Athen „bleibt am Verhandlungstisch“
Im Schuldenstreit mit seinen Geldgebern bleiben Griechenland nur noch wenige Stunden, um eine bis Mitternacht fällige Rate an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zu begleichen - ansonsten steht das Land wohl unmittelbar vor der Zahlungsunfähigkeit. Wie am Dienstagnachmittag bekanntwurde, will Athen die Euro-Partner noch zu einem weiteren Hilfspaket überreden.
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„Griechenland bleibt weiter am Verhandlungstisch“ zitierte in diesem Zusammenhang die Wirtschaftsplattform Bloomberg aus einem Statement aus dem Büro des griechischen Premiers Alexis Tsipras. Ziel der Verhandlungen sei, Griechenland für zwei Jahre unter den Euro-Rettungsfonds, den Europäischen Stabilitätsmechanismus (European Stability Mechanism, ESM) zu stellen. Die angestrebte Vereinbarung soll nach Angaben der Regierung alle finanziellen Bedürfnisse und parallel eine Restrukturierung der griechischen Schulden abdecken.
Neue Beratungen der Euro-Finanzminister
Ob es noch zu einer Lösung und einem mittlerweile dritten Hilfspaket kommen wird, bleibt Beobachtern zufolge allerdings mehr als offen. Ein neues Hilfsprogramm unter dem ESM setzt nicht zuletzt auch neue Verhandlungen mit den Geldgebern voraus. Euro-Gruppe-Chef Jeroen Dijsselbloem sprach via Twitter jedenfalls von einem „am Nachmittag eingegangenen offiziellen Antrag der griechischen Regierung“, über den die Euro-Finanzminister derzeit in einer eilends einberufenen Telefonkonferenz beraten. Die Euro-Finanzminister tagen somit zum mittlerweile 14. über den laufenden Schuldenstreit mit Athen.
Laut dpa hat die griechische Regierung bei den Euro-Partnern einen zweijährigen Kredit in Höhe von rund 29 Mrd. Euro beantragt. Diese Summe solle ausschließlich zur Ablösung fälliger griechischer Schulden im Zeitraum 2015 bis 2017 verwendet werden, wie aus dem der dpa vorliegendem Tsipras-Brief weiter hervorgeht.
Bitte um „kurze“ Verlängerung
Neben dieser neuen ESM-Finanzhilfe bittet Tsipras darum, dass die bisherigen Schulden beim früheren Rettungsfonds EFSF restrukturiert werden. Ferner strebt Athen eine Brückenfinanzierung an: „Bis der Hilfskredit bewilligt und in Kraft ist, bittet Griechenland um eine Verlängerung des (bestehenden) Programms für einen kurzen Zeitraum, um sicherzustellen, dass keine technische Zahlungsunfähigkeit ausgelöst wird.“
Eine klare Absage kommt allerdings bereits aus Deutschland. „Vor einem Referendum kann von deutscher Seite aus kein neuer Antrag beraten werden“, wurde die deutsche Kanzlerin Angela Merkel nach Angaben von Teilnehmern einer CDU/CSU-Fraktionssitzung zitiert. Reuters zitiert zudem einen Vertreter der Euro-Zone, wonach am Dienstag „auf keinen Fall“ Mittel freigegeben werden, damit Griechenland die fällige IWF-Kreditrate bezahlen kann.
Griechenland vor Zahlungsausfall
Nach dem jüngsten Scheitern der Schuldengespräche zwischen Griechenland und den Gläubigern läuft bereits um Mitternacht das bisherige Hilfsprogramm beim ESM-Vorgänger, der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (European Financial Stability Facility, EFSF) für Griechenland aus.
Zudem steht eine Zahlung von 1,6 Mrd. Euro an den IWF an, die Athen laut bisherigen Wortmeldungen nicht leisten will. Ob Athen die Rate nun mit ESM-Geldern doch begleichen möchte, geht aus den Berichten nicht hervor. Mehrmals betonte der IWF in den vergangenen Tagen aber, dass es keinen neuerlichen Aufschub geben werde.
