Grenzlinie wird geglättet
Mehr als 50.000 Südasiaten waren in der Grenzregion zwischen Indien und Bangladesch jahrzehntelang staatenlos. Sie lebten in teilweise winzigen, oft ineinander verschachtelten Enklaven. Ein historisches Abkommen zwischen den beiden Ländern macht sie nun zu Staatsbürgern und lässt sie bei der Wahl ihrer neuen Heimat selbst entscheiden. Es trat im August in Kraft.
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Tausende Menschen in betroffenen Ortschaften brachen um Mitternacht (Ortszeit) in lauten Jubel aus. „Wir haben 68 Jahre lang in Düsternis gelebt, nun sehen wir endlich Licht“, sagte der 20-jährige Russel Khandaker aus der Enklave Dashiar Chhara, die bisher zu Indien gehörte, nun aber zu Bangladesch.
Der indische Regierungschef Narendra Modi und seine bangladeschische Kollegin Sheikh Hasina hatten Anfang Juni ein Abkommen zur Beendigung des Grenzstreits unterzeichnet. Betroffen sind 162 Enklaven in beiden Ländern mit insgesamt etwa 50.000 Einwohnern, die bisher staatenlos waren.
Komplizierte Grenzziehung
Die 4.000 Kilometer lange Grenze zwischen Indien und Bangladesch verlief über Jahrzehnte in einer komplizierten Zickzacklinie. 162 Enklaven, Unterenklaven und Unter-Unterenklaven gibt es in dem Gebiet - indische in Bangladesch und umgekehrt. Manche von ihnen sind nicht größer als ein Reisfeld. Die Grenzziehung und damit einhergehende Spannungen gehen auf zum Teil jahrhundertealte Verträge örtlicher Machthaber über die Territorien zurück.
Die beiden Länder haben den alten Gebietsstreit nun beigelegt und die Enklaven offiziell in den jeweiligen Staat, in dem sie liegen, eingegliedert. Indien tauscht seine 111 Enklaven in Bangladesch gegen die 51 auf der anderen Seite aus und verliert dabei rund 40 Quadratkilometer Territorium.

APA/ORF.at
162 Enklaven wurden eingegliedert
Abgeschnitten von Infrastruktur
Eines der größten Probleme für die Einwohner der Enklaven war neben der Staatenlosigkeit, dass es in den Gebieten an Straßen, Schulen, Krankenhäusern und anderen Einrichtungen mangelte. Sie galten als von ihren Heimatländern vergessen, hatten keinerlei Ansprüche auf Sozialleistungen und durften die Enklave auch offiziell nicht verlassen.
Den Staatenlosen stand es bei der Eingliederung nun frei, in ihrem bisherigen Wohngebiet zu bleiben oder in ihr jeweiliges ursprüngliches Heimatland zu ziehen. Ihre Staatszugehörigkeit konnten sie so wählen. Alle 14.854 Menschen der bangladeschischen Enklaven in Indien wollten Inder werden. Von den 39.176 Bürgern der bisher indischen Enklaven in Bangladesch wollten künftig 979 Inder sein.
Indien bremste lange bei Einigung
Das historische und bejubelte Abkommen wurde bereits im Juni unterzeichnet, nun ist die Aufteilung auch offiziell in Kraft. Bangladesch hatte der Neuregelung bereits im Jahr 1974 zugestimmt, das indische Parlament gab allerdings erst im Mai grünes Licht. Die Unterzeichnung des Abkommens bei einem Besuch des indischen Regierungschefs Narendra Modi in Bangladesch galt daher als historisch.
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