NGOs auf Politmission
Auf den Tag vor vier Jahren hat der Südsudan seine Unabhängigkeit beschlossen und sich vom Norden abgespalten. Seitdem versinkt das Land in einer Spirale aus Gewalt und Hunger. UNO-Schätzungen zufolge brauchen zwei Drittel der Bewohner humanitäre Hilfe, um zu überleben. Die Bemühungen internationaler Hilfsorganisationen wie NGOs und Lobbys sind umstritten.
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Mit 99 Prozent Zustimmung fiel die Entscheidung beim Referendum über die Unabhängigkeit des Südsudan mehr als deutlich aus. Die Hoffnung auf Frieden in einem unabhängigen Staat war groß nach Jahren des Konflikts und der Gewalt. Doch seit es 2013 zum Bruch zwischen Präsident Salva Kiir und Vizepräsident Riek Machar kam, flammte der Konflikt entlang ethnischer Bruchlinien wieder auf.

Reuters/Hakim George
Straßenszene in der südsudanesischen Hauptstadt Juba
„Dabei führt ein ethnisch durchmischter Staat nicht zwangsweise zu Konflikten, erst die Politisierung der Ethnien erzeugt Gewalt“, meint Jan Pospisil, Wissenschaftler am Österreichischen Institut für internationale Politik (OIIP) im Gespräch mit ORF.at. Er kennt die Region und sieht die Arbeit mancher Hilfsorganisationen kritisch. Laut Pospisil haben vor allem katholische Lobbys in den USA damit begonnen, sich verstärkt für die christliche Minderheit, die vor allem im Süden des Sudan lebt, einzusetzen. „Dadurch ist dann eine ganze Reihe an humanitären Organisationen in den Südsudan gezogen, die US-Politik hat ihren Mitteleinsatz verstärkt.“
Hollywood-Aktivisten mischen mit
Auch Hollywood-Schauspieler George Clooney spielt mittlerweile eine gewichtige Rolle in der Region. Er rührt unablässig die Werbetrommel für Hilfsgelder. Gemeinsam mit dem Aktivisten John Prendergast von der Nichtregierungsorganisation (NGO) Enough engagiert er sich für die Unabhängigkeit des Südsudan. Clooney hat gute Kontakte ins US-Außenministerium und zu Präsident Kiir. „In Verhandlungen fungierte Enough als Schaltstelle zwischen den USA und dem Südsudan. Das ist keine NGO-Arbeit mehr“, konstatiert Pospisil.

AP/Pete Muller
US-Schauspieler George Clooney ist eine der Galionsfiguren des Engagements
Die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft veränderte das Land. Noch 2009 war Juba, die Hauptstadt des Südsudan, „eine Ansammlung von Hütten“, schreibt die US-amerikanische Zeitschrift „Newsweek“. Nach dem Eintreffen Tausender Helfer habe sich die Stadt komplett verändert. Als „stacheldrahtgeschützte Weltraumbasen“ werden die Stützpunkte der Vereinten Nationen (UNO) in der „Newsweek“-Reportage bezeichnet, sie sind in der Bevölkerung nicht beliebt.
Zu hohe Erwartungen
Im Südsudan fehlt die Infrastruktur, die für die humanitäre Hilfe nötig ist. Es gibt kaum Straßen, während der Regenzeit sind weite Teil des Landes unerreichbar. Meist kommen die Hilfslieferungen über den Luftweg, die Kosten für die UNO sind dadurch enorm. „Die Vereinten Nationen gingen mit Erwartungshaltungen in die Südsudan-Mission, die sie nie erfüllen konnten“, meint der Politikwissenschaftler Pospisil. Die Vorstellung, man könne mit milliardenteuren Hilfslieferungen und einer bewaffneten UNO-Mission ein Land befrieden und „retten“, hält er für utopisch.
Ein Beendigung des Jahrzehnte währenden Engagements würde einer humanitären Bankrotterklärung gleichkommen. Der „Newsweek“-Journalist Alex Perry zitiert einen westlichen Diplomaten in Juba: „Wenn wir uns vor 20 Jahren zurückgezogen hätten, wäre das Land jetzt politisch reifer.“
Das Leid wächst
Nach vierjähriger Unabhängigkeit wird die Zeit knapp: Trotz fruchtbarer Böden leidet das Land an einer Hungersnot, verursacht durch die nicht enden wollende Gewalt. „Die Zahl der von einer Hungersnot bedrohten Menschen ist innerhalb eines halben Jahres um eine Million gestiegen, während 250.000 Kinder an akuter Unterernährung leiden“, sagt Jonathan Veitch, ein Vertreter des UNO-Kinderhilfswerks UNICEF im Südsudan. Laut der UNO sind 6,4 Mio. Südsudanesen auf humanitäre Hilfe angewiesen.

APA/EPA/Kate Holt/Unicef
Der Norden - im Bild die Stadt Malakal - ist derzeit besonders betroffen
Auch die Flüchtlingszahlen in den UNO-Camps steigen beständig, im Laufe der letzten Woche stiegen sie um 10.000 auf 150.000. Die Anzahl der Menschen, die nicht in den Lagern der Vereinten Nationen Zuflucht finden, ist um ein Vielfaches größer.
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