ostafrikanische Länder umfassende Staatenbündnis in seinem Bericht den örtlichen Milizenkommandeur Johnson Olony. Der ehemalige Armeegeneral wechselte im Mai ins Lager der Rebellen und ist dafür berüchtigt, in der Vergangenheit Kindersoldaten rekrutiert zu haben.
„Kinder zwischen den Fronten“
Jedes zehnte Kind weltweit wächst in einem Kriegsgebiet auf. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) rechnet in seinem neuen Bericht „Kinder zwischen den Fronten“ vor, dass derzeit rund 230 Millionen Kinder in ihren prägenden Lebensjahren Unsicherheit, Hass und Gewalt erleben.
„Wir erleben weltweit eine der schlimmsten Phasen von Konflikten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs“, erklärte der UNICEF-Programmdirektor Ted Chaiban anlässlich der Vorstellung des Berichts. „Es besteht die Gefahr, dass ganze Generationen von Kindern Gewalt und Instabilität als normalen Teil ihres Lebens ansehen, diese Erfahrung darf sich nicht verfestigen, humanitäre Hilfe muss auch langfristige Perspektiven für Kinder und Jugendliche schaffen“, ergänzte er.
Die schlimmsten Konfliktherde
Laut dem UNICEF-Bericht waren Kinder im vergangenen Jahr weltweit in 23 Konflikten schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Besonders schlimm sei die Lage in Syrien, im Irak, im Südsudan und in der Zentralafrikanischen Republik gewesen. Auch in den Palästinensergebieten, in Libyen und im Jemen seien Kinder extremer Gewalt ausgesetzt. Aber auch in dauerhaften Konflikten wie in Afghanistan, in Somalia oder im Sudan bleibe die Lage sehr problematisch.
In den Konflikten würden Kinder verletzt, verstümmelt oder getötet. Viele würden entführt, erlitten sexuelle Gewalt oder würden als Kämpfer zwangsrekrutiert.
Das Problem mit IS und anderen Gruppierungen
Gruppen wie die Terrormilizen Islamischer Staat (IS) und Boko Haram missachteten die Prinzipien des humanitären Völkerrechts bewusst, um dadurch maximale Aufmerksamkeit zu erregen. Trotzdem übten sie vor allem auf einige junge Menschen eine gewisse Faszination aus, stellt der UNICEF-Bericht fest. „Ideologien wie die des IS versprechen Abenteuer, soziale Nähe und das Gefühl, Grenzen überwinden zu können, die Jugendlichen im Alltag auferlegt werden.“
UNICEF kritisierte, dass auch Krankenhäuser und Schulen zunehmend Ziele von Angriffen würden. Dabei spiele Bildung eine besonders wichtige Rolle bei der Suche nach Auswegen aus Konflikten. Das UNO-Kinderhilfswerk verwies darauf, dass in etwa der Hälfte der Konflikte binnen fünf Jahren nach ihrem Ende erneut Gewalt aufflamme. Jüngstes Beispiel dafür sei eben der Südsudan. Kinder könnten in Friedensprozessen eine wichtige Rolle als „Agenten des Wandels“ spielen und müssten daher aktiv einbezogen werden, forderte UNICEF.
Was die Kinder brauchen
Die grundlegenden Rechte von Kindern müssten geachtet werden. Dazu sei eine engere Verknüpfung von Nothilfe mit langfristig angelegter Entwicklungshilfe nötig, erklärte die Organisation. Insbesondere müssten betroffene Kinder mehr psychosoziale Betreuung erhalten. Die Hilfsorganisation rief Spender auf, bei humanitärer Hilfe nicht nur an Nahrung, Kleidung und Obdach zu denken, sondern auch an Schulbildung für die jungen Kriegsopfer.
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