Bisher deutet vieles darauf hin, dass erstmals in der 71-jährigen Geschichte des Währungsfonds ein Industriestaat seine Zahlungsverpflichtung nicht einhalten wird. Griechenland würde damit einem Club an Ländern beitreten, in dem sich etwa Staaten wie der Sudan, Somalia und Simbabwe befinden.
Keine neuen Kredite von EZB
Griechenland schuldet dem IWF insgesamt 26 Mrd. Euro. Der einmalige Zahlungsausfall für eine Kredittranche dürfte vorerst kein finanzpolitisches Beben auslösen. Die Bedeutung ist zunächst vor allem symbolisch: Der Zahlungsausfall stellt Griechenland, die Euro-Zone, die EU und den IWF vor eine bisher noch nie da gewesene Situation.
Auch die Europäische Zentralbank (EZB) drückte die Pausetaste bei ihren Kreditlinien, nachdem die Verhandlungen am Wochenende in Brüssel ohne Einigung abgebrochen worden waren. Die Zentralbank pumpte bereits rund 90 Mrd. Euro in das griechische Finanzsystem und lehnte ein griechisches Ansuchen vom Wochenende um weitere sechs Mrd. Euro an Überbrückungskrediten ab.

APA/EPA/Fotis Plegas G.
Tausende SYRIZA-Anhänger auf den Straßen Athens
Am Mittwoch will die EZB nun wichtige Weichen für das Überleben der griechischen Banken stellen und laut OeNB-Chef Ewald Nowotny erneut über mögliche Notgelder und eine Verlängerung der Hilfskredite beraten.
Hektische Symbolpolitik
In einem neuerlichen Einigungsversuch drängte die EU-Kommission die griechische Regierung am Dienstag, das bereits am Freitag gemachte Angebot der Geldgeber für ein Sparpaket doch noch anzunehmen. Die griechische Regierung müsse zudem für ein Ja beim Referendum am Sonntag werben. Eine offizielle Reaktion der Regierung in Athen blieb aus - griechischen Medienberichten sei der Vorstoß der Kommission allerdings strikt abgelehnt worden.
Tsipras hatte die Vorschläge und zeitlichen Vorgaben der Gläubiger zuletzt mehrfach als „Erpressung“ zurückgewiesen und die Geldgeber mit dem Referendum brüskiert. Ein Vertreter der griechischen Regierung hatte gegenüber Reuters zudem betont, Tsipras werde am Sonntag mit Nein stimmen.
Die Referendumsfrage
„Muss der Entwurf einer Vereinbarung von Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds akzeptiert werden, welcher am 25.06.2015 eingereicht wurde und aus zwei Teilen besteht, die in einem einzigen Vorschlag zusammengefasst sind?“
In einem TV-Interview am Montagabend verknüpfte Tsipras auch seine politische Zukunft mit dem Ergebnis der Volksbefragung. Seine Regierung stelle sich klar gegen die Forderungen der Gläubiger und werde ein Ja der Wähler zwar respektieren - „wir werden aber nicht diejenigen sein, die sie ausführen“.
„Ja oder Nein zur Euro-Zone“
Italiens Regierungschef Matteo Renzi sprach unterdessen davon, dass das Referendum für Griechenland die Wahl zwischen Euro und Drachme sei. Auch der deutsche Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sagte: „Es ist im Kern die Frage, Ja oder Nein zum Verbleib in der Euro-Zone.“ Laut EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Junckers würde ein Nein signalisieren, dass Griechenland den Euro verlassen wolle, was unbedingt vermieden werden müsse.

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Stimmt die Mehrheit für den Sparplan, will Tsipras Konsequenzen ziehen
Varoufakis droht mit Klage
Der griechische Finanzminister Giannis Varoufakis drohte ein juristisches Vorgehen gegen einen möglichen „Grexit“ an. Varoufakis wurde von der britischen Zeitung „The Daily Telegraph“ zitiert, Griechenlands Euro-Mitgliedschaft sei „nicht verhandelbar“. Gegen einen „Grexit“ werde seine Regierung „sicherlich eine gerichtliche Verfügung des Europäischen Gerichtshofs erwägen“.
Die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) senkte erneut die Bonitätsnote für Griechenland und sprach von einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit für ein Ausscheiden des Landes aus der Euro-Zone.
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